Femen Berlin
26. Februar 2013Auf Fotos, die in deutschen Internetforen zirkulieren, ballen halbnackte, schreiende Frauen kämpferisch ihre Fäuste. "Gegen Rassismus!" steht auf der nackten Brust einer der Frauen, auf der einer anderen "Gegen Hass!". Bei ihrer jüngsten Protestaktion Mitte Februar demonstrierten die Femen-Aktivistinnen gegen Rassismus vor einem Berliner Gebäude, in dem gerade eine NPD-Versammlung stattfand.
Die im Jahr 2008 in der Ukraine gegründete Frauenbewegung hat bereits in Brasilien und Frankreich Fuß gefasst. In Paris eröffnete Femen im Herbst vergangenen Jahres sein erstes internationales Hauptquartier. Anfang dieses Jahres wurde nun auch in Deutschland ein Ableger der Bewegung gegründet. Die Gruppe zählt 20 Mitglieder. Die meisten kommen aus Berlin und Hamburg.
Abendliche Besprechungen
Die deutschen Aktivistinnen treffen sich abends in einem Cafe in Berlins Mitte. Dort besprechen sie Details einer anstehenden Protestaktion. Einen eigenen Versammlungsraum haben sie noch nicht. Würden sie keine Kränze aus Plastikblumen auf dem Kopf tragen, könnte man sie von den anderen Cafebesuchern kaum unterscheiden.
Mit dabei ist Aleksandra Schewtschenko, eine der Gründerinnen der ukrainischen Frauenbewegung. Die 24-Jährige kam nach Berlin, um die Gründung eines unabhängigen Femen-Ablegers in Deutschland zu betreuen. Mit den versammelten deutschen Frauen spricht sie Englisch. Auf Femen aufmerksam wurden die Mitglieder der deutschen Gruppe erstmals durch den Protest der ukrainischen Aktivistinnen gegen Sextourismus während der Fußball-Europameisterschaft, die im vergangenen Sommer in der Ukraine und in Polen stattfand.
Erster Protest in Deutschland
Auch die 22-jährige Berliner TU-Studentin Klara war vom Wagemut der Ukrainerinnen während der EM begeistert. Einige Monate später fand sie auf Facebook die Gruppe Femen Germany und trat ihr bei. Klaras erster Oben-ohne-Protest fand im November 2012 vor dem Kölner Bordell Pascha statt. "Wir haben uns gleichzeitig ausgezogen. Angst hatten wir nicht", berichtete sie. Die Mühe sei nicht vergeblich gewesen. Der Protest habe die Aufmerksamkeit der Medien und der Gesellschaft auf das Problem der Prostitution gelenkt. "Wir protestieren nicht gegen die Prostituierten. Wir sind für eine Kriminalisierung ihrer Kunden, wie sie in Schweden existiert", sagte Klara.
Dass ihre Aktionen für sie persönlich nicht folgenlos bleiben könnten, das ist der Studentin klar: "Ich bin mir dessen bewusst, dass Oben-ohne-Fotos von mir in den Medien möglicherweise zukünftigen Arbeitgebern nicht gefallen könnten", sagte sie. Aber für eine Firma, die den Kampf für Menschenrechte nicht unterstütze, wolle sie sowieso nicht arbeiten. Ihr persönliches Umfeld reagiere unterschiedlich auf ihr Engagement. Während sich ihr Freund in die Angelegenheiten der Feministinnen nicht einmische, befürchteten ihre Eltern, die Frauen könnten bei einer ihrer Aktionen zusammengeschlagen werden.
Eine neue Generation von Feministinnen
Von ihren Eltern unterstützt wird hingegen die 21-jährige Debby, die eine Ausbildung in der Hotellerie macht. Ihr Vater sei Journalist und ein großer Fan der Femen-Bewegung. Sie selbst findet es "genial, dass man so einfach so viel Aufmerksamkeit für ein Problem erregen kann". Deswegen sei sie der Gruppe beigetreten. Ihre Mitstreiterin Pippa hat sich Femen angeschlossen, weil sie von den Feministen der älteren Generation enttäuscht ist. Die 25-Jährige stammt aus Großbritannien und lebt seit zwei Jahren in Berlin. Wie die anderen Frauen der Gruppe hat Pippa schon für Frauenrechte gekämpft, bevor sie Femen-Mitglied wurde.
Täglich bekommen die Berliner Femen-Aktivistinnen Anfragen von Journalisten. Momentan beantwortet sie noch alle Aleksandra Schewtschenko. Sie koordiniert die Verbindungen zwischen den Femen-Vertretungen in Frankreich, Brasilien und der Ukraine. Noch mindestens ein halbes Jahr will Schewtschenko in Berlin bleiben. "Bis es hier ein eingespieltes Team und starke Anführerinnen gibt, die nicht nur Femen nacheifern, sondern eigenständig handeln", so die Ukrainerin.