Finanzcrash beim Fracking?
26. November 2014Ray Payne steht mit Bauarbeiterhelm wenige Meter neben einem Ölbohrturm. Er ist Vizepräsident von BNK Petrolium, einer Firma, die in Ardmore im US-Bundesstaat Oklahoma nach Öl bohrt. Dank der umstrittenen Fördermethode Fracking kann aus den Schiefergesteinen der Region Öl gepresst werden.
"Als ich vor 30 Jahren angefangen habe", erinnert er sich im Gespräch mit dem Sender BBC, "war die Technik noch in den Kinderschuhen." Er und seine Firma haben gute Erträge und man könne weiter bohren und erschließen. "Auch mit einem Ölpreis von deutlich unter 80 Dollar pro Barrel", so Payne.
Nicht alle in Ardmore sind so optimistisch. Einige Firmen wüssten noch gar nicht, ab welchem Preis das Bohren für sie zu teuer werde, meint Bill Dolman von der Hewitt Mineral Cooperation. Fracking sei einfach sehr teuer, sagt er dem Sender.
Kräftig, aber anfällig
Seit Sommer ist der Preis für Öl um fast ein Drittel eingebrochen und liegt seit Wochen unterhalb von 80 Dollar pro Fass. Ein Preis, bei dem die US-Produzenten nervös werden. Die US-Ölwirtschaft sei wie das neue, kräftige Kind, das mitspielen wolle auf dem Weltmarkt, so Robert McNally. "Aber wir sind sehr anfällig für niedrige Preise und deshalb ein verletzliches Kind", sagt der ehemalige Energieberater des Weißen Hauses im Interview mit Platts, einem Nachrichtendienst für die Energiewirtschaft.
Die neue Fördermethode Fracking, bei der horizontal gebohrt und mit viel Wasserdruck und Chemie das Öl aus Gesteinsschichten gepresst wird, ist teuer. Die Schätzungen, ab welchem Öl-Preis sich das Geschäft nicht mehr lohnt, variieren stark. Einige Schätzungen sehen den Punkt schon bei 80 Dollar pro Barrel erreicht, andere sind optimistischer.
Den Schätzungen der Internationalen Energie Agentur (IEA) zufolge sei die Schmerzgrenze erst bei einem Ölpreis 50 Dollar erreicht, sagt McNally. Auf diesem niedrigen Niveau müsse der Preis mindestens ein Jahr lang verharren, bevor man in den USA die Schieferölproduktion herunterfahre. "Das ist sehr viel tiefer, als die meisten Marktbeoachter schätzen", so McNally.
Junk-Bonds finanzieren den Boom
Anders als bei konventionellen Quellen sinkt die Ölproduktion beim Fracking nach dem ersten Jahr bereits um deutlich mehr als 50 Prozent. Das zwingt die Unternehmen, immer neue Löcher zu bohren, um die Fördermengen aufrecht zu halten.
"Ich nenne sie geldfressende Monster", sagt Deborah Lawrence Rogers, die für das Post Carbon Institute die Finanzierungen des Energie-Sektors untersucht hat. Für ihre Bohrungen benötigten die Firmen ständig neue finanzielle Mittel, sagt sie.
Der Ölboom ist also teuer erkauft: Allein in diesem Jahr werden mehr als 150 Milliarden Dollar in die Erschließung und Produktion fließen, so die Investmentbank Barclays. Um das zu finanzieren, geben viele der Firmen nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen aus. Also Papiere, auf die Zinsen gezahlt werden müssen, wie bei einem Kredit.
Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat im April drei Viertel der Förderfirmen, die sie beobachtet, als hoch riskant eingestuft. Für das Risiko müssen die Firmen ihre Geldgeber mit hohen Zinsen entschädigen - die Papiere werden daher Hochzinsanleihen oder auch "Junk-Bonds" genannt.
Die Großen haben sich schon zurückgezogen
Aufgrund der Fremdfinanzierung geben die Firmen im Schnitt für jeden Dollar, den sie verdienen, zwei Dollar wieder aus, hat die Investmentbank Barclays errechnet. Einige sogar bis zu vier Dollar, sagt Deborah Lawrence Rogers. Öl würde oft nur weiter gefördet, damit die Firmen ihre Gläubiger bedienen können.
"Gleichzeitig verkünden die Firmen draufgängerisch, sie könnten auch niedrigere Öl-Preise eine Weile aushalten", so Rogers. "Aber man sieht ja jetzt schon, was passiert: Die ersten fahren ihre Investitionen und Produktion runter."
Große Geldgeber wie Renten- und Pensionsfonds haben sich schon aus der Finanzierung zurückgezogen. Selbst große Förderfirmen, die Schwankungen eigentlich gut ausgleichen können, treten auf die Investitionsbremse: Conoco Phillips will die Neuerschließung von Ölfeldern reduzieren, auch Continental Resources, der größte Ölproduzent in North Dakota, verzichtet auf neue Bohrtürme.
Alle warten auf die OPEC
James Williams von der Energie-Beratungsfirma WTRG Economics warnt, die Öl-Industrie funktioniere genauso wie jede andere Branche: "Wenn der Preis und damit der Umsatz fällt, dann wird weniger investiert."
Ein weiterer Preisverfall habe das Potential, den Energie-Boom in den USA platzen zu lassen, so Williams. Zumindest aber werde die Produktion an vielen Orten pausieren.
Wie lange die Produzenten von Schieferöl in den USA durchhalten, sei von Firma zu Firma und Bohrloch zu Bohrloch unterschiedlich. Hoffnung haben sie auf die Organisation Erdöl exportierender Länder gesetzt, dass sie die Fördermenge drosselt und dadurch den Preis stabilisiert. Doch nun dürften sie enttäuscht sein.