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Fachkräftemangel: IT-Profis aus Afrika springen ein

Martina Schwikowski | Isaac Kaledzi Accra
7. April 2023

Unternehmen bilden junge Afrikaner zu IT-Experten weiter, auch für den deutschen Markt. Dadurch wird Fachkräftemangel reduziert und junge Menschen erhalten eine Perspektive in ihrer Heimat.

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Zwei Frauen sitzen an einem Laptop
IT-Expertinnen und -Experten aus Afrika könnten Deutschlands Fachkräftemangel mildern - auch ohne auszuwandernBild: Thomas Imo/photothek/picture alliance

Augustine Normanyo war nach seinem abgeschlossenen IT-Studium in Ghanas Hauptstadt Accra monatelang arbeitslos. "Nach meinem Studium habe ich in der Tech-Brance nach einem Job gesucht", sagt Normanyo im DW-Interview. Aber ohne Erfolg, es fehlte noch an Praxiserfahrung.

Bis ein Freund ihn mit dem Unternehmen AmaliTech bekannt machte. Jetzt, ein Jahr später, ist Normanyo fast fertig mit seiner Weiterbildung zum Software-Ingenieur. "Im Moment ist es mein Ziel, im Dienstleistungszentrum zu arbeiten und dort meine Fähigkeiten noch auszubauen." Dort bietet AmaliTech den Absolventen bezahlte Arbeitsplätze, die ihnen Einkommen sichern. Auch mit einem Job auf dem deutschen Markt, ohne jedoch Ghana zu verlassen.

Denn das Tech-Unternehmen mit Hauptsitz in Köln bringt qualifizierte Arbeitskräfte aus ihren Standorten in Ghana und Ruanda mit lokalen, aber auch internationalen Kunden zusammen. Die nächste Generation von Technologie-Experten wird in Afrika aufgebaut, und bietet künftig in Deutschland dem Fachkräftemangel im IT-Sektor die Stirn.

Vorbildliches Modell für IT-Branche

"Ich denke, wenn man einmal eine neue Chance bei AmaliTech bekommen hat, kann man es in jeden Technologie-Bereich auf der Welt schaffen", sagte Bilal Abubakari, der schon als Ingenieurinformatik-Student angeworben wurde, als er auf dem Campus die Talentscouts von Amalitech traf. Nach seinem Abschluss stieg er sofort bei dem IT-Unternehmen ein und ist begeistert von der Professionalität: "Sie geben einen sehr guten Einblick in die Industriebranche, so dass man wirklich weiß, was vor sich geht", sagt er zur DW.

Zwei Drohnen fliegen über ein Feld
IT in der Praxis: Mithilfe von Drohnen können Teeplantagen - hier in Kenia - gedüngt werdenBild: PATRICK MEINHARDT/AFP/Getty Images

Dieses Modell sollte laut Ökonom Eckhardt Bode vom Kieler Institut für Weltwirtschaft Schule machen: Der afrikanische Kontinent biete großes Potenzial, den hiesigen Mangel an Arbeitskräften zu verringern, sagte er im DW-Interview. Sei es durch die Auslagerung von Arbeit, die in Deutschland wegen des Mangels an Arbeitskräften nicht erledigt werden kann, wie es die Firma AmaliTech praktiziere, oder durch Zuwanderung von Fachkräften aus Afrika, sagte Bode.

Wohlstands-Bremse lösen

Aber in Deutschland müsse ein stärkerer Bewusstseinswandel in der Gesellschaft stattfinden, sagt Bode und fragt: "Sind wir Deutschen wirklich gewillt, Einwanderungen zu akzeptieren?" Der Fachkräfte- oder der Arbeitskräftemangel könne in Deutschland "in Zukunft zu einer Wachstums- und Wohlstands-Bremse werden - wenn wir nicht entschiedener als bisher gegensteuern", sagt Bode. Ohne stärkere Zuwanderung von Arbeitskräften lasse sich das aller Voraussicht nach nicht lösen.

Leerstehendes Büro - Symbolbild
Rund 137.000 IT-Stellen sind in Deutschland nach Branchenangaben unbesetztBild: Ute Grabowsky/imago images/photothek

Mit der zunehmenden Digitalisierung ist besonders die Tech-Branche betroffen, schon heute funktionierten IT-Projekte in öffentlichen Verwaltungen nicht besonders gut. Derzeit fehlen in Deutschlands Unternehmen 137.000 IT-Expertinnen und -Experten quer durch alle Branchen, berichtet der Digital-Branchenverband Bitkom.

Win-Win-Situation für Afrika und Deutschland

Aber der IT-Markt bietet durch die Möglichkeit, digital von überall auf der Welt arbeiten zu können, eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Perspektiven für junge Afrikaner und deutsche Unternehmen. "Auf diese Weise wird die Fachkräftebasis global gestärkt, um schädliche Effekte wie den Braindrain (die Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte, Anm. d. Red.) zu reduzieren", sagt Najim Azahaf, Migrationsexperte bei der Bertelsmann-Stiftung.

Informatikstudent im Innovation Lab der Universität Johannesburg
Im Innovationslabor der Universität Johannesburg entwickenn Studierende Software, Algorithmen oder Video-SpieleBild: MARIA GIULIA TROMBINI/AFP

International gebe es viele Pilotprojekte mit verschiedenen Modellen, beispielsweise in Osteuropa, Asien und Lateinamerika. "Aber wir müssen auch stärker Länder aus Subsahara-Afrika in dem Blick nehmen, wo die anfänglichen Hürden etwas größer sein mögen, die Potenziale für alle Seiten aber umso größer", sagt Azahaf im DW-Interview. Gewisse Vorurteile von Investoren, aber auch die Frage der Kompatibilität von Abschlüssen stünden häufig im Weg.

Talent-Hub in Ostafrika

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Baby-Boomer, also die geburtenstarken Jahrgänge der bis Mitte der 1960er-Jahre geborenen Menschen, nun in Rente gehen, habe Afrika einen demografischen Überhang an jungen Menschen. Diese Chance müsse genutzt werden, ist Azahaf überzeugt. Erfolgversprechende Ansätze gebe es in Nordafrika in Tunesien und Marokko vorhanden.

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Allerdings sind auch in Süd- und Ostafrika viele junge Talente am Start, die als Software-Entwickler und Programmierer für deutsche und europäische Kunden arbeiten. Anja Schlösser gründete 2019 das Unternehmen "Code of Africa" in Hamburg - um in Ostafrika flexible und gut ausgebildete junge Teams aufzubauen.

Inzwischen arbeiten am Firmensitz in Ruanda zehn Vollzeitkräfte plus 40 weitere Spezialisten stehen aus den Netzwerken in Kenia, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo für Serviceleistungen bereit. "Unser Fokus ist, dass die jungen Menschen nicht emigrieren, sondern sich in Ostafrika nachhaltig ein Leben aufbauen und Arbeitseinkommen sichern können", sagt Schlösser zur DW.

Absolventen fit für die Zukunft

Seine Schützlinge das schaffen, davon ist Salami Suleiman, Ausbilder bei AmaliTech, überzeugt: "Wir wissen, dass die Mitarbeiter, mit denen wir das Dienstleistungszentrum begonnen haben und die jetzt bei uns arbeiten, sich weiterentwickeln und Führungspositionen übernehmen."

Das Ausbildungsprogramm biete Struktur und gehe mit den Anfängern auf eine "Lernreise". Auch die sogenannten "soft skills" spielen eine wichtige Rolle. Kommunikation sei wichtig, sagt Suleiman, ebenso wie Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, die Fähigkeit zur Teamarbeit. "In gewisser Weise sind diese Fähigkeiten fast wichtiger geworden als die technischen Fähigkeiten." Im Bildungssystem komme das bisher seiner Meinung nach zu kurz.

Die Auszubildenden Bilal Abubakari und Augustine Normanyo wollen zunächst in Ghana bleiben. Abubakari hofft auf die künftige Mitarbeit an einem Kundenprojekt. Er ist motiviert, sich in einem IT-Bereich zu spezialisieren: "Wenn ich bei AmaliTech bleibe, kann ich diesen Weg einschlagen, und in zehn Jahren könnte ich mich dann auf anderen Märkten umsehen, zum Beispiel in Europa."

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