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Politik

Flagge zeigen gegen Antisemitismus

1. Juni 2019

In Berlin hat der jährliche anti-israelische Al-Kuds-Marsch stattgefunden. Dagegen demonstrierten mehr als 1000 Menschen. Unter ihnen auch prominente Politiker. Aus Solidarität mit Kippa. Sabine Kinkartz berichtet.

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Berlin - Demonstrantionen zum Al-Kuds Tag
Bild: DW/S. Kinkartz

Es ist kurz nach 16 Uhr, als sich an diesem sonnigen Samstagnachmittag am Berliner Kurfürstendamm der Al-Kuds-Marsch auf der einen Seite und eine Kundgebung mit Gegendemonstranten auf der anderen Seite des Boulevards begegnen. Ein breites gesellschaftliches Bündnis aus der jüdischen Gemeinde Berlins, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Parteien und Bürgerinitiativen hatte zu der Gegendemonstration aufgerufen.

Beide Seiten sind mit jeweils rund 1000 Menschen etwa gleich groß. "Allahu akbar" und "Freiheit für Palästina" rufen Männer, Frauen und Kinder in Sprechchören auf der einen Seite. Auf ihren Plakaten steht: "Zionismus ist Rassismus",  "Widerstand gegen Israel" und "Jeden 2. Tag tötet Israel ein Kind in Palästina".

"Lang lebe Israel" skandieren die Gegendemonstranten, die seit einer Stunde auf dem Georg-Grosz-Platz hinter Absperrgittern auf den Al-Kuds-Marsch gewartet hatten. Von einem Bühnenwagen schallt Popmusik in voller Lautstärke. Wie wild schwenken hunderte Menschen kleine, weiß-blaue Israel-Fähnchen. "Wenn Antisemiten ihr hassendes Haupt erheben, ist Widerstand angesagt", hat die stellvertretende Bundestagspräsidentin und Linkspolitikerin Petra Pau gerade eben noch auf der Bühne gesagt.

Al-Kuds heißt Jerusalem

Auf der Seite der Gegendemonstranten steht Juliane Zach und ist hellauf empört. Es sei unfassbar, dass eine antisemitische Hass-Demonstration wie der Al-Kuds-Marsch mitten durch Berlin ziehen dürfe. "Das geht nicht, das darf in Deutschland doch nicht möglich sein", sagt die 59-Jährige und hält dabei ein leuchtend gelbes Plakat vor ihrer Brust hoch. "Hisbollah-Verbot Jetzt" steht darauf. Die radikalislamische Hisbollah steht hinter dem Al-Kuds-Marsch.

Berlin - Gegendemonstranten zum Al-Kuds Tag
Juliane Zach möchte den Al-Kuds-Marsch verboten sehenBild: DW/S. Kinkartz

Al-Kuds ist der arabische Name für Jerusalem. Seit dem Jahr 1979 ruft der Iran zur "Befreiung Jerusalems" auf. "Die jährlichen Al-Kuds-Märsche in europäischen Metropolen werden zentral durch das islamistische iranische Regime und ihr nahestehende Institutionen gesteuert", sagt Kim Robin Stoller vom International Institute for Education and Research on Antisemitism in Berlin. Für ihn sind die Märsche "iranische Außenpolitik auf europäischem Boden".

Gegen Zionismus, aber nicht gegen die Juden?

In Deutschland finden die Al-Kuds-Märsche seit 1980 statt. Dabei wurden lange Jahre offen antisemitische Parolen verbreitet. Das ist seit 2016 verboten. Genauso, wie Symbole der Hisbollah zu zeigen oder Gegenstände zu verbrennen. "Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den Zionismus, nicht gegen das Judentum", wehren sich die Veranstalter des Al-Kuds-Marsches. Tatsächlich wird in einem Teil des Zugs "Judenhass ist eine Schande - hat keinen Platz hierzulande" gerufen. "Wenn wir Antisemiten wären, würden wir das nicht rufen", so ein Redner.

Berlin - Demonstrantionen zum Al-Kuds Tag
Beim Al-Kuds-Marsch wurden auch Deutschlandfahnen geschwenktBild: DW/S. Kinkartz

Auf der Seite der Gegendemonstranten will man das nicht glauben. Zumal die Veranstalter des Al-Kuds-Marsches bis zuletzt vergeblich versucht hatten, einen Teil der Verbote gerichtlich aufheben zu lassen. Auch die Berlinerin Juliane Zach ist skeptisch und fordert, den ganzen Marsch zu verbieten und eben auch die Hisbollah. Die vom Iran finanzierte libanesische Schiitenmiliz sei in anderen europäischen Ländern als Terrororganisation eingestuft und verboten. "Das muss auch in Deutschland passieren", fordert sie.

Berliner Innensenator mit Kippa

Das wäre auch im Sinn des Zentralrats der Juden. Bei der Al-Kuds-Demonstration werde nichts anderes transportiert als Antisemitismus und Israel-Hass, so Zentralrats-Präsident Josef Schuster. Judenfeindlichkeit sei wieder Alltag in der Bundesrepublik. So sieht es auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, der zu den Rednern auf der Gegendemonstration zählt. Er hatte im Vorfeld für Irritationen gesorgt, indem er sagte, dass man Juden nicht mehr empfehlen könne, überall die jüdische Kopfbedeckung, die Kippa zu tragen.

Berlin - Gegendemonstration zur anti-israelischen Al-Kuds-Demonstration: Andreas Geisel
Zeigt sich solidarisch: Berlins Innensenator Andreas GeiselBild: picture-alliance/dpa/A. Riedl

Berlins Innensenator Andreas Geisel findet das falsch. Auf der Gegenkundgebung zum Al-Kuds-Marsch trägt er demonstrativ eine Kippa. "Wir stehen fest an der Seite der Juden, die hier leben und an der Seite Israels", sagte er und beklagt, dass es in Berlin in den letzten Monaten antisemitische Angriffe und Hetze gegeben habe. "Dieser Geist hat in Berlin nichts zu suchen." Ein Verbot des Marsches sei juristisch allerdings nicht möglich. "Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind Grundrechte in unserem Land", so Geisel. Deshalb schütze das Versammlungsrecht auch die, "die für uns nur schwer erträgliche Ansichten vertreten und auf die Straßen tragen".

Und was passiert 2020?

Nach etwa zehn Minuten ist der Al-Kuds-Marsch am Georg-Grosz-Platz vorbei gezogen. Zurück bleiben Gegendemonstranten, die noch minutenlang weiter wild skandieren und sich kaum beruhigen wollen. Doch schließlich kehrt Ruhe ein, auch die Musik wird leiser gestellt. Für dieses Jahr ist der Marsch Geschichte. Ob er im nächsten Jahr wieder zum Ende des Ramadans stattfinden wird, darüber streiten die Politiker schon jetzt.