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Politik

Schleppende Impfungen im globalen Süden - warum?

11. August 2021

Im DW-Exklusiv-Interview benennt Olaf Scholz mangelnde Organisation seitens internationaler Verantwortlicher und betroffener Staaten selbst als Gründe. Stimmt das? Die Aussage des Kanzlerkandidaten im Faktencheck.

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Senegal Coronavirus l Flughafen von Dakar, Covax, Impfdosen
COVAX-Lieferung mit AstraZeneca-Dosen am Flughafen von Senegals Hauptstadt DakarBild: John Wessels/AFP/Getty Images

Was hat Olaf Scholz konkret gesagt?

In einem der Spitzenkandidaten-Interviews der Deutschen Welle im Vorfeld der Bundestagswahlen fragt DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge den SPD-Kanzlerkandidaten, was er gegen die ungerechte Verteilung von Corona-Impfstoffen tun möchte.

Scholz antwortet: "Wir haben bereits Milliarden bereitgestellt für internationale Institutionen, damit sie die ärmsten Länder bei der Impfstoffbeschaffung unterstützen können." Auf eine mögliche Aufhebung des Patentschutzes angesprochen, sagt Scholz, er halte den Aufbau von Produktionskapazitäten vor Ort, wie etwa nun in Südafrika, für den richtigen Weg.

Jedoch mache er sich Sorgen, dass trotz der Milliarden, die man bereitgestellt habe, "der nächste Schritt, also dass auch die Impfdosen dort ankommen, nicht so gut organisiert ist und nicht gelingt". Es mangelt dem Politiker zufolge nicht an der Bereitschaft Geld zu geben oder Produktionskapazitäten hochzufahren, sodass genügend Impfstoff zur Verfügung stehe. "Es muss jetzt organisiert werden von all denen, die da im internationalen Bereich Verantwortung haben und von den Ländern, um die es geht, dass die Impfstoffe auch zu den Bürgerinnen und Bürger dieser Länder im globalen Süden kommen."

Olaf Scholz: Impfstoffe müssen jetzt zu den Menschen im globalen Süden kommen

Wie hat Deutschland bisher anderen Ländern geholfen?

Wenn Olaf Scholz von Milliarden spricht, die Deutschland gegeben habe, bezieht er sich damit wohl vor allem auf den "Access to Covid-19 Tools Accelerator" kurz ACT-A, der von der Weltgesundheitsorganisation WHO koordiniert wird.

Laut eigenen Angaben stellt die Bundesregierung 2,2 Mrd. Euro für ACT-A zur Verfügung. Während ein Teil auch für Diagnostik und Medikamente verwendet werde, gehe ein Großteil an COVAX, die von der WHO, der globalen Impfallianz GAVI und der "Coalition for Epidemic Preparedness", kurz CEPI, gegründete Initiative zur weltweit gerechten Verteilung von Corona-Impfstoffen.

Ankunft von Corona-Impfstoff in Äthiopien
Die Bundesregierung hat zudem zugesagt, bis Ende des Jahres mindestens 30 Millionen überschüssige Impfdosen zu spenden.Bild: Tiksa Negeri/REUTERS

Laut GAVI beträgt der deutsche COVAX-Beitrag insgesamt über eine Milliarde Euro. Damit ist Deutschland nach den USA eines der wichtigsten Geberländer.

Die Bundesregierung hat zudem zugesagt, bis Ende des Jahres mindestens 30 Millionen überschüssige Impfdosen vornehmlich über COVAX an Entwicklungsländer und andere Staaten zu spenden. Auch andere Staaten tun dies. Weitere Aktivitäten sind der Aufbau von Impfstoff-Produktionen im Senegal und in Südafrika.

Wo liegen die Probleme bei den Corona-Impfungen in ärmeren Ländern?

Dass der globale Süden das Nachsehen bei der Impfstoffbeschaffung haben würde, haben viele bereits zu Beginn der Corona-Krise befürchtet. Die COVAX-Allianz war deshalb ursprünglich als gemeinsamer Fonds für den Kauf von Vakzinen für alle Länder gedacht. Jedoch sicherten sich reichere Länder und die Europäische Union dann doch durch bilaterale Verträge mit den Impfstoffproduzenten ab. Sie haben mittlerweile teils große Reserven für die eigene Bevölkerung angelegt, während Vakzine in armen Ländern meist Mangelware sind.

Auch wenn die COVAX-Lieferungen im Juli laut der WHO deutlich angestiegen sind, haben die Länder des globalen Südens also bislang noch nicht genug COVID-Impfdosen erhalten. Während etwaalleine Deutschland über zwei Milliarden Dosen bekommen hat, gingen über COVAX gerade einmal 47 Millionen nach ganz Afrika. Und dort hängen viele Staaten zum großen Teil eben von der Impfstoff-Initiative ab, da sie keine eigenen Verträge mit BioNTech/Pfizer, Moderna und Co. haben.

Impffortschritt im Tschad

Auf DW-Anfrage antwortet eine GAVI-Sprecherin: "COVAX hat mit einer Reihe schwerwiegender Herausforderungen zu kämpfen, die uns daran hindern, so schnell wie möglich an Impfdosen zu gelangen, darunter Lieferengpässe und anhaltender Impfstoff-Nationalismus." Und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bezeichnete ACT-A, das COVAX beinhaltet, Mitte Juli als "immer noch unterfinanziert". Die Lücke betrage mindestens 16 Milliarden US-Dollar, mahnte er.

Zusätzlich zur Impfstoff-Knappheit kommt laut der WHO in einigen armen Ländern erschwerend hinzu, dass die Infrastruktur für die Corona-Impfkampagnen unzureichend ist, inklusive zu wenig geschultem Personal. Zudem gebe es nicht nur in Europa eine weit verbreite Impfskepsis. Krisen und Konflikte verlangsamen den Impffortschritt mancherorts zusätzlich.

Covid-19 Impfungen mit Impfstoff aus der COVAX Initiative in Haiti
Corona-Impfungen mit Impfstoff aus der COVAX-Initiative in HaitiBild: Joseph Odelyn/AP/picture alliance

Stimmt Olaf Scholz' Aussage?

Dass Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten viel Geld in die Hand genommen hat, um die Impfsituation in ärmeren Teilen der Welt zu verbessern, ist richtig. Aber liegen die Gründe dafür, dass etwa in Afrika nur 2 Prozent und in Asien nur 12 Prozent aller Menschen vollständig gegen das Coronavirus immunisiert sind, nun vor allem darin, dass die internationalen Akteure und betroffenen Länder die Impfdosen nicht gut organisieren und an die Bürgerinnen und Bürger bringen, so wie Scholz es formuliert? Eher nicht: zwar scheint es mancherorts durchaus Probleme bei der Infrastruktur und Umsetzung zu geben, die dazu führen, dass teils nicht einmal die wenigen vorhandenen Impfdosen genutzt werden.

Nach Informationen der Deutschen Welle und Aussagen von GAVI und WHO ist das größere Problem aber, dass COVAX weiterhin nicht ausreichend finanziert ist und nicht an genug Corona-Vakzine gelangt - was wiederum mehrere Gründe hat, unter anderem eben auch, dass reichere Staaten sich den Vorrang gesichert haben.

 

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis