Kultur-Dialog beim Filmfestival
16. November 2012Im Iran verläuft der kulturelle Bruch mitten durch die Gesellschaft: zwischen aufgeklärten Intellektuellen und Bürgertum und der ärmeren Landbevölkerung und religiösen Eiferern. Auch davon handelt "Final Whistle" der iranischen Regisseurin Niki Karimi. Es ist ein Film über kulturelle Konflikte, über den Graben zwischen Moderne und Tradition, auch über den Gegensatz männlicher und weiblicher Lebensvorstellungen.
Konfliktfeld Privat- und Berufsleben
"Final Whistle" war einer der stärksten Beiträge bei der 61. Ausgabe des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg und gewann am Ende auch den Hauptpreis des Fesivals. Herausragend auch deshalb, weil er dramaturgisch zwingend und formal ausgereift seinen Konflikt auf den Punkt bringt. Es geht um ein Paar in der Krise. Der Mann inszeniert Seifenopern fürs Fernsehen, die Frau ist eine engagierte Dokumentarfilmregisseurin. Zunächst gibt es berufliche Probleme zwischen den beiden. Doch diese dringen schnell ins Privatleben vor. Daraus entwickelt Regisseurin und Hauptdarstellerin Niki Karimi gesellschaftliche Fragen nach Toleranz und Menschenwürde im Iran.
"Final Whistle" wirft ein Schlaglicht auf das Leben im Iran, das sich - zwischen Tradition und Moderne - für viele Menschen immer schwieriger gestaltet. Wie kann man Freiheit leben? Wie kann man seinen Lebenvorstellungen folgen, wenn diese im Gegensatz zur Ideologie der Herrschenden steht? Es sind Fragen, die so oder ähnlich auch das Festival insgesamt stellt mit seinem Thema "Leben! Aber wie?": "Leben wir eigentlich um zu arbeiten?" - so formuliert es Josef Schnelle, der die Filme für das Festival mit ausgesucht hat, "oder arbeiten wir um zu leben?"
Die Fähigkeiten des Kinos
"Wir haben die Filme in diesem Jahr danach ausgesucht, ob sie für unsere Fragestellung etwas zu erzählen haben", erläutert Festivaldirektor Michael Kötz das Konzept. "Natürlich gibt es auch Bücher dazu, Lieder, Theaterstücke, Bilder. Aber der Film hat eine ganz besondere Qualität in dieser Hinsicht. Er macht es möglich, hautnah dabei zu sein, mitzuerleben, als sei man selbst dort, als stecke man selbst in der Haut eines anderen."
Auch der Regisseur Babek Aliassa wurde im Iran geboren, verließ seine Heimat aber früh und wuchs in Frankreich auf. Später emigrierte er nach Kanada. Dort spielt auch sein Film "Halal Butcher Shop". Auch hier geht es um einen ähnlich gelagerten Konflikt. Ein Paar mit persischen Wurzeln lebt in Montreal. Auch sein Konflikt wird ausgelöst durch Fragen, wie man leben kann, welche Freiheiten man sich erlauben kann. Wie in "Final Whistle" geht es auch in "Halal Butcher Shop" um religiöse Entscheidungen der Muslime im Kanada der Moderne: wie richten sie sich im Leben ein zwischen säkularisierter Gesellschaft und traditionellen Vorstellungen?
Blick auf fremde Welten
Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg setzt ganz bewusst auf Filme von Regisseuren, die aus Ländern stammen, die im deutschen Kinoalltag nur selten vorkommen. Filme aus dem Iran und Kanada sind hierzulande die Ausnahme. Hollywood dominiert, Filme aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien runden das Angebot ab. Filmwerke aus anderen Nationen muss man stets in Spezialveranstaltungen und Sondervorführungen suchen. Auch deshalb sind Festivals wie Mannheim-Heidelberg so wichtig - sie öffnen Blicke auf eine "fremde" Welt.
Doch auch Regisseure aus Europa kommen in Mannheim zu Wort. Threes Anna ist Holländerin. Ihr Film "Silent City" erzählt auch von einem "Clash of Cultures", wenn auch mit einer eher heiteren Grundstimmung. Es geht um eine junge Holländerin, die in Japan die hohe Kunst des Kochens und der Fischzubereitung lernen will. Sie habe sich schon bei der literarischen Vorlage von "Silent City", die sie selbst geschrieben hat, auf eigene Erfahrungen stützen können, erzählt die Regisseurin im Gespräch mit der Deutschen Welle. Vor Jahren habe sie bei einem längeren Aufenthalt in Japan erfahren, wie unterschiedlich die dortige Kultur zu der in Westeuropa ist - das habe sie interessiert und fasziniert.
Mentalitätsunterschiede
Der größte Unterschied sei für sie die überaus zurückhaltende, freundliche, ja fast scheue Art der Japaner - im Gegensatz zur fast vorlauten Mentalität ihrer Landsleute. Diese Differenz berge ein großes Potenzial an Missverständnissen. "Silent City" beschreibt diese kulturellen Unterschiede auf eine sehr unterhaltsame, aber auch nachdenklich stimmende Art. Die Regisseurin nennt noch einen anderen Kultur-Unterschied: In Japan gebe es einen sehr großen Respekt vor dem Umgang mit Lebensmitteln, mit Essen, mit der Nahrung an sich. So habe man auch ein anderes Verhältnis zur Zubereitung von Speisen entwickelt. Damit wird die junge Holländerin im Film in Japan konfrontiert.
Drei Filme aus drei unterschiedlichen Kulturkreisen - drei Filme, die sich alle mit kulturellen Brüchen auseinandersetzen. Auch, wenn die Filme in völlig unterschiedlichen Ländern spielen, beantworten sie ihre jeweils individuellen Fragen ganz ähnlich: Die Frage "Leben! Aber wie?" sollte immer in Respekt vor dem Anderen münden. Die Meinung des Gegenübers sollte gehört und respektiert werden. Erst dann ist wirkliche Verständigung möglich.