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Fairteilen vor dem Aus?

Karin Jäger1. Februar 2016

Was tun mit Essensresten, die nicht mehr verzehrt werden? In Sammelstellen abgeben und sie der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Doch Berliner Behörden stellen die Aktion des Teilens von Nahrungsmitteln infrage.

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Jörn Hartwig von foodsharing.de und Christina Kaiser, Mitinhaberin des Ladens All You Can Meet in Dortmund, vor einem Kühlschrank (Foto: Imago).
Bild: Imago/epd

Frank Bowinkelmann hat aus der Zeitung erfahren, "dass gegen uns massiv vorgegangen wird." Fotos sind Beweise: Sie zeigen welken Salat, unverpacktes Brot und eine milchige Flüssigkeit im Kühlschrank, die nicht deklariert wurde. All diese Mängel haben die Mitarbeiter der Berliner Lebensmittelaufsicht dokumentiert.

Bowinkelmann, Vorstandsmitglied des Vereins Foodsharing, bestätigt die Kritik der Amtsprüfer. Dennoch kann er nicht verstehen, dass die Behörden nun gänzlich hygienische Bedenken anführen, die sein Projekt zum Scheitern bringen könnten. "Von verwelkten äußeren Blättern eines Salats geht doch kein Gesundheitsrisiko aus. Die kann man doch entfernen", weist Bowinkelmann im DW-Gespräch die Vorwürfe zurück. Außerdem lägen die Waren in haushaltsüblichen Mengen immer nur kurz in den Regalen.

Seit 2012 gibt es öffentliche Kühlschränke, sogenannte Fairteiler. "Leute, die bei Foodsharing mitmachen sind, stellen die Geräte auf. Die Initiative ist sehr dezentral aufgestellt. Es gibt allerdings eindeutige Regeln." Die Fairteiler seinen vielerorts zum sozialen Treffpunkt avanciert, sagt Bowinkelmann. Aber auch Bedürftige könnten zugreifen, ohne stigmatisiert zu werden. In 62 Städten gibt es 300 öffentliche Kühlschränke. Die Aktion wurde in vielen Ländern kopiert.

"Taste the Waste" als Vorbild

Bowinkelmann war angetreten, der gigantischen Lebensmittelverschwendung entgegen zu wirken. 'Taste the waste' - der Film seines Kollegen Valentin Thurn, hatte den Filmemacher aufgerüttelt. Die Dokumentation machte 2011 auf die internationale Lebensmittelvernichtung aufmerksam.

Eine Mehrwegkiste mit Gemüse (Foto: picture alliance).
Mehrwegkiste mit Gemüse, das im Geschäft aussortiert wurdeBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Doch seither hat sich nicht viel geändert: Ein Drittel aller Lebensmittel werden nach wie vor weggeworfen. In Deutschland landen - je nach Angabe - zwischen elf und 20 Millionen Tonnen an Obst, Gemüse, Milchprodukten und Konserven auf dem Müll, obwohl sie noch verzehrfähig wären. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen arbeitet seit fünf Jahren ein Runder Tisch an Maßnahmen gegen die Wegwerfkultur. Ende Januar forderte NRW-Umweltminister Johannes Remmel eine nationale Strategie zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung und appellierte an den zuständigen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, sich für eine europäische Lösung einzusetzen, damit Ressourcen - wie Energie, Wasser und Böden - nicht länger vergeudet werden.

In "Taste the Waste" wurden Mülltaucher gezeigt, die in Abfalltonnen der Supermärkte (illegal) nach Lebensmitteln suchen, die Händler entsorgt hatten. Frank Bowinkelmann und seine Mitstreiter hatten eine naheliegende Idee: Sie animierten Institutionen, Kühlschränke und Regale an öffentlich zugänglichen Orten aufzustellen, in die jeder Lebensmittel hineinstellen kann, die noch genießbar sind, aber nicht mehr benötigt werden. Jeder Konsument darf sich gratis am Sortiment bedienen - ohne Berechtigungsschein. Das unterscheidet Foodsharing von den "Tafeln". Bei der ebenfalls bundesweiten Initiative erhalten Bürger, die auf staatliche Hilfen angewiesen sind, Lebensmittel bei Vorlage eines Sozialpasses.

Strenge hygienische Maßstäbe

Für Foodsharing gelten andere Regeln: Kirchen, Schulen, Unis dürfen "Fairteiler" aufstellen, nicht aber Parteien. Lebensmittel, die wie rohes Fleisch oder Produkte aus nicht erhitzter Rohmilch, ein potenzielles Gesundheitsrisiko bergen, dürfen ebenso wie Alkohol nicht gespendet werden.

Preisschilder in einem Lidl-Discounter (Foto: picture alliance).
Viel fürs Auge, zu viel für KonsumentenBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Weitere Regeln: Kühlschränke müssen immer fest verschlossen auf eine Temperatur von 5 Grad Celsius eingestellt sein. Die Aufsteller müssen sich verpflichten, die Geräte mindestens einmal pro Woche mit Spülwasser und sechsprozentiger Essigwasserlösung zu reinigen und darüber ein Hygieneprotokoll zu erstellen.

Wie geht es weiter?

Vier Jahre funktionierte das System reibungslos, sagt Bowinkelmann. Bis die Berliner Behörden wegen möglicher Gesundheitsgefahren Bedenken anmeldeten. Die für Verbraucherschutz in der Bundeshauptstadt zuständige Staatssekretärin, Sabine Toepfer-Kataw sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass auch rechtliche Bedenken gegen die Kühlschränke bestehen. Wird das Teilen von Essen in anderen Städten als Weitergabe unter Privatleuten angesehen, will man in Berlin prüfen, ob die Anbieter Lebensmittelunternehmer sind, weil per Gesetz als solcher einzustufen ist, "der Lebensmittel in Verkehr bringt, egal ob gegen Geld, Spende oder umsonst", so Topefer-Katow.

Als Lebensmittelunternehmer würde der Verein Foodsharing gelten, weil dessen Kühlschränke auf öffentlichem Grund für jedermann zugänglich und unbeaufsichtigt seien. Die Folge könnte sein, dass die Behörde fordert, dass ein registrierter Verantwortlicher Spender und Spenden dokumentiert. Eine Forderung, die der Verein nicht nachkommen kann. Die Berliner Behörden wollen sich absichern, da in der Vergangenheit öffentlich vergifteter Schnaps und manipulierte Kekse verteilt worden waren.

"Es gibt für das Prinzip keine rechtliche Grundlage", sagt Egbert Lechtenböhmer, Leiter der Abteilung Lebensmittelüberwachung und Veterinärdienste der Stadt Köln. "Wir haben das Landesamt angeschrieben und um Weisung gebeten." Das zuständige Amt in Duisburg hatte keinerlei Einwände, erklärt Frank Bowinkelmann.

Lebensmittel in einer Mülltonne (Foto: picture alliance).
Ab in die Tonne? Müll-Verschwendung von LebensmittelnBild: picture-alliance/dpa

Bowinkelmann und seine Mitstreiter wollen nun nach Möglichkeiten versuchen, die Kühlschränke auf privatem Grund zu installieren. Allerdings sollten die abends verschlossen werden, fordern die Berliner Behörden. "Es ist fatal, dass ausgerechnet von der Bundeshauptstadt ein solches Signal ausgeht", zeigt er sich enttäuscht. "Die Menschen, die sich aus Scham unbeobachtet versorgen, kämen dann nicht mehr in den Genuss kostenloser Waren."

Sollte es Foodsharing nicht gelingen, eine Lösung zu finden, werden künftig wieder mehr Lebensmittel im Müll landen und Bedürftige, die sich gratis bedient haben, werden nicht mehr von der Gesellschaft versorgt.

Vielleicht gibt es bald Restaurants, die weggeworfene Nahrungsmittel verwenden. Die Idee zu solchen Non-Profit-Betrieben gibt es bereits. Sie stammt aus Berlin. Einen Namen haben die Initiatoren auch: Restlos glücklich. Nur mit der Umsetzung hapert es.