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Fall Snowden: Europäer unter Druck

Jennifer Fraczek3. Juli 2013

Whistleblower Edward Snowden hat auch in Europa um Asyl gebeten. Doch die Europäer schrecken davor zurück, ihn aufzunehmen. Ein Konflikt mit den USA wäre viel zu riskant.

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Edward Snowden (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Edward Snowden sucht weiter ein Land, das ihm Unterschlupf gewährt. 21 Asylanträge hat er gestellt. Einige Staaten haben sich noch nicht geäußert, es gibt positive Signale aus Venezuela, ansonsten überwiegend Ablehnungen - meist aus formalen Gründen.

Auch Deutschland hat Snowden, den in den USA eine empfindliche Strafe erwarten würde, abgesagt. Einige Oppositionspolitiker reagierten empört, warfen der Bundesregierung Heuchelei vor. Doch Deutschland ist nicht das einzige Land, das offenbar den Konflikt mit den USA scheut. Frankreich und Portugal erteilten am Mittwoch einem Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales Überflugverbot, weil in der Maschine Snowden vermutet wurde.

Vorauseilender Gehorsam?

Ob die Vereinigten Staaten direkten Druck auf die beteiligten europäischen Staaten ausgeübt haben, lässt sich schwer sagen. Genauso denkbar ist aus Sicht des Politikwissenschaftlers Christian Lammert von der Freien Universität Berlin ein Handeln in vorauseilendem Gehorsam. Einer der möglichen Gründe sei, dass die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten gut funktioniere und durch US-Geheimdienstinformationen offenbar Anschläge verhindert wurden. Die Deutschen und andere europäische Länder profitierten also durchaus von der Überwachung durch NSA und Co.

Christian Lammert, Dozent am John F. Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin (Foto: Christian Lammert)
Lammert: Deutsche profitieren von US-GeheimdienstaktivitätenBild: Christian Lammert

Des Weiteren stehen die Verhandlungen über einen Transatlantischen Freihandelsraum zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA bevor. Durch den Wegfall von Zöllen erwartet sich die EU Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Zudem hoffen beide Partner auf Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätze. "Da versucht man jetzt natürlich, das politische Klima nicht zu stören", so Lammert im DW-Gespräch.

Gemeinsame Sicherheitspolitik, gemeinsame wirtschaftliche Interessen, die gemeinsame Bewältigung der Finanzkrise - das steht auch nach Einschätzung des Historikers Detlef Junker von der Universität Heidelberg bei einem Handeln gegen die USA im Fall Snowden auf dem Spiel. Die Regierungen Europas müssten abwägen, ob sie für ihn einen grundsätzlichen Konflikt mit den USA riskieren.

Im Fall Deutschlands ist außerdem nicht klar, wie überraschend die Enthüllungen über die offenbar sehr großflächig angelegte Überwachung des US-Geheimdienstes NSA für die deutsche Politik wirklich waren. Lammert jedenfalls hält die Plädoyers einiger deutscher Politiker für eine Aufnahme Snowdens für reinen Wahlkampf. In Deutschland wird im September ein neuer Bundestag gewählt.

"Die USA werden mächtig bleiben"

Unabhängig von der Frage, ob europäische Staaten im Fall Snowden direkt unter Druck gesetzt wurden - dass sie Einfluss auf Staaten ausüben können, gehöre nach wie vor zum Selbstbild der USA, sagt Amerikakenner Junker. Grund dafür ist ihre militärische Stärke. Die USA seien nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Militärmacht geworden, "die heute fast die Hälfte der Militärausgaben weltweit verschlingt, über rund 1.000 teils geheime Basen rund um den Globus verfügt, jeden Punkt der Erde in 20 Minuten angreifen kann".

Detlef Junker von der Universität Heidelberg (Foto: HCA)
Detlef Junker lebte mehrere Jahre in WashingtonBild: Uni Heidelberg / Detlef Junker

Eine Militärmacht zudem, die sich nach dem Kalten Krieg die Mission gegeben habe, zu verhindern, dass ein regionaler Hegemon auf einem anderen Kontinent diese globale Führungsrolle gefährden könnte. Die Ausübung militärischer Gewalt sei - wenn auch nicht in Bezug auf Europa - "selbstverständlich nach wie vor ein Mittel der Außenpolitik".

Die Frage sei, ob sich die Vereinigten Staaten angesichts ihrer innenpolitischen Probleme und der wachsenden Konkurrenz in Asien dieses Hegemoniestreben noch weiter werden leisten können. Junker sieht einige Gründe dafür, dass die USA mächtig bleiben: Ihre Führungsposition auf dem Gebiet der IT, ihre Bemühungen, sich durch Erschließung von Öl- und Gasvorkommen im eigenen Land unabhängig von Rohstoffen etwa aus Saudi-Arabien zu machen, und die Stärke des Dollar. "Das sind Indikatoren, dass Amerika seine Stellung aufrecht erhalten wird", sagt Junker.