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Flüchtlinge aus Griechenland: Abgeordnete machen Druck

19. Dezember 2020

Initiative für Flüchtlinge: Mehr als 200 Bundestagsabgeordnete fordern in einem "Weihnachtsappell", sofort mehr Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen.

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Griechenland Lesbos Moria Flüchtlingscamp Flüchtlinge
Im überbelegten griechischen Flüchtlingslager Kara Tepe kämpfen Flüchtlinge mit den Folgen eines SturmsBild: Panagiotis Balaskas/AP/picture alliance

Sie sind dem Elend entkommen: 88 Flüchtlinge aus griechischen Flüchtlingslagern sind am Donnerstag in Hannover aus einem Flugzeug gestiegen. Heilfroh, denn das bedeutet: Weihnachten in Sicherheit. 19 erkrankte Kinder mit ihren sogenannten Kernfamilien seien es gewesen, teilt das Innenministerium mit. Seit April hat Deutschland 1519 Migranten aus Griechenland aufgenommen. So viel wie kein anderes europäisches Land. Im September hatte sich die Lage auf der griechischen Insel Lesbos für die Flüchtlinge dort noch einmal verschärft, als das größte europäische Flüchtlingslager Moria abbrannte und tausende Menschen dadurch obdachlos wurden.

Deutschland Hannover | Flüchtlinge aus grieschichen Lagern am Flughafen Hannover
Flüchtlinge aus Griechenland bei ihrer Ankunft in Hannover am DonnerstagBild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Für 246 Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind die 1519 Menschen, die Deutschland bisher aufgenommen hat, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie wollen, dass Innenminister Horst Seehofer mehr Flüchtlinge nach Deutschland holt. Sie erkennen zwar an, dass die deutsche Regierung nach dem Brand im Lager Moria auf Lesbos Hilfsgüter nach Griechenland geschickt und insgesamt schon viele Menschen aufgenommen habe: "Diese begrüßenswerten Aufnahmen der Bundesregierung reichen noch nicht aus. Deswegen fordern wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Bundesregierung auf (…), die Aufnahme Geflüchteter von den griechischen Inseln in Deutschland zu beschleunigen", heißt es in dem Appell, der von Fraktionsmitgliedern aller im Bundestag vertretenen Parteien unterstützt wird außer der rechtspopulistischen AfD. Der Weihnachtsappell liegt der DW vor.

Berlin | Bundestag: Gyde Jensen
"Wir müssen jetzt handeln", fordert die FDP-Menschrechtspolitikerin Gyde JensenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Für eine der Erstunterzeichnerinnen des Weihnachtsappels, die FDP-Politikerin Gyde Jensen, ist die Weihnachtszeit genau der richtige Zeitpunkt für einen mahnenden Appell. Aufrütteln wollten die Unterzeichner sagt sie der DW, denn "die Weihnachtszeit fällt auch in Südeuropa in die Winterzeit". Die menschenunwürdige Situation in den Zeltlagern verschärfe sich: "Wir sehen das: überschwemmte Zelte, frierende Menschen", sagt Gyde. Die Politikerin ist Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages.

In dem Politikerappell heißt es weiter, im Übergangslager Kara Tepe, dem Nachfolgecamp von Moria auf Lesbos, lebten die Flüchtlinge unter "menschenunwürdigen Bedingungen". Es fehlten Duschen und Toiletten, "gewaltsame Übergriffe auch gegen besonders Schutzbedürftige sind an der Tagesordnung". Die Abgeordneten fordern deshalb, dass sich die Bundesregierung für die Einhaltung von menschen- und europarechtlichen Standards einsetze.

"Signal der Solidarität"

Gegenüber der DW spricht der deutsche Vertreter der Flüchtlingsorganisation UNHCR, Frank Remus, von einem wichtigen "Signal der Solidarität mit den Schutzsuchenden in Griechenland". Der fraktionsübergreifende Aufruf der Abgeordneten solle Deutschland auch ermutigen, "damit sich noch mehr Mitgliedsstaaten an den Aufnahmen beteiligen". 19.000 Menschen würden nach wie vor unter "schwierigsten Bedingungen auf den griechischen Inseln" ausharren.

Deutschland Bundestag Host Seehofer
Horst Seehofer bleibt auch in der Weihnachtszeit hartBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Kritik an Innenminister Seehofer - sogar aus den eigenen Reihen

UN-Mann Remus spricht gegenüber der DW auch noch ein anderes Thema an; die "große Aufnahmebereitschaft" vieler deutscher Kommunen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die "politischen Differenzen zwischen Bund und Ländern sollten im Interesse der notleidenden Menschen" schnell überwunden werden. Im Weihnachtsappell der Abgeordneten heißt es dazu: "Wir sehen die Bundesregierung in der Pflicht, den Kommunen und Ländern, die eine menschenwürdige Unterbringung ermöglichen können und wollen, eine Zusage für die Aufnahme zu erteilen." Rund 200 Kommunen und einige Bundesländer hatten sich bereit erklärt, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen.

Doch Innenminister Horst Seehofer, der für diese Fragen zuständig ist, weigert sich vehement. Er will keine kommunale, sondern eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage.

Dabei gerät er nun sogar aus der eigenen CDU/CSU-Fraktion unter Kritik. Viele CDU-Abgeordnete haben den Weihnachtsappell unterschrieben und sogar Entwicklungsminister Gerd Müller redet Klartext. Er hat zwar den Appell nicht unterschrieben, spricht aber in einem Interview von "katastrophalen Zuständen" in den Lagern: Das ganze "schreit zum Himmel".

Der Koalitionspartner der Union, die SPD, will schon lange eine Reform der Flüchtlingspolitik. Die Mitunterzeichnerin und Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Bärbel Kofler, von der SPD spricht gegenüber der DW von einer "solidarischen Aufnahme von Geflüchteten" und sie fordert, dass nun "dringend gehandelt" werden müsse. Die 200 aufnahmebereiten Kommunen stünden für "europäische Verantwortung".

Fromme Wünsche in der Weihnachtszeit

Doch, dass die Flüchtlingsfrage schnell gesamteuropäisch gelöst werden könne, daran haben selbst die Weihnachtsappellierer so ihre Zweifel. Eine europäische Lösung "ist jedoch noch immer nicht in Sicht", schreiben sie kurz vor dem heiligen Fest. Menschenrechtspolitikerin Gyde Jensen fordert von der Bundesregierung, endlich "ein funktionierendes europäisches Asyl- und Migrationssystem". Doch wahrscheinlich bleiben alle Appelle - auch in der Weihnachtszeit - zunächst einmal nur fromme Wünsche.

Neuer Flüchtlingshotspot Kanarische Inseln

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online