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Faule Kredite belasten Europas Banken

8. November 2017

Zehn Jahre nach Beginn der Finanzkrise sitzen Europas Geldhäuser auf faulen Krediten in Höhe von einer Billion Euro. Wie die abgebaut werden können, ist umstritten. Sicher ist nur: Sie sind ein Problem.

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Zypern Krise Symbolbild Euro Euromünze
Bild: picture-alliance/dpa

Der schleppende Abbau von Problemkrediten wird für Europas Banken zunehmend zur Bedrohung, sagen Experten. "Es geht für viele Banken um nicht weniger als die eigene Zukunft und das langfristige Überleben", konstatierte Philipp Wackerbeck von PwC Strategy& in Deutschland.

Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der Strategieberatung sitzen Europas Banken auf faulen Krediten in Höhe von einer Billionen Euro, also 1000 Milliarden Euro. Das seien im Schnitt 4,8 Prozent aller Kredite, heißt es in dem Bericht. Diese Quote sei in Europa "wesentlich höher als in anderen Teilen der Welt", so der Bericht.

Nach Daten der Weltbank machten ausfallgefährdete Kredite (Non-Performing Loans - NPL) im Bankensektor der USA nur 1,3 Prozent aus, in Japan seien es 1,5 Prozent, so der Bericht. Innerhalb der europäischen Länder gebe es große Unterschiede: von nahe Null in Schweden und Finnland bis zu fast 50 Prozent in Griechenland und Zypern.

Der NPL-Anteil in Deutschland liegt den Angaben zufolge etwas unterhalb des europäischen Durchschnitts, bei 2,5 Prozent. Allerdings seien 30 Prozent der insgesamt 68 Milliarden Euro an faulen Krediten nicht durch Risikovorsorge gedeckt - das ist der höchste Wert der untersuchten Länder.

Infografik Faule Kredite im europäischen Bankensektor

Das Gesamtvolumen an faulen Krediten in den Bilanzen von Europas Geschäftsbanken belief sich nach Zahlen der Bankenaufsicht EBA und der Europäischen Zentralbank (EZB) Ende 2016 auf 1092 Milliarden Euro. Betrachtet man nur die Banken der Eurozone, waren es 961 Milliarden Euro.

Nord-Süd-Gefälle

Faule Kredite gefährden nicht nur die Stabilität von Banken, sondern bremsen auch ihre Bereitschaft, neue Kredite zu vergeben. Dadurch fehlen der Wirtschaft wichtige Finanzspritzen.

"Nur wenn die erforderlichen Abbaumaßnahmen jetzt eingeleitet werden, können die Banken ihre finanzielle Gesundheit verbessern und sich wieder auf strategisches und nachhaltiges Wachstum konzentrieren", sagte Wackerbeck.

Für ihren Bericht untersuchten die Strategieberater auch verschiedene Formen von Bad Banks, in die faule Kredite ausgelagert wurden. Zu den größten Bad Banks im Besitz der öffentlichen Hand zählen zwei deutsche Einrichtungen.

FMS Wertmanagement, die die Problembestände der 2009 verstaatlichten Hypo Real Estate abwickelt, hatte den Angaben zufolge im vergangenen Jahr noch faule Kredite und andere Vermögenswerte von 177 Milliarden Euro in den Büchern. Bei der Ersten Abwicklungsanstalt, die sich um Reste der aufgespaltenen WestLB kümmert, waren es 61 Milliarden Euro.

Faule Kredite im EZB-Fokus

Diese Summen sind nicht Teil des gesamten Schuldenbergs an faulen Krediten, der Europas Banken belastet, denn sie wurden aus den Bank-Bilanzen ausgelagert in Bad Banks. Sind die so strukturiert wie FMS Wertmanagement und die Erste Abwicklungsanstalt, haftet letztlich der Staat, also der Steuerzahler.

EZB-Präsident Mario Draghi forderte zuletzt gemeinsame Anstrengungen zum Abbau dieser Problemdarlehen. "Gegenwärtig ist das wichtigste Thema hier, die faulen Kredite anzugehen", sagte der Notenbank-Chef am Dienstag auf einer Konferenz der Zentralbank in Frankfurt.

Deutschland Neuer 50-Euro-Schein soll sicherer gegen Fälschungen sein | Mario Draghi
Draghi: Faule Kredite "das wichtigste Thema"Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Obgleich sich die Bestände an notleidenden Darlehen bei großen Geldhäusern verringert hätten, sei das Problem nicht gelöst, so Draghi. Viele Institute seien noch nicht in der Lage, große Verluste zu verkraften. Die EZB ist seit Herbst 2014 zusätzlich für die Aufsicht der größten Banken im Währungsraum zuständig.

Regulatoren, Aufseher, Banken und nationale Behörden müssten gemeinsam das Problem angehen, forderte Draghi. Vor allem müsse ein Umfeld geschaffen werden, in dem Problemkredite wirksam abgebaut werden könnten.

Streit um Richtlinien

Die EZB-Bankenaufsicht hatte kürzlich Richtlinien zum künftigen Umgang mit neuen Problemdarlehen vorgestellt. Insbesondere in Italien - Draghis Heimatland - hatte dies heftige Kritik ausgelöst. Dort wird befürchtet, dass heimische Banken zu stark belastet werden.

Zudem besteht die Sorge, dass ähnliche Vorgaben künftig auch für den Altbestand an faulen Darlehen aufgestellt werden. Denn hier liegt das eigentliche Problem. Auf italienische Banken entfällt immer noch rund ein Viertel aller Problemkredite in der Euro-Zone. Allein Italiens führende Privatkundenbank Intesa Sanpaolo schrieb im dritten Quartal faule Kredite im Umfang von 646 Millionen Euro ab.

Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Pier Carlo Padoan erneuerte unterdessen seine Kritik an der Europäischen Zentralbank. Der EZB-Vorstoß "überschreitet die Grenzen der Aufsicht". Insider sagten der Nachrichtenagentur Reuters zuletzt, wegen der lautstarken Kritik aus Rom könnten die Richtlinien für den Umgang mit dem Altbestand eher milde ausfallen.

"Keine Wunder versprechen"

Am Montag hatten sich die Finanzminister der Euro-Länder allerdings hinter den Vorstoß der EZB gestellt. Es habe hierzu eine generelle Übereinstimmung gegeben, so Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem.

Die oberste EZB-Bankenaufseherin, Daniele Nouy, wies darauf hin, dass die Kontrolleure den jeweiligen Einzelfall beim Thema Altbestand im Blick haben werden. Die Situationen seien hier sehr unterschiedlich.

Bewertungen und Lösungen würden daher nur für den Einzelfall erarbeitet. Banken mit hohen Beständen würden der Aufsicht eigene Abbaupläne vorlegen und die EZB stelle sicher, dass diese glaubwürdig und ambitioniert genug seien.

"Und um glaubwürdig zu sein, müssen sie realistisch sein, sie können uns keine Wunder versprechen," so die Französin Nouy. Ihr EZB-Kollege, Bankenaufseher Ignazio Angeloni, hatte jüngst gesagt, es sei offen, ob die Vorgaben für neue Problemdarlehen künftig auch für den Altbestand gelten sollten. Es sei möglich, dass den Regulierern die Abbaupläne der Institute letztlich ausreichten.

bea/ nm (dpa, reuters, Strategy&, EZB)