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Männer sind jetzt auch "Gedöns"

Kay-Alexander Scholz22. Oktober 2012

Familienpolitik in Deutschland hat bisher zu wenig auf die Männer geachtet, findet Ministerin Schröder - und lud zu einer Konferenz in Berlin. Dort wurde deutlich: Andere Länder in Europa sind bei dem Thema schon weiter.

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Andreas Lange mit seinem sohn Janne (4) und seiner drei Monate alten Tocher Fiona beim Vorlesen aus einem Bilderbuch , aufgenommen am 17.07.2008 in Frankfurt (Oder). Der 34-Jährige Vater hat drei Monate Elternzeit genommen. Foto: Patrick Pleul +++(c) dpa - Report+++
Vater liest Kinder aus einem Buch vorBild: picture-alliance/dpa

Deutschland hat beim Thema Männerpolitik einiges nachzuholen. Das machte die internationale Konferenz über "Männerpolitische Beiträge zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft" deutlich. Über den Nachholbedarf konnte auch der große Aufwand nicht hinwegtäuschen, den die zuständige Bundesministerin Kristina Schröder veranstaltete. 300 Experten, unter ihnen Minister und hohe Beamte aus einem halben Dutzend Länder Europas und dem fernen Kenia, folgten ihrer Einladung nach Berlin ins schicke Art-Deco-Hotel Ellington. Sie tauschten zwei Tage lang Erfahrungen in Workshops, Podiumsdiskussionen und beim festlichen Abendempfang aus.

Vom Nachbarn lernen

Genügend Gesprächsstoff boten gleich zu Anfang der Konferenz Schröders Kolleginnen und Kollegen aus Norwegen, der Schweiz, Österreich und Luxemburg. Sie stellten die Männerpolitik ihres jeweiligen Landes vor. Anders als in Deutschland nennen sie sich "Gleichstellungsminister" und nicht "Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend" wie Kristina Schröder, die damit selber auch nicht mehr zufrieden ist. "Laut Titel bin ich für alle zuständig - außer für mittelalte kinderlose Männer", scherzte die Ministerin. Das sei nicht mehr zeitgemäß.

Gleichstellung gehe Männer und Frauen gleichermaßen an, sagte Schröder und forderte, sich vom "Diktat aller einengenden Rollenbilder" zu verabschieden. Schließlich sei die klassische Männerrolle - so werde es von vielen jungen Vätern empfunden - nicht mehr mit Privilegien verbunden. Stattdessen werde sie teuer bezahlt mit einer familienfernen Lebensweise. "Aber junge Männer wollen ihre Kinder nicht mehr nur am Wochenende wach sehen", so Schröder. "Wir erleben einen Wertewandel, der die gesamte Gesellschaft verändert."

Frau am Herd (Foto: Fotolia)
Frau am Herd - ein nicht mehr zeitgemäßes RollenbildBild: Fotolia/drubig-photo

Schuld an den Problemen sei aber auch die "Unkultur der uneingeschränkten Verfügbarkeit in den Unternehmen", die den "familienfernen Arbeitsnomaden" bevorzuge, kritisierte die Ministerin. Deutschland wolle deshalb eine Politik der Vielfalt auch im Arbeitsleben fördern und Männern Alternativen aufzeigen. "Es gibt schließlich unterschiedliche Möglichkeiten des Mann-Seins", so Schröder.

Kampf der Geschlechter?

Die Ministerin lobte die Frauenpolitik der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland, machte aber klar, dass ihr Ansatz ein anderer ist. Schröder zitierte aus einem Artikel aus Deutschlands führender feministischer Zeitschrift Emma. Töchtern könne es nur leichter gemacht werden, indem es die Söhne schwerer hätten, hieß es darin.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (Foto: dapd)
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU)Bild: Timur Emek/dapd

"Von diesem Verteilungskampf zwischen den Geschlechtern halte ich gar nichts", so Schröder. "Und auch nichts vom Denken in Geschlechterkollektiven." Sie lehne darum starre Quoten für Führungspositionen in deutschen Top-Unternehmen ab, obwohl die immer wieder von unterschiedlichen Seiten gefordert werden: "Beim Fixiertsein auf 50:50 werden individuelle Präferenzen zum Störfaktor, doch gerade die Freiheit zur Individualität schafft die Chancengerechtigkeit für beide Geschlechter, die ich anstrebe."

Keine deutschen Erfindungen

Im vergangenen Jahr veranstaltete Schröders Ministerium erstmals einen Boys' Day - hauptsächlich, um Jungs auch für "typisch weibliche" Erziehungs- und Pflegeberufe zu begeistern. Die Österreicher waren schneller. Sie betreiben schon seit der Jahrtausendwende aktive Männerpolitik und konnten inzwischen zum fünften Boys' Day einladen, wie Bundesminister Rudolf Hundstorfer berichtete. Seine luxemburgische Kollegin legte später noch eins drauf und berichtete stolz vom inzwischen achten Boys' Day in ihrem Heimatland.

Seit 2007 können Eltern in Deutschland eine vom Staat bezahlte Familienauszeit nehmen, wobei zwei Monate ausdrücklich für die Väter reserviert sind. In Norwegen gibt es Vergleichbares schon seit 1978. "Wir haben das Gesetz zwar einige Male reformieren müssen", berichtete die Ministerin Arni Hole. Aber der Erfolg sei riesig: Die Geburtenrate betrage für Europa hohe 1,9 und 75 Prozent der Frauen gingen arbeiten. "Die Lebensqualität ist höher, wenn die Eltern gleichgestellt sind." Und das sei auch volkswirtschaftlich wichtig. "Denn alle Erwachsenen sollen arbeiten und Steuern zahlen, nur dann können wir uns einen Wohlfahrtsstaat leisten."

Herausforderung Tradition

Einen Aspekt ließ Kristina Schröder in ihrer Rede ausgeblendet - und zwar die besondere Herausforderung für eine Männerpolitik in sehr traditionellen Migranten-Milieus. Bundesminister Hundstorfer aus Österreich sprach dagegen sehr deutlich davon, "dass hier noch viel Arbeit wartet".

Die nächste Konferenz dieser Art ist schon geplant. Sie soll im Jahr 2014 in Wien stattfinden. Maryse Fisch aus Luxemburg gab den Teilnehmern bis dahin noch eine kluge Beobachtung mit auf den Weg: "Viele sind gegen Männerpolitik, weil sie glauben, Jungs können ihre Interessen selber vertreten."