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Facebook: Dumping statt Demokratie?

Johanna Schmeller4. Februar 2014

Facebook hat neue Marketing-Maßstäbe gesetzt: Ob Großkonzern oder Startup - jeder fand hier sein Forum. Früher. Zehn Jahre später lässt Facebook Firmen fürs Posten zahlen. Damit geht der Avantgarde die Puste aus.

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Firma wirbt für ihren Facebook-Auftritt (Foto: AP Photo/Paul Sakuma)
Bild: picture alliance/AP Photo

Längst hat Facebook in der Werbung Standards gesetzt. Ohne Rücksicht auf die Selbstwahrnehmung zeigen gesponserte Banner auf jeder Facebook-Profil-Startseite, was das "Tracking" - also der Verlauf der eigenen Internetaktivitäten - so hergibt: Einen Hinweis auf die Fanpage von Musiker Konstantin Wecker ("two of your friends like this"). Auf eine kirschrote Korsage. Einen Heil-Eurythmie-Workshop. Klick, klack, zack - sag', wo du klickst, und Facebook verrät dir, wer du bist.

"Kein TV-Sender schlägt Facebook"

Vielleicht noch wichtiger für deutsche Unternehmen sind allerdings eigene Profile, die aktiv von überzeugten Kunden "geliked" werden können. Was an einem Mittwoch im Februar 2004 als Studentenjahrbuch "thefacebook.com" der US-Eliteuniversität Harvard begonnen hat, ist inzwischen eine Marketingmaschine - auch in Deutschland. "Kein TV-Sender schlägt Facebook", sagt Egon Wilcsek von der Webanalyse-Agentur Socialbakers im DW-Gespräch. Mit 1,2 Milliarden Nutzern auf fünf Kontinenten ist Facebook die derzeit wichtigste interaktive Internet-Plattform. Zwei Drittel der Mitglieder besuchen ihr Profil täglich.

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"Für uns ist es zunächst einmal wichtig, dort zu sein, wo unsere Zielgruppe ist", sagt Christian Maybaum, der die Social-Media-Aktivitäten des deutschen Großkonzerns Post DHL koordiniert. Mehr als 40 Präsenzen hat sich die Deutsche Post weltweit in den vergangenen vier Jahren in sozialen Medien aufgebaut. Es geht vor allem um eins: Reichweite. Den Gewinn sozialer Medien "kann man gar nicht in einem Satz fassen", sagt Maybaum.

Er erwähnt die direktere Ansprache der Zielgruppe, betont die Verbesserungen im Kundenservice, streift den Bereich der Personalakquise - und hebt letztlich vor allem den digitalen "Marktplatz" heraus, auf dem Händler und Kunde plötzlich wieder in eine - wenn auch virtuelle - Interaktion treten: "Man geht auf einzelne Leute ein, zugleich findet der Dialog aber öffentlich statt."

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Doppelt gut fürs Markenimage. Oder? Nicht nur: "Der Wettbewerb ist stark, die Auswahl groß und auch das digitale Image einer Marke kann kaufentscheidend sein", fasst Webanalyst Wilcsek zusammen. Und dieses Image wird jetzt öffentlich diskutiert: "Noch vor zehn Jahren riefen Kunden bei Problemen den Kundenservice an - dann wusste niemand außer ihnen und dem Servicemitarbeiter, wenn es Schwierigkeiten gab." Außerdem: Ein Unternehmen müsse nicht nur Fans und Follower haben - es müssten auch die "richtigen" sein - solche, die dem Markenimage nützen.

Landkarte der weltweiten Facebook-Aktivitäten (Foto: Facebook)
Landkarte der weltweiten Facebook-Aktivitäten: mehr als eine Milliarde Nutzer auf fünf KontinentenBild: facebook

"Unsere Botschaft platzieren"

Als Jakob Assmann vor drei Jahren gemeinsam mit zwei Freunden ein kleines Startup, den Ökostromanbieter Polarstern, gründete, war Facebook vor allem "eine Möglichkeit, unsere komplexe Materie zu erklären und viele Leute für das Problem der Energieversorgung zu sensibilisieren". Komplexe Botschaften ließen sich in mehreren kleinen, nur wenige Zeilen langen Postings besser verdauen. Ökostrom, also im Grunde Physik, dazu noch Politisches wie Entwicklungszusammenarbeit und Soziales wie fairer Handel sind solche Themen. Und es müsse immer auch "Humor oder Inspiration" in den Fotos und Posts stecken, sagt Assmann: "Als kleines Unternehmen bist du darauf angewiesen, dass man über dich redet." Kreativität im digitalen Raum wurde für die Stromfirma anfangs zum Überlebensmittel, später zum Erfolgsgaranten: "Reine Werbebotschaften gehen gar nicht."

Inzwischen allerdings drohen kleine und gemeinwohlorientierte Unternehmen, kreative Startups und avantgardistische Projekte, den digitalen Daseinskampf zu verlieren. Schuld sind daran nicht die Unternehmen - sondern die Richtlinienänderung des Internetgiganten Facebook, der bei seinem Börsengang 2012 mit rund 100 Milliarden Dollar bewertet wurde.

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Für den Marktplatz der "Großen" wurde die Spielwiese der "Kleinen" vor einigen Jahren planiert: Fürs Posten lässt Facebook seine Firmenkunden inzwischen zahlen. Jedes Posting für 10.000 Freunde kostet etwa 30 Euro, berichtet Polarstern-Gründer und promovierte Wirtschaftswissenschaftler Assmann. Kleinere Firmen mit wenig Budget würden dadurch verdrängt. "Jeder Kunde bekommt maximal vier gesponserte Posts an seiner Wall angezeigt. Um diesen Platz konkurrieren natürlich viele Unternehmen." Den Zuschlag bekäme am Ende der, der am meisten zahle.

Junge Nutzer wandern ab

Wie lange Facebook folglich überhaupt noch Marktplatz sein wird - darüber herrscht Uneinigkeit. Das Marktforschungsunternehmen iStrategyLabs hat erhoben, dass sich bereits in den vergangenen drei Jahren rund drei Millionen Teenager von Facebook abgemeldet haben. Auch Statistiken der Universität Princeton sprechen von einer Abwanderung der jungen Nutzer zugunsten einer älteren Zielgruppe.

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Solche Zahlen weist die Agentur Socialbakers allerdings zurück. Nach einer eigenen Untersuchung im vergangenen Jahr von Firmenseiten mit sage und schreibe 960 Millionen Facebookmitgliedern ist die Reichweite der Firmenbeiträge bei den 18- bis 24-jährigen Nutzern nochmals gestiegen: Zwischen Januar und Dezember 2013 wuchs sie von 350.000 auf mehr als 550.000 Mitglieder an - eine Steigerung von rund 60 Prozent in nur einem Jahr.

Die große Differenz der erhobenen Zahlen macht allerdings nur jene skeptisch, die es nicht pragmatisch sehen wollen oder können: "Bislang ist Facebook jedenfalls die wichtigste Plattform", sagt Christian Maybaum von der Deutschen Post. "Ob das in fünf Jahren noch so ist, kann ich nicht vorhersagen." In einem ist er allerdings sicher: "Die Art der Kommunikation, die Facebook eingeführt hat, wird bleiben."