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Firmen-Flucht aus Katalonien

16. Oktober 2017

Egal, wie die Katalonien-Krise weiter gemanagt wird, die dort ansässigen Firmen haben bereits die Notbremse gezogen. Nicht nur die Region, auch Spaniens Wachstum wird durch die Krise leiden. Aus Madrid Stefanie Müller.

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Spanien Barcelona Flaggen
Bild: Reuters/J. Nazca

Unternehmen fliehen aus Katalonien

Der an der Uni in Barcelona lehrende Wirtschaftswissenschaftler José María Gay de Liébana sieht den Konflikt Spaniens mit Katalonien ganz nüchtern: "Letztendlich geht es hier doch nur um Geld und die spanische Regierung will sich einfach nicht erpressen lassen, deswegen dieses jahrelange Hin und Her." Die autonome Region will die Steuerhohheit haben wie Navarra und das Baskenland, welche sich diese aufgrund von historischen Rechten 1978 beim Übergang in die Demokratie erkämpft haben.

Der charismatische Katalane glaubt auch, dass deswegen das derzeitige Ausbluten der regionalen Wirtschaft durch die teilweise oder komplette Abwanderung von bereits rund 500 Firmen den weiteren Weg des Krisenmanagements markieren wird. "Kataloniens Zukunft ist unsicher, egal wie die Unabhängigkeitsverhandlungen und Dialog-Bestrebungen ausgehen, die Region ist langfristig gebrandmarkt und irgendwann werden sich dessen auch die verblendeten Unabhängigkeits-Anhänger bewusst werden."

Notare haben derzeit Hochkonjunktur in Spanien

Die katalanischen Unternehmen haben spät auf die Radikalisierung ihrer Regionalregierung reagiert, aber jetzt ist der Domino-Effekt der Abwanderung nicht mehr abzuwenden. Egal, was hinter den Kulissen zwischen den Politikern läuft: Der Schaden ist entstanden und so schnell nicht zu reparieren. "Und auch der Boykott gegen katalanische Produkte wird noch lange weitergehen, so war es immer in Spanien. Er wird viele Firmen in die Pleite treiben", sagt der in Madrid ansässige deutsche Unternehmer Richard Wolf. Schon jetzt sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Konfliktes in Katalonien deutlich spürbar für die Menschen dort: "Unser Image ist geschädigt", sagt Cristina Sorli, eine alteingessene Unternehmerin in Barcelona, die dort sehr erfolgreich eine internationale Kosmetikerschule betreibt.

Allein am 9. Oktober, dem Tag, an dem der katalanische Regierungschef Carles Puigedemont die Unabhängigkeit im Parlament ausgerufen und dann wieder suspendiert hatte, haben gemäss der nationalen Notarvereinigung 212 Firmen aus Katalonien ihren Umzug der Geschäftsstelle an einen anderen Ort in Spanien veranlasst. (siehe Infografik).

Infografik Firmenflucht Katalonien

Banken werden am meisten unter der Krise leiden

Schlimmer als der direkte wirtschaftliche Schaden Kataloniens durch die Firmenflucht, der auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt wird, ist der langfristige Schaden für Gesamt-Spanien als Wirtschaftsstandort. Die Schulden der autonomen wirtschaftsstarken Region liegen momentan, wenn man auch die Verpflichtungen gegenüber dem spanischen Staat miteinberechnet, gemäss Gay de Liébana bei rund 200 Milliarden Euro. Mit einem Rating von "B+" (Standard & Poor's) ist Katalonien bereits ein Risiko für den Investor.

Wenn sich der Konflikt weiter in die Länge zieht, dann könnte dieses Rating weiter abgewertet werden. Das hätte schwerwiegende Folgen für Spanien, das die Region absichert. Unter dieser Entwicklung würden vor allen Dingen die vier Banken leiden, die am meisten involviert sind in Katalonien: Bei Banco Sabadell, die als erste vor zwei Wochen ihren Sitz nach Alicante verlegte, sind es 25 Prozent des nationalen Geschäfts, das aus Katalonien kommt. Bei La Caixa und BBVA macht dieses 20 Prozent aus, bei der Santander 15 Prozent. "Die katalanischen Banken haben spät gehandelt, aber die Verlegung des Geschäftssitzes in den vergangenen Wochen war der richtige Schritt", glaubt Gay de Liébana. Dennoch ist aus katalanischen Finanzkreisen zu hören, dass die Banken dort weiterhin Kunden verlieren.

Kein Weg zurück

Auch die katalanischen Versicherungsunternehmen Catalana Occidente, Vidacaixa und Segurcaixa wollen auf Nummer sicher gehen und haben ihren Sitz aus Katalonien verlegt. Der französische Konzern Axa hat sich dem Trend angeschlossen und seinen Spaniensitz nach Bilbao verlegt. Einige Unternehmen, wie das Energieunternehmen Gas Natural, ändern erstmal nur zeitweise ihre Adresse, aber Juan Igancio Sanz von der spanischen Business Schule Esade glaubt, dass die meisten der Entscheidungen nicht mehr rückgängig gemacht werden: "Solche Schritte sind kompliziert und können nicht so leicht geändert werden. Wir reden hier von grossen Konzernen, die auch nicht mehr unbedingt mit Katalonien in Verbindung gebracht werden wollen."

Infografik Karte Wirtschaftsmotor Katalonien DEU

In seinem Artikel "Cataluña: Los diez próximos años" beschreibt der Investmentberater Juan Ignacio Crespo in der spanischen Tageszeitung El Mundo, dass das Land wahrscheinlich zehn Jahre warten muss, um diesen aktuellen Konflikt und seine wirtschaftlichen Folgen zu überwinden. Seiner Meinung nach, wird Katalonien Teil Spaniens bleiben und 2028 auch zur EU gehören. Aber der Konflikt werfe das Land, das seit 2016 wieder einen klaren Aufwärtstrend verzeichne, enorm zurück.

Rajoy zögert, er hat Angst vor den wirtschaftlichen Folgen

Spaniens Regierung muss derweil jeden Schritt immer genau abwägen. Premier Mariano Rajoy und sein Kabinett überlegen, welche kurzfristigen Auswirkungen Entscheidungen, wie die Aussetzung der Autonomie in Katalonien (Anwendung des Artikels 155) für den Finanzmarkt haben kann. Das hochverschuldete Land will das Länderrisiko und damit die Staatsverschuldung nicht weiter in die Höhe treiben. Die US-Ratingagentur Standard & Poors hat spanische Staatsanleihen bisher mit "BBB+" bewertet und wartet mit einer etwaigen Verbesserung erst einmal, bis sich alles beruhigt hat.

"Das Problem ist, dass Spanien derzeit, solange Katalonien Teil des Landes, die Schulden der Region decken muss und wenn diese rasant schnell weiter wachsen, dann kann es kritisch werden", sagt Gay de Liébana. Das Land kommt immer noch auf Staatsschulden, die 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Und somit hat der katalanische Wirtschaftsexperte Recht: Am Ende geht es bei dem ganzen Konflikt nur ums Geld.