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Filmstadt Berlin

9. Februar 2011

Berlin schaut auf eine lange Filmtradition zurück und ist heute eine wachsende lebendige Filmstadt mit einem großen Potential an Kreativität. Jedes Jahr entstehen hier rund 300 neue Filmproduktionen.

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Großplakate mit internationalen Filmstars und Regisseuren in Berlin (Foto: Internationale Filmfestspiele Berlin)
Bild: Internationale Filmfestspiele Berlin

"Arm aber sexy!" So beschreibt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit die deutsche Hauptstadt. Und er hat Recht! Denn der Schuldenberg von Berlin ist immens. Aber, und auch hier liegt Wowereit richtig, die Stadt ist auch sexy. Denn es gibt ein riesiges Heer von Kreativen, die diese Stadt prägen. Dazu gehören vor allem die Vertreter der Filmbranche.

Wiederbelebung nach dem Mauerfall

Mit dem Riss in der Mauer begann Berlin als Filmstadt wieder zu leben (Foto: Deutsche Kinemathek)
Mit dem Riss in der Mauer begann Berlin als Filmstadt wieder zu lebenBild: Deutsche Kinemathek

Auch wenn Berlin nicht mehr die führende Rolle in der Filmwelt spielt wie in den 1920er Jahren, als Babelsberg - ein Vorort im Südwesten von Berlin - Vergleiche mit Hollywood nicht zu scheuen brauchte, so hat sie sich mit dem Fall der Mauer (1989) wieder zu einer Stadt entwickelt, in der Filme produziert werden, die Deutschland und manchmal sogar die Welt erobern. Als Startschuss für diese Entwicklung kann Tom Tykwers "Lola rennt" (1998) gesehen werden. Darin rennt Franka Potente alias Lola kreuz und quer durch die Stadt, um ihren Freund (Moritz Bleibtreu) zu retten. Tom Tykwer war Mitte der 1980er Jahre von Wuppertal an die Spree gezogen, wo er seine Karriere als Filmvorführer im Moviemento begann, Deutschlands ältestem Kino. "Das Kinoprogramm in Berlin war der maßgebliche Grund, warum ich hier her gezogen bin. Abgesehen davon dass ich zu dieser Stadt sofort eine sehr starke Verbindung aufgebaut hatte, war das Kinoprogramm einfach unglaublich. Hier gab es die Stil prägenden Kinos für die Programmkinokultur Deutschlands."

Konzentrierte Filmwelt am Potsdamer Platz

Tom Tykwer kam Mitte der 80er Jahre an die Spree, weil er begeistert war von der Kinostadt Berlin (Foto: Bernd Sobolla
Tom Tykwer kam Mitte der 80er Jahre an die Spree, weil er begeistert war von der Kinostadt BerlinBild: Bernd Sobolla

So wie Tom Tykwer geht es noch heute vielen Regisseuren, Autoren und Schauspielern. Eine echte Filmstadt besteht natürlich nicht nur aus Filmtheatern (über 100 in Berlin). Ganz im Zentrum, am Potsdamer Platz zum Beispiel, steht das Filmhaus. Dort sind über sieben Stockwerke diverse Institutionen versammelt: Das "Museum für Film und Fernsehen", das jedes Jahr über 100.000 Besucher anlockt. Dann die Deutsche Kinemathek, die sich um das deutsche Filmerbe kümmert. Nicht zu vergessen die legendären Arsenal-Kinos, die sich seit 1970 internationaler Filmkunst jenseits des Mainstreams widmen, und natürlich die dffb, die "deutsche film- und fernsehakademie" mit ihren rund 250 Filmstudenten. Gleich vor dem Filmhaus befindet sich der "Boulevard der Stars", der 2010 eröffnet wurde. Angelehnt an den "Walk of Fame" in Hollywood werden hier die Stars der deutschen Filmbranche mit einem Stern geehrte. Zu den ersten 40 Stars gehören u.a. die Schauspielerinnen Romy Schneider und Angelica Domröse, der Regisseur Rainer Werner Fassbinder, der Komponist Klaus Doldinger und der Kinopionier Max Skladanowsky. Ein echter Touristenmagnet ist der Streifen aber noch nicht.

Aufschwung in Babelsberg

Verkaufsschlager sind dagegen immer wieder Filme, die von Berlin handeln und/oder hier produziert werden. Zählten früher Werke dazu wie "Berlin: Die Sinfonie der Großstadt", "1, 2, 3" oder "Cabaret", sind es in jüngerer Zeit Filme wie "Good bye, Lenin!", Sonnenallee", "Herr Lehmann" oder "Das Leben der anderen". In den letzten Jahren haben zudem auch internationale Filmemacher Berlin und die Studios in Babelsberg entdeckt. Filme wie "Der Pianist" und "Der Ghostwriter" von Roman Polanski entstanden hier, "Der Vorleser" von Stephan Daldry oder "Inglourious Basterds" von Quentin Tarantino. Im letzten Jahr drehte Roland Emmerich ("The day after tomorrow") in Babelsberg "Anonymous", ein Drama um die Urheberschaft der Shakespeare-Werke, und der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra inszenierte "Unknown Identity". Das Werk mit Liam Neeson, Diane Kruger und Bruno Ganz in den Hauptrollen handelt von einem Mann, der nach Berlin kommt, einen Unfall erleidet und seine Identität verliert. "Unknown Identity" erlebt in wenigen Tagen im Berlinale-Wettbewerb seine Premiere. Für Studio Babelsberg ein weiterer Grund zum Feiern. Erlebt das Studio - in den 90er Jahren noch totgesagt - einen phänomenalen Aufschwung.

Kinoplakat 'Unknown Identity' (Foto: Kinowelt)
Kinoplakat "Unknown Identity"Bild: Kinowelt

In der Region alles vorhanden

Das hat Gründe: Studio Babelsberg offeriert ein hohes technisches Niveau, und die Motivauswahl ist fast unerschöpflich: Brandenburg bietet Landschaften, Kleinstädte und futuristisch anmutende Braunkohlegebiete; Berlin Hochhäuser und Altbauten, Hinterhöfe und Brücken, experimentelle Architektur und Wasseraufnahmen. Dazu edle Plätze wie den Kurfürstendamm oder den Gendarmenmarkt. Inzwischen bieten Reiseveranstalter Sightseeing Touren an, die zu den Drehorten berühmter Filme führen. Sie zeigen, wo Matt Damon von der Brücke sprang, Tom Cruise sein Staufenberg-Attentat plante oder Jackie Chan seinen Heißluftballon bestieg. Nicht zu vergessen ist natürlich die Berlinale. Sie gehört mit Cannes und Venedig zu den bedeutendsten Filmfestivals der Welt. Aber in Berlin finden auch 60 kleine Filmfestivals statt. Festivals, die sich dem asiatischen, arabischen oder südamerikanischen Film widmen, Umwelt- , Fantasy- und Pornofilmfeste.

Stilbildende Gruppe – "Berliner Schule"

Ebenfalls am Potsdamer Platz ist die Deutsche Filmakademie beheimatet, die jedes Jahr die Deutschen Filmpreise verleiht – das deutsche Pendant zum Oscar. Außerdem ist die Hauptstadt wahrscheinlich weltweit die einzige Stadt, in der sich Filmemacher zu einer eigenen stilbildenden Gruppe zusammengefunden haben. Unter dem Begriff "Berliner Schule" sind in den letzten Jahren Filme entstanden, die fernab vom Mainstream realistische Alltagsgeschichten ohne Helden zeigen und oft in niederen sozialen Milieus spielen. Zur "Berliner Schule" gehören Filmemacher wie Christian Petzold, Angela Schanelec, Benjamin Heisenberg oder Christoph Hochhäusler. Letzter beschreibt die Attraktivität der Stadt wie folgt: "Alle sind nach Berlin gekommen. Berlin ist voller neuer Berliner, die wenig Umfeld haben und viel Zeit. Berlin ist billig und hässlich, und Berlin ist undefiniert. Und das ist ein großartiger Anfang."

Autor: Bernd Sobolla
Redaktion: Jochen Kürten