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Fluch und Segen des Internets beim Attentat

Christian Wolf23. Juli 2016

Schnelle, aber ungeprüfte Infos: Dadurch zeichnen sich soziale Medien in Notfällen aus. Noch während der Schießerei in München kursierten falsche Bilder und Standorte der Polizei im Netz. Es gab aber auch positive Dinge.

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Deutschland #München auf einem iPhone
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Noch bevor die ersten Fernsehsender aktuell aus München berichten konnten, gab es am Freitagabend schon ein Medium, in dem die Schießerei das Topthema war: via Twitter oder Facebook breitete sich die Nachricht von einem Vorfall im Olympia-Einkaufszentrum rasend schnell in den sozialen Medien aus. Wie bei vorhergehenden Attentaten in Nizza oder Orlando wurde auch im Fall München deutlich, dass das Netz als Echtzeit-Medium auch Gefahren birgt.

Doch erst einmal zu den positiven Effekten. Noch während in der bayerischen Landeshauptstadt schwer bewaffnete Polizisten nach möglichen Tätern suchten, gab es am Freitagabend von allen Seiten großes Lob für die Informationsarbeit der Münchner Polizei im Netz. Über ihren Twitter-Account versuchten die Beamten, größtmögliche Transparenz herzustellen. Sowohl Bürger als auch Journalisten nutzten die Tweets als Quelle. Meldungen über Opferzahlen oder aktuelle Statusberichte wurden tausendfach geteilt. Und durch die mehrsprachigen Nachrichten auf Englisch, Französisch und Türkisch konnte eine möglichst breite Zielgruppe erreicht werden. Gewürdigt wurde die Arbeit mit vielen Danksagungen an die Polizei – auch von Kollegen:

Suche nach Schlafplätzen

Neben den Hashtags #muenchen und #oez (für das Olympia-Einkaufszentrum) wurde ein weiteres Stichwort bei Twitter verbreitet: #offenetür. Auf die unsichere Lage nach dem Anschlag reagierten Internetnutzer mit Hilfsangeboten für verängstigte oder gestrandete Menschen. Mit dem passenden Hashtag konnten User über den Kurznachrichtendienst Unterschlupf und Schlafplätze finden oder gewähren.

Auch Facebook reagierte und aktivierte den "Safety Check" ("Sicherheitscheck") für München. Damit konnten User ihren Freunden mitteilen, dass sie in Sicherheit sind. Bereits nach den Terroranschlägen von Nizza oder Paris hatte das soziale Netzwerk die Funktion genutzt.

Fake-Bilder wurden verbreitet

Doch auch die Schattenseiten des Internets wurden schnell sichtbar. Kaum hatten sich die ersten – noch vagen – Meldungen von einer Schießerei verbreitet, gab es bei Twitter schon angebliche Bilder aus dem Einkaufszentrum. Tote und Verletzte waren darauf zu sehen. Ungeprüft wurden die Fotos verbreitet – sogar von einem Fernsehsender. Doch wie so oft in solchen Fällen stellten sich die Aufnahmen als alt oder gefälscht heraus.

Polizei will Aufnahmen auswerten

Aber auch echte Aufnahmen vom Tatort kursierten im Netz – sehr zum Unbehagen der Polizei. Die rief die User nämlich immer wieder dazu auf, keine Fotos oder Videos zu posten. Täter sollten auf diesem Weg nicht erfahren, wo die Polizei im Einsatz ist. Der Journalist Richard Gutjahr vom Bayerischen Rundfunk, der sehr nahe am Tatgeschehen war, reagierte später einsichtig.

Trotzdem verbreiteten sich mehrere Videos von Zeugen, die am Tatort aufgenommen wurden. Ein Film zeigte einen Mann, der vor einem Schnellrestaurant zahlreiche Schüsse abgibt. Ein anderes Video zeigte einen Mann, der bewaffnet auf dem Parkdeck eines Parkhauses am Einkaufszentrum herumläuft, mit Passanten spricht und irgendwann Schüsse abgibt. Offenbar war es in beiden Fällen der mutmaßliche Täter. Die Polizei wiederum bat die User, solche Aufnahmen den Ermittlern zur Verfügung zu stellen, um den Ablauf der Tat zu klären.

Besonders ärgerlich für die Polizei sind Videodirektübertragungen in Echtzeit. Mit der App Periscope streamten Passanten zum Beispiel minutenlang, wo die Polizei mit ihren Einsatzkräften rund um das Einkaufszentrum Stellung bezog. Die Übertragung eines Münchners hatte mehr als 850.000 Zuschauer.