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Fall Böhmermann spaltet die Koalition

16. April 2016

Die Bundesregierung lässt die von der Türkei gewünschten Ermittlungen gegen ZDF-Moderator Böhmermann zu. Doch der Beschluss wird nur von der Union getragen. Der Koalitionspartner SPD ist dagegen, die Opposition sowieso.

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Sitzung im Bundestag (Foto: picture-alliance/dpa/W. Kumm)
Außenminister Steinmeier und Kanzlerin Merkel im BundestagBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Mit der Entscheidung, den Weg für ein von Ankara beantragtes Verfahren nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches frei zu machen, setzten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister von CDU und CSU mal eben über den Willen der SPD-Ressortchefs hinweg.

Merkel begründete die Entscheidung mit den engen und freundschaftlichen Beziehungen zur Türkei. Zudem sei es im Rechtsstaat Sache von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit abzuwägen. Hintergrund ist das Schmähgedicht des Moderators Jan Böhmermann gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigt die Entscheidung der Kanzlerin in der "Bild"-Zeitung" (Samstagsausgabe) noch einmal mit Nachdruck. Es sei wichtig, dass "die Frage der Strafbarkeit dort entschieden wird, wo sie hingehört". Und das bedeute: "nicht durch die Bundesregierung, sondern durch eine unabhängige Justiz".

SPD will Koalition nicht aufs Spiel setzen

Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Justizminister Heiko Maas hatten zuvor in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt, die SPD-geführten Ressorts seien gegen die Erteilung der Ermächtigung gewesen. Im Spannungsfeld zwischen öffentlich in Medien geäußerter Satire und dem Schutz der Ehre einzelner Personen sei in besonderem Maße die Zurückhaltung der Bundesregierung geboten, betonten beide Politiker.

Damit wird in der Sache ein Riss im Bündnis von Union und SPD offenbar. Doch um des lieben Koalitionsfriedens willen scheint man bemüht, den Ball möglichst flach zu halten. So twitterte Parteivize Ralf Stegner, die Angelegenheit sei es nicht wert, die Regierung zu sprengen.

Auch andere Sozialdemokraten wie der Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, oder Hessens SPD-Chef Torsten Schäfer-Gümbel verliehen ihrer Kritik eher dezent Ausdruck.

Mehrfach wurde drauf verwiesen, dass bei Stimmengleichheit in der Regierung das Votum der Bundeskanzlerin den Ausschlag gebe. Die SPD findet sich in der Causa Böhmermann erneut in einer undankbaren Rolle. Einmal mehr entsteht der Eindruck, dass der kleinere Koalitionspartner seine Position innerhalb der Koalition nicht durchsetzen kann.

"Erdogans Arm reicht über Merkel nach Deutschland"

Opposition und Verbände bezogen klarer Stellung gegen die Entscheidung der Bundesregierung. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte den Einfluss Erdogans auf die deutsche Politik.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es fühle sich falsch an, dass es für ein Staatsoberhaupt wie Erdogan eine Sonderbehandlung gebe. Co-Parteichefin Simone Peter twitterte noch deutlicher:

Majestätsbeleidigung streichen

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Erklärung der Kanzlerin das falsche Signal an die Adresse der türkischen Regierung. Das werde auch nicht dadurch wettgemacht, dass die Kanzlerin die massiven Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei angesprochen habe.

Ähnlich äußerte sich der Vorstandssprecher von "Reporter ohne Grenzen", Michael Rediske. Entscheidend werde nun sein, "zügig die Majestätsbeleidigung aus dem deutschen Strafrecht" zu streichen. "Sonst könnten sich Autokraten von China bis Aserbaidschan jetzt eingeladen fühlen, gegen kritische Journalisten und Satiriker vor deutsche Gerichte zu ziehen - und sich im eigenen Land mit Sonderrechten gegen kritische Medien zu immunisieren."

ZDF-Moderator Jan Böhmermann und türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan
Erdogan (l.) will Böhmermann vor Gericht sehen

Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte ebenfalls die Entscheidung Merkels. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Kanzlerin dieses Verfahren nicht zulässt, sondern dass man auf das persönliche Verfahren wartet", so deren Vorsitzender Gökay Sofuoglu in der "Berliner Zeitung". Schließlich habe Erdogan ja auch persönlich Klage eingereicht.

gri/SC (dpa, KNA, rtr, AFP)