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Flüchtlinge retten, Schleuser bekämpfen

Sven Pöhle16. September 2015

Der EU-Einsatz gegen Schlepper im Mittelmeer geht in die nächste Phase. Auch die Bundeswehr soll helfen, mutmaßliche Schleuserboote aus dem Verkehr zu ziehen. Doch es gibt Zweifel am Sinn der Mission.

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Deutsche Marine-Soldaten halten an Bord der Fregatte "Karlsruhe" am 23.12.2008 in Dschibuti an einem Maschinengewehr Wache (Foto: Gero Breloer/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Breloer

Zehntausende Flüchtlinge haben in den vergangenen Monat versucht, von der libyschen Küste nach Italien zu gelangen. Hunderte kamen dabei mindestens ums Leben. Um den gefährlichen Weg über das Meer zu unterbinden, hat sich die EU den Kampf gegen kriminelle Schlepperbanden auf die Fahnen geschrieben, die von den Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa finanziell profitieren.

EUNAVFOR MED heißt die entsprechende EU-Mission im Mittelmeer, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt. Im Mittelpunkt stand bisher die Rettung von Flüchtlingen in Seenot. Nun - in einer zweiten Phase - soll aktiver gegen Schleuser vorgegangen werden.

Flüchtlinge retten, Daten sammeln, Schlepper bekämpfen

Das Bundeskabinett billigte die deutsche Beteiligung an der zweiten Phase der Operation. Für ihren Start hatte der Europäische Rat am Montag grünes Licht gegeben. Sie sieht die militärische Suche nach Schleusern auf Flüchtlingsbooten in internationalen Gewässern vor. Gestellte Schlepper sollen festgenommen werden, aufgebrachte Boote können durchsucht, beschlagnahmt oder umgeleitet werden - notfalls mit Waffengewalt. Gleichzeitig versucht die Bundeswehr weiterhin, den Netzwerken der Schlepperbanden durch Befragungen von Flüchtlingen auf die Spur zu kommen.

Nach bisherigen Planungen will die EU im Kampf gegen die Schleuser sieben Kriegsschiffe, einen Flugzeugträger als Befehlszentrale sowie U-Boote, Drohnen, Hubschrauber und Flugzeuge einsetzen. Welche Länder sich wie an der Mission beteiligen, steht noch nicht fest. Sicher ist, dass sich die Zahl deutscher Soldaten in dem Einsatz nach dem Willen der Bundesregierung von 350 auf 950 erhöhen soll.

Ein Flüchtlingsboot treibt vor der Küste Libyens im Mittelmeer (Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi)
Schlepper an Bord der Flüchtlingsboote auszumachen ist problematischBild: Reuters/D. Zammit Lupi

Notfalls mit Waffengewalt

Auch wie genau mutmaßliche Schlepper identifiziert werden, ihre Boote aufgehalten und wie bei direkten Auseinandersetzungen mit den Kriminellen vorgegangen werden soll, ist noch unklar. Die militärischen Einsatzregeln für den erweiterten Einsatz sollen bis zum 24. September auf EU-Ebene ausgearbeitet werden.

Bei vergleichbaren Missionen würden Bootsinsassen zur Umkehr oder zum Anhalten aufgefordert. So können Soldaten an Bord. Stoppt ein Schiff nicht, könne es zu einem Warnschuss vor den Bug und letztlich zum Betreten eines Schiffes unter Waffengewalt kommen. Dazu seien auch Hubschraubereinsätze denkbar, so der Offizier.

In der Praxis ist die Bekämpfung der Schlepper derzeit allerdings problematisch. Selbst wenn sich Schlepper an Bord eines Schiffes befinden, sind sie nur schwer identifizierbar. Sollte es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen, ist dies kaum möglich, ohne die Flüchtlinge zu gefährden.

In den meisten Fällen lenkt zudem spätestens in internationalen Gewässern nicht mehr ein Schlepper, sondern ein Flüchtling das Boot. Manchmal gibt es auch automatische Steuerungsvorrichtungen. In den kriminellen Netzwerken ist bekannt, dass sich das Einsatzgebiet auch in der zweiten Phase zunächst auf internationale Gewässer beschränkt - von Sizilien im Norden bis kurz vor die Küste Libyens im Süden und die Küste Tunesiens im Westen.

In libysche Hoheitsgewässer dürfen die Schiffe der EU-Mission nicht vordringen. Denn um Fluchthelfer im libyschen Hoheitsgebiet zu bekämpfen, bedarf es eines Mandats der Vereinten Nationen oder der Zustimmung Libyens. Beides fehlt bislang.

Grüne: Falsche Antwort auf Flüchtlingsdrama

Es gehe auch um eine Abschreckungswirkung, schreiben Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu der geplanten Ausweitung des Einsatzes in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden des Bundestags.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter befürwortet die nächste Phase der Mission. Zum einen werde sie "den Aufbau dieser Schleuserkultur beinträchtigen", ist Kiesewetter im Gespräch mit der DW sicher. "Zweitens hilft es uns, näher an Libyen zu rücken, wo zwei Millionen auf die Überfahrt nach Europa warten. Das ist die Vorbereitung einer Mission der EU in Libyen, die uns bevorsteht."

Gerade dies bereitet der Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger Sorge. Ihr zufolge mehren sich die Anzeichen, dass beide libyschen Regierungen ihr Einverständnis für eine EU-Operation im libyschen Hoheitsgebiet geben könnten. "Dann wären wir schnell in einer Art Rutschbahn und in einer riskanten, gefährlichen und völlig falschen Stufe dieser Mission".

Bereits die nun konkret bevorstehende Ausweitung des Einsatzes sei "hochriskant", sagt die Verteidigungspolitikerin im Gespräch mit der DW. "Die Bekämpfung der Schlepper durch das Militär ist die völlig falsche Antwort auf die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer", so Brugger. "Wenn man Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen will, macht man das nicht, indem man sie militärisch bekämpft. Dann werden sie gefährlichere Routen suchen und die Flüchtlinge sind noch größeren Gefahren ausgesetzt. Aus meiner Sicht sind deshalb legale und sichere Einwanderungswege die richtige Antwort."

Der Bundestag muss der erweiterten Mission noch abschließend zustimmen. Grüne und Linke sind zwar dagegen, doch wegen der großen Mehrheit der Koalition gilt eine Zustimmung als sicher.