Flüchtlinge müssen Riace verlassen
14. Oktober 2018Die italienische Regierung verschärft ihren Kurs gegen das flüchtlingsfreundliche Dorf Riace in Kalabrien. Nach der Festnahme des Bürgermeisters vor zehn Tagen hat das Innenministerium nun angeordnet, dass die dort lebenden Migranten in Flüchtlingsunterkünfte in anderen Orten untergebracht werden sollen.
Die Umzüge beginnen in der kommenden Woche, wie das Ministerium mitteilte. Zudem sollen alle Projekte zur Integration in Riace gestoppt werden. Innenminister Salvini twitterte, dass Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung öffentlicher Gelder nicht toleriert werden könnten - auch nicht, wenn es die Entschuldigung gebe, sie für Migranten auszugeben.
Bürgermeister für Engagement ausgezeichnet
Riace war durch die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen europaweit bekannt geworden. Der Bürgermeister Domenico Lucano nahm zahlreiche Menschen etwa aus Afghanistan, Eritrea und dem Irak auf und quartierte sie in leerstehenden Häusern in dem von Abwanderung betroffenen Dorf ein.
Dadurch brachte er neues Leben in den Ort. Die Dorfschule wurde wieder geöffnet, neu eröffnete Geschäfte und Ateliers zogen Touristen an. Für sein Engagement erhielt Lucano unter anderem den Dresdner Friedenspreis. Der deutsche Regisseur Wim Wenders drehte einen Film über ihn.
Lucano soll Scheinehen arrangiert haben
Seit seiner Festnahme Anfang Oktober steht der Bürgermeister aber unter Hausarrest. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Scheinehen zwischen Bewohnern seines Dorfes und Migrantinnen arrangiert zu haben. Außerdem soll er die Müllentsorgung in Riace ohne Ausschreibung an Kooperativen von Migranten vergeben haben.
Lucano erklärte, die Regierung wolle lediglich seine migrantenfreundliche Projekte zerstören. Viele Menschen, darunter auch Prominente wie Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano, hatten gegen seine Festnahme protestiert. Sie sehen darin eine politische Motivation der rechten Regierung. Das UN-Flüchtlingshilfswerk erklärte, den Vorgang mit Sorge zu beobachten.
Regierung will Riace nicht zum Vorbild machen
In Italien regiert seit Juni eine Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega. Vor allem Vizeregierungschef und Innenminister Salvini von der Lega-Partei verfolgt einen flüchtlingsfeindlichen Kurs. Er lässt beispielsweise keine Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen mehr in italienische Häfen und will Asylbewerber in größeren Flüchtlingszentren unterbringen.
Im Fall von Riace will Salvini offenbar verhindern, dass sich andere italienische Städte und Dörfer die Modellgemeinde zum Vorbild nehmen. Salvini hatte Lucanos Festnahme begrüßt und die "Gutmenschen" kritisiert, "die Italien mit Einwanderern füllen wollen".
Ba/fab (afp,dpa)