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Politik

Fünf Jahre Krim-Annexion: Putins Dilemma

Elena Barysheva | Roman Goncharenko
16. März 2019

Die Krim-Annexion 2014 bescherte der russischen Führung eine Rekordzustimmung in der Bevölkerung. Fünf Jahre später ist die Euphorie in Russland verflogen und Putins Beliebtheit sinkt.

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Beim letztjährigen Jahrestag der Krim-Annexion wurde Putin als starker Mann gefeiertBild: picture-alliance/dpa/TASS/S. Bobylev

Wenn in russischen Expertenkreisen von einem "Krim-Effekt" oder "Krim-Bonus" gesprochen wird, dann in der Vergangenheitsform. Die Umfragewerte von Präsident Wladimir Putin haben wieder das Niveau erreicht, das sie vor der Annexion der ukrainischen Halbinsel hatten. Diese Annexion, die man in Kiew "Besatzung" und in Moskau "Wiedervereinigung" nennt, jährt sich in diesen Tagen zum fünften Mal.

Vor fünf Jahren übernahmen zunächst maskierte und schwer bewaffnete Männer ohne Abzeichen die Macht auf der Krim. Dann, am 16. März 2014, ließ die russische Regierung in einem gesetzwidrigen Referendum über die Abspaltung von der Ukraine abstimmen. Die Ergebnisse wurden international nicht anerkannt. Am 18. März 2014 besiegelte der Kreml-Chef unilateral den "Beitritt" der Krim zu Russland.

Russen berauschten sich an der Krim-Annexion

Das löste in Russland eine äußerst seltene Euphoriewelle aus. Die Beliebtheit Putins schoss auf über 80 Prozent. Davor hatte sie bei rund 60 Prozent gelegen. "Ich kann das mit einem Rausch vergleichen", sagt Nikolaj Petrow von der Russischen Hochschule für Wirtschaft in Moskau. "Damals, 2014, hatten die Menschen das Gefühl, alles geht, alles ist erlaubt. Man berauschte sich an der wiedergefundenen eigenen Größe. Das Sorgengefühl ist fast im gleichen Maß zurückgegangen."

Feierlichkeiten in Moskau am 2. Jahrestag der Krim-Annexion. Auf dem Plakat steht es "Ich liebe Krim"
"Ich liebe die Krim": Feierlichkeiten in Moskau am zweiten Jahrestag der Krim-AnnexionBild: DW/J. Semenova

Konstantin Gaase vom Moskauer Carnegie-Zentrum ist sich sicher, dass der "Krim-Effekt" einmalig war und mit keinen anderen Ereignissen in der russischen Geschichte vergleichbar ist. "Ein Versuch, diesen Effekt zu wiederholen, würde scheitern", sagt Gaase. "Er beschränkt sich nicht auf Propaganda. Der Krim-Vorgang gab vielen die Möglichkeit, offen das auszusprechen, was sie sich früher nicht getraut hatten."

Ernüchterung bei Pragmatikern 

Alexej Titkow von der Nichtregierungsorganisation Komitee der zivilgesellschaftlichen Initiativen unterscheidet zwei Gruppen von Russen, die damals Putins Vorgehen auf der Krim unterstützt haben. Zusammen machen sie rund zwei Drittel der Bevölkerung aus. "Die einen heben sehr stark auf das kriegerische Thema ab, neigen zu radikalen Ansichten, wie etwa militärischer Einmischung oder einem kompletten Bruch mit dem Westen." Die anderen seien vorsichtiger und pragmatischer. In dieser Gruppe habe es in den vergangenen Jahren die größten Veränderungen gegeben.

Dass der "Krim-Bonus" nicht mehr zieht, wurde spätestens im Sommer 2018 offensichtlich. Nach der Verkündung der Rentenreform und der damit verbundenen Erhöhung des Renteneintrittsalters brachen Putins Zustimmungswerte ein, jetzt liegen sie bei rund 64 Prozent.

Doch die Ernüchterung habe bereits früher begonnen, sagen Experten. "Die Zahl der Menschen, die glauben, dass die Sanktionen nur schaden, begann bereits Ende 2014 zu wachsen", so Titkow. Als russische Behörden 2015 illegal eingeführte ausländische Lebensmittel öffentlich zerstören ließen, habe das viele Russen negativ überrascht. Sie haben zwar weiterhin die Außenpolitik des Kremls unterstützt, spürten jedoch, dass die Lage immer schlechter wurde.

Die Krim ist kein Thema mehr

Die neue Etappe in der Entwicklung der russischen Gesellschaft hat noch keine Bezeichnung, aber Eigenschaften: Enttäuschung, Neubewertung, Frustration.

Der Kreml hat bisher nichts gefunden, was den "Krim-Effekt" ersetzen könnte. Ein Weg, um die Zustimmung in der Bevölkerung zu steigern, wäre ein harter Kampf gegen die Korruption - "ein Szenario wie in Singapur oder China", sagt Alexej Titkow. "Doch die jetzigen Machthaber können es aus verschiedenen Gründen nicht umsetzen und beschränken sich auf Einzelfälle und landesweit eher harmlose Figuren wie Gouverneure oder Bürgermeister."

Ein Plakat mit der Überschrift "Krim und Russland" auf der Straße in Moskau
"Krim und Russland" - Plakat in Moskau Bild: Reuters/A. Bainozarov

Zusammen mit dem "Krim-Effekt" kam in Russland auch die gesellschaftliche Debatte über die wahre Zugehörigkeit der Halbinsel komplett zum Erliegen. Allerdings war sie nie wirklich groß geführt worden. Die meisten Russen haben die Annexion als eine Gegebenheit akzeptiert. "Sogar die Opposition hat fast aufgehört, darüber zu sprechen", sagt Konstantin Gaase vom Carnegie-Zentrum. Einer der prominentesten Kritiker war der ehemalige Vizeregierungschef Boris Nemzow, der 2015 getötet wurde.

Dabei sei die Frage der Zugehörigkeit der Krim "für das Völkerrechtssystem immer noch aktuell und schmerzhaft", so Gaase. Dieses Spannungsfeld dürfte eines der größten Probleme für die russische Gesellschaft und den Staat in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren sein.