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Urban Farming in Berlin

Maximilian Grosser19. März 2015

Ein Berliner Start-Up Unternehmen erzeugt umwelt- und klimafreundliche Lebensmittel für die Stadt. Fischzucht und Anbau von Biogemüse werden intelligent kombiniert, es könnte zukunftsweisend für die Welternährung sein.

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Berliner Start-Up ECF
Bild: DW/M. Grosser

Unscheinbar, hinter Möbelhaus, Baumarkt und einem Postzentrum, beginnt die Revolution des Urban Farming. Auf dem Gelände einer alten Berliner Brauerei residiert seit einigen Jahren ein Kreativzentrum für Künstler und Start-Ups. Nun hat auch eine Stadtfarm hier ihren Betrieb aufgenommen und liefert Biofisch und Biogemüse für ökobewusste Berliner.

Dafür haben Christian Echternacht und Nicolas Leschke eine Kombination aus Gewächshaus und Fischzuchthalle errichten lassen. Das Verfahren, das beides miteinander kombiniert, heißt Aquaponik und ist eine Wortschöpfung: Aquakultur bezeichnet Fischzucht in speziellen Anlagen, Hydroponik die Pflanzenzucht auf Mineralwolle mit einer Nährlösung.

Fisch und Gemüsezucht mitten in der Stadt

Erfunden wurde die Aquaponik in der ehemaligen DDR. Nun, mit dem Zukunftstrend Urban Farming, wurde sie aus der Schublade geholt und weiterentwickelt. Denn schon 2050 werden rund zwei Drittel der Weltbevölkerung in der Stadt wohnen. Heute ist es mehr als die Hälfte und auch die Ökobilanz von Großstädten ist beängstigend: 75 Prozent der weltweiten Energie verbrauchen sie, 70 Prozent CO2 stoßen sie in den Himmel. Aquaponik soll helfen, die Megacities von morgen nachhaltiger zu machen.

Vor drei Jahren hatten Christian Echternacht und Nicolas Leschke deshalb die Idee, die Lebensmittelversorgung in Großstädten zu revolutionieren. Ihre Vision: Lebensmittel dort zu produzieren, wo sie verbraucht werden. Und so heißt ihr Start-Up, Ecofriendly Farmsystems (EFC). Rund anderthalb Millionen Euro Risikokapital haben sie dafür eingesammelt, und nun hat ihre erste Fisch-Gemüse-Stadtfarm ihren Betrieb aufgenommen

Fische liefern Dünger für Tomaten und Gurken

Für die Fischzucht bei ECF ist Dagh Sommerfeld verantwortlich. Sein Arbeitsbereich ist eine Halle mit 13 riesigen Wassertanks, die mit aufbereitetem Regenwasser gefüllt sind. In einem der Tanks schwimmen die ersten 2000 südafrikanischen Buntbarsche. Weil sie sich zwischen 27 und 28 Grad Celsius wohl fühlen, herrscht tropisches Klima in der Fischhalle. "Wir züchten hier Tilapia, weil das ein robuster Fisch ist, der sich gut für Aquakulturen eignet", verrät Sommerfeld, "außerdem setzt er soviel in Masse um wie wir ihm an Futter geben."

Berliner Start-Up ECF
Fischfarm im großen Tank.Bild: DW/M. Grosser

Noch sind die Fische so groß wie Fingerkuppen. Doch schon in acht Monaten bringen sie jeweils 750 Gramm auf die Waage. Und bis dahin liefern sie Nitrat, Düngemittel für die Aquaponikanlage. Das wird mit einem Bioreaktor aus den Ausscheidungen der Fische gewonnen und ist eine der wichtigsten Zutaten für die Gemüsezucht im Gewächshaus nebenan.

Alles rein biologisch

Das Gewächshaus von ECF ist eine lichtdurchflutete Glashalle. Den Boden durchkreuzen meterlange Pflanzrinnen, gefüllt mit Mineralwolle. Rund tausend Setzlinge von Auberginen, Tomaten, Gurken und Paprika hat der Gärtner Robert Dietrich hier mit Kollegen eingepflanzt. Nun wachsen sie an Schnüren in die Höhe. Genährt mit den aufbereiteten Abfällen und dem Abwasser der Fischzucht. 90 Prozent weniger Wasser als in der herkömmlichen Landwirtschaft benötigt die Stadtfarm.

Berliner Start-Up ECF
Bioproduktion: Robert Dietrich im Berliner GewächshausBild: DW/M. Grosser

"Unsere Gemüsezucht kommt ohne Pestizide aus, weil wir die rein biologische Schädlings-bekämpfung benutzen", sagt Robert Dietrich. "Wir haben nützlichen Insekten, die die schädlichen Insekten, die Blattläuse, Spinnenmilben auffressen." Auch die Fischanlage kommt ohne Antibiotika aus. Und weil die Transportwege zum Kunden kurz sind und Kühlketten wegefallen, ist der CO2-Fußabdruck von Tomate und Fisch von ECF sehr klein.

Low-Tech-Variante für Entwicklungsländer

Nicht ohne Grund trägt das Start-Up von Christian Echternacht und Nicolas Leschke das Wort effizient im Namen: Hinter ihrer Aquaponikanlage werkelt ein Zentralcomputer. Der steuert die Nährlösung für die Pflanzen, die Wasseraufbereitung für die Fischtanks sowie Temperatur und Lichteinfall der Gewächshäuser.

"Unser Ziel ist es aber auch, eine Low-Cost-Variante unser Anlage für Entwicklungsländer aufzubauen", sagt Nicolas Leschke, "wahrscheinlich mit einfacheren Tanks und Foliengewächshäusern." Doch erst einmal versucht Leschke noch mehr Unternehmer in Europa von seiner Idee der ECF-Stadtfarm zu überzeugen. Schwer hat er es wahrscheinlich nicht. Denn schon lassen sich Supermarktbetreiber von ihm beraten, die sich Fisch- und Gemüsezucht auf dem Markthallendach wünschen.

Berliner Start-Up ECF
Christian Echternacht und Nicolas LeschkeBild: DW/M. Grosser

In der Schweiz haben die ECF-Macher bereits einen Gemüsegroßhändler überzeugt und eine Aquaponikanlage aufs Dach gesetzt. "Dennoch", verrät Christian Echternacht, "ist eine solche Anlage auf dem Land noch effizienter weil die Anlage größer gebaut werden könnte." Denn je größer die Anlage, umso günstiger die Baukosten. Dann könnte die Idee von ECF auch helfen, zwei Probleme der Zukunft zu lösen: Meere vor Überfischung zu retten und chemische Düngemittel einzudämmen.