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FilmAfrika

FESPACO: Afrikas Kinohauptstadt lädt ein

Katrin Gänsler
20. Oktober 2021

Trotz Corona lädt das Filmfestival FESPACO auch 2021 nach Burkina Faso ein. Auf dem Programm: Filme, die die aktuellen Krisen des Kontinents widerspiegeln.

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Eröffnungsveranstaltung des Filmfestivals FESPACO. Eine riesige Filmklappe ziert des Logo des Festivals. Daneben stehen der Leiter des Festivals sowie weitere Organisatoren.
"Und Klappe" für die 27. Ausgabe des FESPACOBild: ISSOUF SANOGO/AFP

Im kleinen Saal des Institut Français in Ouagadougou finden längst nicht alle Zuschauerinnen und Zuschauer Platz, die Emmanuel Rotoubam Mbaïdés neuen Film "Massoud" sehen wollen. Es ist die erste Vorführung des diesjährigen Panafrikanischen Film- und Fernsehfestivals von Ouagadougou, kurz FESPACO. Zum 27. Mal findet Afrikas größtes Filmfestival in diesem Jahr in Burkina Fasos Hauptstadt statt. Eigentlich sollte es wie gewohnt im Frühjahr starten, Corona-bedingt ist man auf den Herbst ausgewichen. 

Der Regisseur des Eröffnungsfilms, der tschadisch-burkinische Filmemacher Mbaïdé, ist in Ouagadougou sehr bekannt. Doch nicht nur seine Bekanntheit hat die Zuschauer ins Kino gelockt: Sie interessiert vor allem das Thema seines Spielfilms. Darin schließt sich Massoud, der Sohn eines Imams im Sahel, einer Terrorgruppe an, die in den Drogenhandel verstrickt ist. Zudem zeigt der Film, wie Polizisten einen Unschuldigen erschießen und sich anschließend entschuldigen und ungeschoren davonkommen. 

Jeder Platz im Kinosaal des Institut Français in Ouagadougou ist belegt.
Das Publikum wartet gespannt auf den Beginn von "Massoud", dem Eröffnungsfilm des FESPACOBild: Katrin Gänsler/DW

"Mit diesem Film will ich nicht das Fehlverhalten der Polizei denunzieren. Ich möchte ein Bild dieser Kriegswelt zeichnen, in der man nicht weiß, wer der Feind ist", sagt Mbaïdé im Interview mit der DW und betont, es sei nicht die Zeit, "bloß schöne Filme" zu machen. Vielmehr müssten die Filme einen Blick auf die Gesellschaft werfen. Seine Einschätzung stößt auf Zuspruch seitens des Publikums: Im Saal sitzt unter anderem Achta Djibrine Sy, die tschadische Kulturministerin, die den Film "eine Botschaft an die Jugend, an die Eltern, aber auch an die ganze Gesellschaft" nennt.

Kinobegeisterung und Terrorismus

"Massoud" ist nicht der einzige Film des Festivals, der sich mit Terrorismus befasst. Die marokkanische Produktion "Oliver Black" handelt ebenso davon wie die burkinische Dokumentation "Massiba, le mal d'un peuple" ("Massiba, das Elend eines Volkes"). Das Thema Terrorismus ist nicht nur in den FESPACO-Filmen allgegenwärtig, sondern auch in der realen Welt: In Burkina Faso ist es seit Januar 2016 zu zahlreichen Angriffen von Terrorgruppen und Banditen gekommen. Mehr als 1,4 Millionen Menschen sind aus Angst vor Übergriffen auf der Flucht. Um Vorfälle in Ouagadougou zu vermeiden, hatte es vor der Eröffnung Kontrollen rund um die Hauptstadt gegeben. Nun ist die Polizeipräsenz enorm. Veranstaltungsorte sind abgesperrt und Taschenkontrollen obligatorisch.

Ein Sicherheitsbeamter kontrolliert die Tasche eines Festivalbesuchers. Weitere Besucher stehen Schlange, um ebenfalls durchsucht zu werden.
Die Angst vor Terroranschlägen überschattet das Festival - Taschen werden vor jedem Einlass kontrolliertBild: Katrin Gänsler/DW

Einige der geladenen Gäste seien wegen der Sicherheitslage und natürlich auch wegen der Corona-Pandemie nicht zum Festival gekommen, so Alex Moussa Sawadogo, Direktor des FESPACO. "Gleichzeitig sind wir zufrieden, dass dennoch große Delegationen ihre Teilnahme bestätigt haben. Rund 500 Gäste kommen allein aus dem Ausland", so Sawadogo, der zum Teil in Berlin lebt und dort unter anderem das Berliner Festival"Afrikamera" 2007 ins Leben gerufen hat.

Viel Potenzial, aber keine Finanzierung

Die Bedeutung des FESPACO ist für Burkina Faso immens. 1969 fand es erstmals statt und gilt als Aushängeschild des afrikanischen Kinos. Die 27. Ausgabe mit 239 Filmen wurde in diesem Jahr wegen COVID-19 von Februar auf Oktober verschoben. Nach Einschätzung des Botschafters der Delegation der Europäischen Union, Wolfram Vetter, spielt der ganze Kultursektor eine "enorme Rolle" für das Land. "Immerhin zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat mit Filmindustrie zu tun, schafft Arbeitsplätze und ist ein ganz wichtiger ökonomischer Faktor", sagt er. 

Dieses Potenzial hat auch die UNESCO in einem aktuellen Bericht betont. Demzufolge arbeiteten etwa fünf Millionen Menschen auf dem ganzen Kontinent in der Filmbranche und erwirtschafteten fünf Milliarden US-Dollar jährlich. Bei entsprechender Förderung könne sich die Zahl vervierfachen.

Doch die Strukturen fehlen. In manchen Ländern gibt es nur noch ein festes Kino, wenn überhaupt. "Das afrikanische Kino leidet an der mangelnden Finanzierung", kritisiert auch Festivaldirektor Sawadogo, "in vielen Ländern fehlt der politische Wille für das Kino".

Emmanuel Rotoubam Mbaïdé mit dem Team des Films Massoud.
Emmanuel Rotoubam Mbaïdé und sein Team während des Drehs zu "Massoud"Bild: Katrin Gänsler/DW

Senegals Kino im Aufwind

Neue Ansätze gibt es indes etwa im Senegal, wo der Fonds zur Förderung der Filmindustrie (Focipa) entstanden ist, der mit einem jährlichen Volumen von umgerechnet gut 1,5 Millionen Euro lokale Produktionen unterstützt. Mit Erfolg: Mit "Baamum Nafi" geht ein senegalesischer Film ins Rennen um den begehrten Filmpreis des FESPACO, den "Étalon de Yennenga" (Yennenga-Hengst).

Größtes Aushängeschild des afrikanischen Kinos ist derzeit allerdings "Atlantique" von Mati Diop, der 2019 in Cannes den Großen Preis der Jury erhielt. In Burkina Faso war die Liebesgeschichte inmitten von Migration, arrangierter Ehe und Magie zum Festivalauftakt erstmals zu sehen. Das Publikum war begeistert.

Der Film ist eine internationale Co-Produktion und wurde unter anderem mit Geldern von der Europäischen Union gefördert. Dass das die Filmschaffenden abhängig mache, davon geht Alex Moussa Sawadogo nicht aus: "Nein, auf keinen Fall. Ich denke, dass sie unabhängig in diesen Co-Produktionen arbeiten können." Nach wie vor gebe es allerdings mehr Förderungsmöglichkeiten in Europa als in Afrika. 

Die Macht der Dokumentation

Nach Einschätzung des kenianischen Filmemachers Sam Soko haben es alle Genres gleichermaßen schwer, auf dem afrikanischen Kontinent Finanzierungsmöglichkeiten zu finden. Er hat mit "Softie" einen besonders aufwändigen Dokumentarfilm gedreht. Über Jahre verfolgte er, wie aus dem kenianischen Fotografen Boniface Mwangi, der den diesjährigen Friedenspreis Luxemburgs in der Kategorie "Junger Friedensstifter" erhält, zunächst ein Aktivist und 2017 ein Kandidat der Parlamentswahlen wurde.

Porträtbild von Sam Soko.
Sam Soko: Ein engagierter FilmemacherBild: Katrin Gänsler/DW

"Es ist wichtig, zu unserer Geschichte zu stehen und zu sehen, wo wir gerade sind, politisch und im Umgang miteinander", beschreibt Soko die Motivation für seine Arbeit. Er dokumentierte Einschüchterungsversuche und was politischer Aktivismus für das Familienleben bedeutet. "Sein Land kommt vor seiner Familie", sagt etwa Mwangis Frau Hellen Njeri in der Dokumentation.

Als einziger burkinischer Film läuft "Les trois Lascars" ("Die drei Strolche") von Boubakar Diallo im Hauptwettbewerb. Zwischen Dramen und Dokumentationen ist es eine der wenigen Komödien des Festivals. Es geht um drei Freunde, die eine Dienstreise nach Abidjan, die größte Stadt der Elfenbeinküste, vortäuschen. Tatsächlich wollen sie ein Wochenende mit ihren "Tchizas ", ihren Geliebten, verbringen. Doch der Plan geht nicht auf, weil ihr Flugzeug abstürzt und sie für tot gehalten werden. Es ist ein Plot, der gefällt und für einen Moment eine angenehme Ablenkung von den sonst so ernsten Themen des diesjährigen FESPACOs schafft.