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Versäumnisse an über 60 Schnittstellen

23. Mai 2013

Die Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus mahnt einen besseren Informationsaustausch der Behörden an, um Ermittlungsfehler wie bei den NSU-Morden zu vermeiden. An über 60 Schnittstellen habe es Pannen gegeben.

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Der Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus wird in Hannover präsentiert (Foto: pa/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Wie konnte es geschehen, dass die Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) jahrelang nicht aufgeklärt wurde? Dieser Frage sind auch die Mitglieder einer Bund-Länder-Kommission nachgegangen, die von der Bundesregierung im Februar 2012 eingesetzt wurde - nach Bekanntwerden schwerwiegender Versäumnisse im Fall NSU. Die vierköpfige Runde sollte Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern erarbeiten. Jetzt stellten die Experten ihren Abschlussbericht bei der Innenministerkonferenz in Hannover vor.

Und was sie präsentierten, kam einer Ohrfeige für die beteiligten Behörden gleich. Bei der Aufarbeitung der Ereignisse seien mehr als 60 Schnittstellen identifiziert worden, "an denen es ganz konkret Versäumnisse gegeben hat", sagte Kommissionssprecher Eckhart Müller. "Insbesondere fehlte es aus unserer Sicht an drei wesentlichen Merkmalen: Klarheit, Kommunikation, Kontrolle", betonte er. Es dürfe nicht sein, dass Polizei und Verfassungsschutz parallel gefährliche Personen beobachteten, ohne voreinander zu wissen, rügte er.

"Gravierendes Versagen"

Das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe soll zwischen 2000 und 2007 neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer sowie eine Polizistin ermordet haben. Außerdem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln und eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. Die Sicherheitsbehörden hatten jedoch jahrelang weder Zusammenhänge zwischen den Taten gesehen, noch waren sie der Gruppe auf die Spur gekommen.

Das Kommissionsmitglied Heino Vahldieck bezeichnete es als das "gravierendste Versagen überhaupt", dass das NSU-Trio viele Jahre unentdeckt morden konnte. Müller betonte, nur durch "klare, einheitliche und verpflichtende Regeln" könne erreicht werden, dass es künftig keine Unsicherheiten mehr beim Austausch von Informationen gebe.

Einsatz von V-Leuten mit strengerer Kontrolle

Unter anderem empfiehlt die Kommission in dem 365-seitigen Bericht, den Schutz von Informanten des Verfassungsschutzes - sogenannte V-Leute - zu überarbeiten. Diese hatten in der NSU-Affäre eine zwielichtige Rolle gespielt. Der Verfassungsschutz solle aber auch künftig mit V-Leuten in der rechten Szene zusammenarbeiten dürfen. Müller betonte, deren Einsatz sei auch weiterhin unverzichtbar. Der rechtliche Rahmen und die Kontrolle müssten jedoch neu geregelt werden.

Es dürfe keine Freibriefe für V-Leute geben, wenn diese Straftaten begangen hätten. "Das kommt nicht in Betracht", heißt es in dem Bericht. "Der Quellenschutz ist nicht absolut." Der Schutz von Leib und Leben der Quelle, die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden und die berechtigten Belange von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr seien in ein angemessenes Verhältnis zu bringen.

Letztlich müsse es aber Sache der Staatsanwaltschaften bleiben, bei Rechtsbrüchen von V-Leuten und ihren Kontakten beim Verfassungsschutz gegebenenfalls von einer Strafverfolgung abzusehen. "Auch wenn nicht gerne darüber geredet wird: Beim Einsatz von V-Leuten vor allem in terroristischen Vereinigungen ist die Begehung von Straftaten kaum zu vermeiden", so Müller. Gegenwärtig müssten Beamte des Verfassungsschutzes immer mit einem Strafverfahren wegen Anstiftung rechnen, wenn V-Leute Straftaten begingen.

Mehr Kompetenzen für Generalbundesanwalt

Die Kommission sprach sich bei aller Kritik über das "Trennungsgebot in den Köpfen" dafür aus, die Trennung von Verfassungsschutz und Polizeibehörden beizubehalten. Sie schlug vor, die Fachaufsicht über Polizei und Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene zu stärken und die Bundesanwaltschaft mit mehr Kompetenzen auszustatten. So solle der Generalbundesanwalt künftig die Ermittlungen etwa bei ganzen Mordserien auch dann an sich ziehen können, wenn es noch keinen Staatsschutzbezug gibt.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich begrüßte den Bericht der Kommission. "Wir sind dankbar dafür, dass sie unsere Behörden fair behandelt haben." Es sei jetzt Aufgabe der Politik, bei den Sicherheitsbehörden "Korrekturen vorzunehmen", so Friedrich.

kis/kle (dpa, afp, epd)