FDP gegen Kooperation mit Konfuzius-Instituten
21. September 2020Die 19 Konfuzius-Institute in Deutschland, die Kurse und Veranstaltungen zur Sprache und Kultur Chinas anbieten, stehen immer wieder einmal unter dem Verdacht allzu großer Nähe zur Kommunistischen Partei Chinas. Jetzt fährt die FDP-Fraktion im Bundestag schweres Geschütz auf: Auf Initiative ihres Abgeordneten Jens Brandenburg will sie im Herbst einen Antrag im Bundestag einbringen. Titel: "Freiheit von Forschung und Lehre schützen - Kooperationen mit Chinas Konfuzius-Instituten an deutschen Hochschulen beenden".
Mit einem aktuellen "Positionspapier" wollen die Konfuzius-Institute in Deutschland solchen Angriffen den Wind aus den Segeln nehmen. Unter anderem heißt es dort: "Das Informationsangebot der Institute richtet sich sowohl an die universitätsinterne als auch an die interessierte Öffentlichkeit. Dabei gibt es keine Themenvorgaben. Ziel ist vielmehr, eine breite Palette von Themen (...) anzubieten und gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Entwicklungen des Landes kritisch zu begleiten und zu diskutieren."
"Angriff auf Freiheit von Forschung und Lehre"
Eben letzteres wird vom FDP-Politiker Jens Brandenburg bezweifelt. Die Bundesregierung habe auf eine Anfrage seiner Fraktion "sehr klar geantwortet, dass sie Kenntnisse hat bezüglich einer politischen Einflussnahme des chinesischen Regimes auf Lehrveranstaltungen, Lehrmaterialien und auch das Personal an den Konfuzius-Instituten in Deutschland." Dies stelle nicht weniger als einen "klaren Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre an unseren Hochschulen" dar, so Brandenburg im Interview mit der DW. Konkrete Bespiele für Einflussnahmen enthält die Antwort allerdings nicht.
Die meisten Institute sind an deutschen Hochschulen angesiedelt. Diese bzw. die zuständigen Ministerien der Bundesländer entscheiden im föderalen System selber, ob sie die Kooperationen beenden wollen. Bis jetzt haben die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und die Universität Hamburg diesen Schritt getan.
Auch bei beendeter Kooperation mit den Unis wäre aber die Nachfrage nach den Angeboten der Konfuzius-Institute weiter vorhanden. So will die Stadt Düsseldorf als Partner des dortigen Instituts einspringen, nachdem die Uni den Vertrag nicht verlängert und die Kooperation im April 2020 geendet hat. Zuletzt hatte das Institut rund 700 Schüler pro Jahr. "Wo sollen die sonst hin?", fragt Cord Eberspächer, der von 2010 bis 2020 Leiter des Düsseldorfer Instituts war.
Wer soll Bedarf decken?
Auch in Trier scheint es an Alternativen zu mangeln. Jessica, eine Maschinenbau-Studentin, die vor allem aus Interesse an Kalligraphie an mehreren Veranstaltungen des Konfuzius-Instituts teilgenommen hat und dort demnächst Sprachkurse belegen wird, erzählte der DW, dass sie von keiner Alternative weiß. "Ich fände es sehr schade, wenn man das Institut zumachte. Und ich wüsste auch nicht, warum man das tun sollte", sagt die 25-Jährige.
Jens Brandenburg weiß es umso genauer: "Wir dürfen nicht länger akzeptieren, dass bei uns in Deutschland eine solche starke finanzielle Abhängigkeit von der Kommunistischen Partei Chinas besteht. Der Ausbau von China-Kompetenzen muss wirklich unabhängig finanziert sein", sagt der Bundestagsabgeordnete im DW-Gespräch.
In der Tat werden die Institute bilateral finanziert, wobei es auf deutscher Seite vor allem personelle und räumliche Ressourcen sind. "Viele Veranstaltungen und Projekte finden in Kooperation mit anderen lokalen Bildungs- und Kultureinrichtungen statt, die dafür ebenfalls Mittel bereitstellen", heißt es im Positionspapier der Konfuzius-Institute in Deutschland.
Die FDP-Fraktion drängt auf Beendigung solcher Zusammenarbeit: "Als unabhängige Alternative zu Konfuzius-Instituten sollten Lehrstühle und Institute zur chinesischen Kultur geschaffen werden, die unabhängig von politischer Einflussnahme agieren und verstärkt in China verfolgte Wissenschaftler, Künstler und Menschenrechtsaktivisten einbinden können."
Kritische Fragen an Kritiker
Cord Eberspächer findet zwar den unabhängigen Aufbau von China-Kompetenz prinzipiell sehr gut, hat aber einige kritische Anmerkungen zum FDP-Vorstoß: "Ich fände es problematisch, China auf das 'China von Dissidenten' zu reduzieren, da nimmt man den Großteil der Chinesen gar nicht mit." Ein weiterer Punkt: "Der Fokus von Konfuzius-Instituten ist größtenteils gar nicht auf die Unis gerichtet. Was ist zum Beispiel mit China-Training für Firmen? Konfuzius-Institute bedienen im Moment einen Bedarf an Sprachunterricht oder Kulturvermittlung, der anderweitig in Deutschland nicht abgedeckt wird."
Ähnlich sieht es der Sinologe Andreas Guder von der Freien Universität Berlin. Die Konfuzius-Institute in Deutschland sind nach seiner Kenntnis "jenseits von Elementar-Sprachkursen für Hörer aller Fakultäten nirgendwo an chinawissenschaftlicher Ausbildung beteiligt."
Guder wurde 2019 auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für die Didaktik des Chinesischen an der FU Berlin berufen. Dafür wurde von chinesischer Seite als Anschubfinanzierung eine halbe Million Euro verteilt auf fünf Jahre zugesagt. Das rief Kritiker auf den Plan, die Selbstzensur aufgrund finanzieller Abhängigkeit von Peking befürchteten. Die FU teilte jetzt der DW mit, dass der geplante Studiengang Chinesische Sprache und Gesellschaft nicht wie geplant im Wintersemester 20/21 beginnen kann, da die Bestätigung durch die zuständige Berliner Senatskanzlei Wissenschaft und Forschung noch ausstehe. Dort fordert man eine Nachverhandlung des Kooperationsvertrags.
"Höchst unerfreulich" nennt Guder es gegenüber der DW, "dass einerseits eine (vollkommen berechtigte) Debatte über finanzielle Unterstützung durch die Volksrepublik China an unseren Universitäten stattfindet, andererseits die sich dahinter abzeichnende Debatte über alternative nationale oder regionale Finanzierungsmöglichkeiten der vielfach geforderten umfassenderen China- und Chinesischkompetenz in unserer Gesellschaft jedoch nicht stattfindet."
"Positives Bild" nicht notwendig Propaganda
Bei dem umstrittenen Lehrstuhl an der FU Berlin geht es um Chinesisch als Fremdsprache. Dem FDP-Politiker Brandenburg geht es um anderes. Er fordert, dass "Themen wie die Uiguren, Menschenrechte in Hongkong, Taiwan und Tibet und vieles mehr vorbehaltlos an deutschen Universitäten diskutiert werden können." Cord Eberspächer räumt ein, dass der Diskurs über China an Konfuzius-Instituten eingeschränkt ist. Die sogenannten "3 T", also Tibet, Taiwan und Tiananmen-Massaker von 1989, würden "als direkte Diskussion" an den Instituten "ausgeklammert". In seinen Vorlesungen habe er diese Themen aber durchaus angeschnitten.
Im Übrigen habe man als Institutsleiter die Möglichkeiten, allzu offensichtliche Propagandaversuche abzuwehren. "Es gab mal vor Jahren an einem anderen Konfuzius-Institut einen Tibet-Vortrag vom Leiter des Tibet-Forschungsinstituts in Peking. Auch wenn ich das Thema Tibet als Eigenveranstaltung vermieden habe, hätte ich mir so eine Veranstaltung nicht ins Haus geholt", sagt Eberspächer. Und wenn er einen Gastdozenten nicht ausladen konnte, der auf klar erkennbarer politischer Mission unterwegs sei, so habe er die Werbung für den Vortrag so gering wie möglich gehalten: "Wenn dann fünf Leute kamen, ist es quasi gut gelaufen."
Andreas Guder von der FU Berlin ergänzt: "Dass jedes Kulturinstitut versucht, mit seinen Veranstaltungen ein primär positives Bild des eigenen Landes zu zeichnen, ist selbstverständlich. Ob sie dabei an den Hochschulen durch den deutschen Steuerzahler indirekt subventioniert werden sollten, ist der Punkt, worüber die jeweiligen politisch Verantwortlichen debattieren und entscheiden sollten."
"Chinesischer Schachzug"
Seit Anfang dieses Jahres ist für die Konfuzius-Institute nicht mehr die außenpolitischen Kulturbehörde Hanban, die dem chinesischen Bildungsministerium untersteht, zuständig. Statt dessen wurde eine von chinesischen Universitäten gegründete Stiftung mit Sitz an der Pekinger Fremdsprachen-Universität ins Leben gerufen. Partner der deutschen Universitäten, an denen Kooperationen mit Konfuzius-Instituten bestehen, sind künftig einzelne chinesische Universitäten.
Cord Eberspächer hält von der Änderung wenig. "Das ist von chinesischer Seite ein Schachzug, mit dem man hofft, ein bisschen aus der Kritik herauszukommen. Wenn man aber beobachtet, wie die chinesischen Universitäten in den letzten Jahren ideologisiert worden sind, so erwarte ich im Zweifelsfall Schlimmeres als von Hanban."
Mitarbeit: Cui Mu