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PolitikTürkei

Faktencheck: Diese Fakes sollen die Türkei-Wahl beeinflussen

Kathrin Wesolowski | Gamze Kafar
25. Mai 2023

Kurz vor der Präsidentschafts-Stichwahl zwischen Recep Tayyip Erdogan und Kemal Kilicdaroglu: In der Türkei kursieren viele Fake News.

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Hannover | Stichwahl in der Türkei | Wahllokal Messe Hannover
Kurz vor der Stichwahl in der Türkei kursieren viele Fake News.Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Die Stichwahl zur Präsidentschaft in der Türkei könnte zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Recep Tayyip Erdogan und Kemal Kilicdaroglu werden. Einige Politiker und Bürger sehen dies als Möglichkeit, mit Fakes im Internet die Wahl noch kurzfristig mitzubeeinflussen.

Präsident Erdogan selbst hatte bereits vor der regulären Wahl ein manipuliertes Video über seinen schärfsten Konkurrenten veröffentlicht, das ihn mit der militanten kurdischen PKK in Verbindung bringt. In einem Fernsehinterview sagte er, dass es ihm gewissermaßen egal sei, ob das Video manipuliert wurde oder nicht. Und auch Befürworter von Kilicdaroglu verbreiten Desinformation, um die Wahl zu gewinnen. Wir haben drei aktuelle Behauptungen kurz vor der Stichwahl überprüft. 

Müssen Wähler, die im ersten Wahlgang für Erdogan gestimmt haben, nicht mehr wählen gehen? 

Behauptung: "Wenn du im ersten Wahlgang für Erdogan gestimmt hast, ist deine Stimme immer noch gültig. Du musst nicht nochmal zu den Wahlen gehen", behauptet ein türkischer Social-Media-Influencer in einem Video auf Twitter und TikTok

DW-Faktencheck: Falsch. 
 Über vier Millionen Klicks hat das Video allein auf Twitter, auf TikTok sind es über 35.000. Der Influencer mit dem Nicknamen "VartoLu" behauptet darin, dass die Stimmen für Erdogan aus dem ersten Wahlgang auch bei der Stichwahl zählen würden. Es sei also für Erdogan-Wähler nicht mehr notwendig, zur Stichwahl zu gehen. Bürger, die für Kilicdaroglu stimmen würden, müssten nochmal wählen gehen. Diese Behauptung ist falsch. 

FaktenCheck Türkische Wähler in Deutschland DE
Dieser Comedian behauptet in seinem Video, dass Erdogan-Wähler aus der ersten Wahlrunde bei der Stichwahl nicht mehr abstimmen müssten

Bei der Stichwahl am 28. Mai entscheidet sich, ob Erdogan Präsident der Türkei bleibt oder Kilicdaroglu ihn ablöst. Dabei müssen alle Bürger, die sich an der Wahl beteiligen möchten, neu wählen gehen.Im Gesetz zur Präsidentschaftswahl in der Türkeisteht deutlich, dass der Kandidat mit der Mehrheit der Stimmen bei der Stichwahl gewinnt.   Auch auf einer offiziellen Webseite der Regierung zur Wahl werden einige Vorgänge zur Wahl geschildert. Und auch dort ist nicht die Rede davon, dass Stimmen aus der ersten Wahlrunde bei der Stichwahl zählen würden.  Stimmen aus der ersten Wahlrunde zählen bei einer Stichwahl also definitiv nicht.  

"VartoLu", der das Video mit der Falschbehauptung verbreitet hat, bezeichnet sich auf seiner Facebookseite selbst als Comedian, der in Paris lebt. Das Video könnte also als Satire gemeint gewesen sein, wurde allerdings nicht als solche markiert. Die Viralität des Videos auf Twitter wie auf TikTok zeigt , dass viele Nutzer dem Inhalt Glauben schenken könnten. 

Sind diese angeblichen Wahlplakate Kilicdaroglus echt?  

Behauptung: Der aktuell inhaftierte und ehemalige Präsidentschaftswahl-Konkurrent Erdogans, Selahattin Demirtas, werde freigelassen, heißt es auf einem angeblichen Wahlplakat von Kilicdaroglu, das der AKP-Politiker Erdem Kertisci auf Twitter verbreitet. Auf einem Weiteren steht, dass die YPG keine Terrororganisation sei. 

DW-Faktencheck: Fake. 
 Die angeblichen Wahlplakate sehen täuschend echt aus: Der blaue Farbton ist dem der echten Wahlplakate ähnlich, auch das Foto darauf zeigt Kilicdaroglu und der Stempel mit der Aufschrift "Entscheide dich" stimmt auch mit dem auf den echten Wahlplakaten überein. Doch schon eine einfache Bilderrückwärtssuche über TinEye zeigt: Die Wahlplakate sind eine Fälschung und wurden mit einem Bildbearbeitungsprogramm auf ein Stockfoto gesetzt. 

FacktenCheck Wahlplakat Kilicdaroglu DE/EN
Diese angeblichen Wahlplakate von Kilicdaroglu sind manipuliert

Auch die angeblichen Wahlsprüche sind falsch, wie ein Blick auf die Webseite des Präsidentschaftskandidaten zeigt, auf denen seine echten Plakate zu sehen sind. Darauf sind die tatsächlichen Wahlsprüche, wie beispielweise "Unsere Grenzen werden geschützt", "Syrer werden unser Land verlassen" oder "Der Terror wird ein Ende haben" zu sehen. Zudem ist die Farbe von Kilicdaroglus Sakko eine andere als auf den manipulierten Wahlplakaten, auf denen das Foto des Kandidaten gespiegelt wurde. Die geposteten angeblichen Wahlplakate sind also eine klare Fälschung. 

Fake-Plakate verbreiten brisante politische Statements  

Inhaltlich sind sie deswegen brisant, da einerseits behauptet wird, Kilicdaroglu wolle Selahattin Demirtas aus dem Gefängnis entlassen. Demirtas sitzt seit 2016 in einem Hochsicherheitsgefängnis und gilt als eine der wichtigsten oppositionellen Figuren in der Türkei. Er ist Teil der Demokratischen Partei der Völker (HDP), die als "Terror-Partei" stigmatisiert wird. Es laufen zahlreiche Prozesse gegen HDP-Abgeordnete wegen angeblicher Unterstützung der PKK.  

Andererseits wird in den Fake-Wahlplakaten behauptet, Kilicdaroglu sei der Meinung, die YPG sei keine Terrororganisation. Bei der YPG handelt es sich um eine syrische Kurdenmiliz. Von der türkischen Regierung wird die Partei als Parallelstruktur der PKK angesehen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit und Einheit der Türkei darstelle.  

Verbreitet der türkische Fernsehsender A Haber irreführende Bilder von Wahlzetteln? 

Behauptung: Der türkische Sender A Haber soll in seiner Sendung die kommende Stichwahl in der Türkei mit folgendem Bild von einem Wahlzettel erläutert haben: Auf der einen Seite gebe es die Option, Erdogan zu wählen, der auch auf einem Foto gezeigt wird, auf der anderen einen "anderen Kandidaten" ohne Bild, schreiben Nutzer auf Twitter

DW-Faktencheck: Richtig. 

FacktenCheck Wahlkampf Türkei Erklärung Stichwahl DE
Der türkische Sender A Haber nutzte diesen falschen Wahlzettel in einer Fernsehsendung

Wie eine Recherche auf dem YouTube-Kanal des Senders zeigt, wurden diese irreführenden Wahlzettel tatsächlich in einer Fernsehsendung von A Haber am 20. Mai gezeigt. Zunächst wurde ein Beispiel-Wahlzettel mit den beiden Namen der Kandidaten der Stichwahl Erdogan und Kilicdaroglu nur am Anfang der Sendung (hier archiviert) für einige Sekunden gezeigt und dann Kilicdaroglus Name sowie sein Foto mit "ein anderer Kandidat" und lediglich einer Silhouette für den Rest der Sendung ausgetauscht.

In der Sendung wird erklärt, wie die Stichwahl funktionieren wird - aber eben nur mit Erdogans Foto und Namen. Dabei sieht der echte Stichwahlzettel wie folgt aus: Auf der linken Seite ist ein Foto Erdogans sowie sein vollständiger Name zu sehen, auf der rechten Seite ein Foto Kilicdaroglus sowie sein vollständiger Name. Darunter gibt es zwei Kreise, in denen jeweils abgestimmt werden kann. 
Auch die türkische Presseagentur Bianet berichtete über den Vorfall. Auf eine Anfrage der DW, warum der Name und das Foto des Präsidentschaftskandidaten nicht weiter gezeigt wurde, reagierte der Sender A Haber nicht. Der Fernsehsender gilt als Erdogan-nah.  

Stichwahl in der Türkei - Wahllokal Messe Hannover
So sieht der Stichwahlzettel tatsächlich ausBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Mitarbeit: Elmas Topcu, Tetyana Klug

DW Fact Checking-Team | Kathrin Wesolowski
Kathrin Wesolowski Reporterin und Faktencheckerin zu politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Themenwiesokate