Afrikanische Migranten - gestrandet im Jemen
6. August 2019Wir haben Aden kaum in Richtung Wüste verlassen, als wir Dutzende Flüchtlinge sehen, zu Fuß, mit ihren wenigen Besitztümern. Ihre Füße sind geschunden vom langen Weg. Viele von ihnen haben tagelange Märsche hinter sich, um von der jemenitischen Küste, wo sie mit Booten gelandet waren, nach Aden zu gelangen.
Einer der Migranten, mit denen ich spreche, ist noch ein Kind. "Mein Name ist Saidu. Ich bin 13 Jahre alt. Ich komme aus Äthiopien", stellt er sich vor. Sein Bruder neben ihm sagt auf die Frage, was er suche, nur ein einziges Wort: "Birr", so heißt die äthiopische Währung. "Geld", fügt er noch hinzu.
Geld, Arbeit, etwas Stabilität - das ist, was Zehntausende zu finden hoffen, die sich auf die gefährliche Überfahrt vom Horn von Afrika in den Jemen begeben.
Ankommen im Kriegsgebiet
Aber Jemen ist alles andere als stabil. Seit gut vier Jahren wütet Krieg im Land. Ende 2014 eroberten Huthi-Rebellen die Hauptstadt Sanaa und stürzten die Regierung. Im März 2015 griff eine von Saudi-Arabien geführte Koalition die schiitischen Rebellen an. Die Kämpfe haben sich zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran entwickelt, der die Huthis unterstützt.
Aber über all das wissen die meisten Migranten, die im Jemen ankommen, nur wenig.
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Auf der Straße treffe ich den nächsten jungen Afrikaner. Er ist 25 und erzählt, er sei von der gefährlichen Überfahrt traumatisiert. "Als wir aufs Boot kamen, gab es kein Wasser, kein Essen. Es war zu windig. Manche Menschen mussten stehen, andere saßen. Das Boot war völlig überfüllt."
Diejenigen, die es an Land schaffen, müssen anschließend tagelang durch die Wüste laufen. Die hauptsächlich jungen Männer zahlen mehrere hundert US-Dollar, um in den Jemen zu kommen. Eigentlich wollen viele weiter nach Saudi-Arabien. Aber bei all den Unsicherheiten und Unwägbarkeiten im Jemen ist völlig unklar, wo ihre Reise endet.
Wie viele Menschen überhaupt von Ostafrika in den Jemen aufbrechen ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von 50.000 bis zu 150.000 pro Jahr aus, aber das lässt sich in einem Kriegsgebiet kaum seriös überprüfen. Sogar Wetter und Seegang haben kurzfristig einen Einfluss darauf, wie viele sich in Dschibuti auf ein Boot wagen.
Die Migrationsroute ist unbekannter und günstiger als jene durch den Sudan und Libyen nach Europa - aber sie ist gefährlich. Wegen des Krieges ist der Jemen auch mit Landminen übersät.
"Viele von ihnen kommen nie in Saudi-Arabien an"
Ein Auto einer Hilfsorganisation nähert sich. Die Mitarbeiter wollen nicht zitiert werden, erzählen aber, dass die meisten Flüchtlinge Saudi-Arabien nie erreichen. "Die meisten von ihnen, 90 Prozent oder 85, sitzen in Aden fest. In Dhale wütet der Krieg", sagt der Mann auf dem Fahrersitz. Er transportiert einige Kisten mit Wasser, Datteln und Keksen. Er reicht etwas davon durchs Fenster, wann immer er Migranten am Straßenrand begegnet. Und er zählt sie, damit er weiß, wie viele von ihnen vorbeilaufen.
Der Ort Dhale, von dem der Helfer spricht, liegt an der Grenze zwischen zwei Gebieten, die von der jemenitischen Exilregierung und den Huthi-Rebellen kontrolliert werden. Um nach Saudi-Arabien zu gelangen, müssen die Flüchtlinge beide durchqueren. Die Gefahr ist für sie groß, dabei buchstäblich zwischen die Fronten zu geraten.
Schleuser profitieren von Gesetzlosigkeit
In Aden treffe ich einen jemenitischen Schleuser, der anonym bleiben will. Der Krieg im Jemen habe ihn zum Schleuser gemacht, sagt er: "Es gibt keine Jobs, wir sitzen nur herum und es gibt keine Arbeit außer die am Meer." In einem Land, wo niemand die Einhaltung der Gesetze überwacht, ist das Schleusertum ein einträgliches Geschäft. Er sagt, er verdiene umgerechnet 400 US-Dollar mit jedem Migranten.
Während also die Jemeniten mit Armut und Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, strandet in ihrer Mitte eine weitere Gruppe: Migranten aus Afrika.
Abdi ist vor zwei Monaten aus Äthiopien gekommen. Er erzählt, er sei von Schleusern geschlagen worden und hat kein Geld mehr, um seine Reise fortzusetzen. Anderen Migranten rät er, die Reise gar nicht erst anzutreten. "Ich will ihnen sagen, sie sollen besser nicht in den Jemen kommen. Nicht einmal, um von dort in ein anderes Land weiterzureisen. Sie sollen besser in ihrem Heimatland bleiben."
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Doch die Aussicht auf ein besseres Leben in Saudi-Arabien wird wohl weiter viele Migranten dazu bringen, sich auf den Weg zu machen - selbst wenn er in ein Land führt, das so viele Probleme hat wie der Jemen.