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Flüchtlinge in marokkanischer Wüste vom Tod bedroht

10. Oktober 2005

Nachdem sie ohne Wasser und Nahrung in der marokkanischen Wüste ausgesetzt wurden, sind jetzt 400 Flüchtlinge vom Hungertod bedroht. Die EU fordert von Marokko Aufklärung.

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Flüchtlinge in einem Auffanglager in MelillaBild: AP
Immigrant in Spanien
Ein Flüchtling am Zaun eines Auffanglagers in der Exklave MelillaBild: AP

Nach ihrem gescheiterten Fluchtversuch in die EU drohen 400 Afrikaner in der marokkanischen Wüste zu verdursten oder zu verhungern, wie der frühere französische Gesundheitsminister Bernard Kouchner am Montag (10.10.2005) berichtete. Die marokkanischen Behörden hätten die Elendsflüchtlinge nahe der spanischen Exklave Melilla an der Mittelmeerküste zusammengetrieben und ohne Wasser oder Nahrung in der Wüste ausgesetzt.

Die marokkanische Regierung gab zunächst keine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. Die Behörden begannen am Montag derweil mit der Abschiebung von rund 300 Flüchtlingen in den Senegal. Eine Maschine der Royal Air Maroc mit rund 140 Flüchtlingen an Bord startet von Oujda im Nordosten Marokkos in Richtung Dakar. An Bord waren auch marokkanische Polizisten. In fünf weiteren Flügen binnen 48 Stunden sollten insgesamt mehr als tausend Flüchtlinge überwiegend aus dem Senegal und aus Mali von Oujda aus nach Dakar und Bamako gebracht werden.

Tod durch Stacheldraht und Kugeln

Flüchtlinge in Melilla
Beten in ungewisser Situation: Ein Flüchtling in einem Auffanglager in der Exklave MelillaBild: AP

Nach Angaben der regierungsunabhängigen marokkanischen Organisation für Angehörige von Opfern der illegalen Einwanderung (AFVIC) wurden in der Nacht zum Montag zudem hunderte Flüchtlinge in Bussen in Richtung mauretanische Grenze gebracht. 28 Busse mit jeweils bis zu hundert Insassen seien in den Südwesten des Landes gefahren, sagte AFVIC-Chef Hicham Rachidi.

Marokko steht seit Wochen im Mittelpunkt eines Flüchtlingsdramas: Tausende Menschen, zumeist aus Ländern südlich der Sahara, versuchten in Massenanstürmen nach Melilla und Ceuta zu gelangen, der zweiten spanischen Exklave an der Mittelmeerküste. Mindestens ein Dutzend Menschen kamen dabei ums Leben. Einige blieben in den Stacheldrahtzäunen hängen, andere wurden von marokkanischen Sicherheitskräften auf der Flucht erschossen.

"Das Phänomen wird zunehmen"

Die Senegalesen, die am Montag abgeschoben werden sollten, waren in den vergangenen Tagen im ganzen Land festgenommen worden. Von Oujda aus wollen die marokkanischen Behörden in den kommenden Tagen auch rund 600 Malier abschieben. Der Gouverneur der Region, Mohammed Ibrahimi, fordert unterdessen eine umfassende Reaktion. "Das Problem übersteigt die Möglichkeiten Marokkos", sagte er. Die internationale Gemeinschaft sei gefragt, an erster Stelle die EU. "Das Phänomen wird noch zunehmen", prophezeite er. Nach einem Bericht der spanischen Zeitung "El Pais" warten etwa 3000 Afrikaner in einem provisorischen Lager an der Grenze zu Algerien nur auf den geeigneten Zeitpunkt, um ihre Flucht nach Melilla in Angriff zu nehmen.

EU-Experten in Rabat

Der spanische Außenstaatssekretär Bernardino Léon zeigte sich in Madrid erschüttert über die Berichte. Die Behörden seines Landes stünden in ständigem Kontakt mit den marokkanischen; sie böten ihre Hilfe an und äußerten ihre Besorgnis, sagte Léon.

Karte der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko Karte: DW

Die EU-Kommission fordert von Marokko Aufklärung über das Schicksal abgeschobener Afrikaner. "Man muss genau untersuchen, was dort geschieht", sagte eine Behördensprecherin am Montag in Brüssel zu Berichten, die Menschen würden in der Wüste ausgesetzt. Fachleute der Kommission waren am Montag in Rabat, um mit der marokkanischen Regierung über die Lage der Flüchtlinge und Fragen der Grenzsicherung zu beraten. EU-Justizkommissar Franco Frattini will die Ergebnisse der Expertenreise nach Madrid und Rabat am Mittwoch beim Ratstreffen der EU-Innenminister in Luxemburg vortragen.

Unmenschliche Zustände auf Lampedusa

Dort werden nach Angaben von Diplomaten die Zuwanderung im Allgemeinen und Pilotprogramme zum Flüchtlingsschutz im Besonderen eine zentrale Rolle spielen. Der deutsche Ressortchef Otto Schily wolle bei der Gelegenheit seine Überlegungen zur Schaffung einer EU-Aufnahmeeinrichtung in Nordafrika zur Diskussion stellen, hieß es in Brüssel.

Nach einem Pressebericht über unmenschliche Zustände in einem Auffanglager für Flüchtlinge auf Lampedusa hat die italienische Regierung eine Untersuchung angeordnet. Ein Reporter des Magazins "L'Espresso" hatte sich in dem Lager als irakischer Kurde ausgegeben und war mehrere Tage festgehalten worden. Er hatte in seinem Artikel unvorstellbar unhygienische Bedingungen beschrieben und dazu mehrere Fotos veröffentlicht. Außerdem seien die Flüchtlinge von einem Polizisten gezwungen worden, pornografische Bilder auf seinem Mobiltelefon anzusehen. (stu)