Kharlan: "Medaille für Sportler, die Russland getötet hat"
30. Juli 2024Olga Kharlan sank auf die Knie und küsste den Boden. Gerade hatte die ukrainische Säbelfechterin bei den Olympischen Spielen in Paris Bronze gewonnen. "Es ist meine fünfte olympische Medaille, und ich bin der Planche [der Fechtbahn - Anm. d. Red.] einfach nur dankbar, dass ich es geschafft habe", antwortete Kharlan lachend auf die Frage der DW, was ihr in diesem Moment durch den Kopf gehe. Bei den Spielen 2008 in Peking war sie Olympiasiegerin mit der ukrainischen Mannschaft geworden. Bei den Spielen 2012 in London und 2016 in Rio hatte sie im Einzel jeweils Bronze gewonnen, zudem 2016 Silber im Teamwettbewerb.
Doch angesichts des weiter andauerndenrussischen Angriffskriegs in ihrer Heimat Ukraine hat die Medaille von Paris für Kharlan einen Sonderstatus. "Sie ist für mich besonders, weil sie für mein Land ist, für die Menschen in der Ukraine, für die Soldaten, die sie verteidigen", sagte die Fechterin. "Es ist auch für die Sportler, die nicht hierher kommen konnten, weil sie von Russland getötet wurden."
Sie widme die Bronzemedaille auch allen Athletinnen und Athleten, die in Paris die Ukraine verträten, so Kharlan zur DW. "Sie können sich nicht vorstellen, wie schwierig es ist, sich auf die Wettkämpfe vorzubereiten und selbstbewusst aufzutreten, wenn die eigene Heimat Tag für Tag angegriffen wird. Das ist wirklich hart."
Vom französischen Publikum angefeuert
Eine Zeit lang sah es aus, als wäre die Medaille für Kharlan außer Reichweite. Im Gefecht um Bronze gegen die Südkoreanerin Choi Sebin lag sie schon mit sechs Punkten zurück. Doch Kharlan ließ nicht locker und gewann am Ende mit 15:14. "Wir zeigen der ganzen Welt, dass wir kämpfen können", sagte die Ukrainerin. "Wir geben nicht auf, und das habe ich auf meine Weise gezeigt."
Anders als in ihrem verlorenen Halbfinale gegen die späteren Silbermedaillengewinnerin Sara Balzer aus Frankreich hatten die überwiegend einheimischen Zuschauerinnen und Zuschauer Kharlan im "kleinen Finale" mit "Olga! Olga!"-Sprechchören angefeuert. "Das hat mir irgendwie geholfen", sagte Kharlan. Die 33-Jährige räumte ein, dass sie sich unter großem Druck gefühlt habe, da die Hoffnungen so vieler Ukrainer auf ihrem Abschneiden bei den Olympischen Spielen geruht hätten.
"Du willst es für deine Familie tun und für dich selbst", so Kharlan. "Es sind all die Opfer, die wir bringen. All die tragischen Momente, die wir erleben, zum Beispiel, wenn Russland Bomben abwirft und Menschen tötet. Wir alle sind betroffen. Das macht es so schwer."
Handschlag für russische Gegnerin verweigert
Kharlan ist zu einer Symbolfigur ukrainischer Sportlerinnen und Sportler geworden, die sich gegen die russische Aggression zur Wehr setzen. Im Juli 2023 hatte die Säbelfechterin bei den Weltmeisterschaften in Mailand für einen Eklat gesorgt: Sie hatte sich geweigert, ihrer russischen Gegnerin Anna Smirnowa die Hand zu schütteln. Kharlan wurde disqualifiziert, wertvolle Qualifikationspunkte für die Olympischen Spiele gingen ihr verloren. Sie sah nur noch geringe Chancen auf ihre fünfte Olympia-Teilnahme.
Doch Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und selbst ein ehemaliger Fecht-Olympiasieger, garantierte Kharlan ein Olympia-Ticket - trotz des Zwischenfalls bei der WM. Kharlan und ihre Teamkolleginnen qualifizierten sich jedoch aus eigener Kraft für das olympische Turnier.
"Es ist unglaublich", sagte die Ukrainerin. "Zunächst einmal habe ich es allein geschafft, mit der Mannschaft. Nicht mit einer Wildcard. Ich bin hier mit einem Team, das auf dem dritten Platz der Weltrangliste steht. Vor der Saison lagen wir auf Platz 19. Das macht uns so unglaublich."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.