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Seehofer droht der Kanzlerin

Mathias Bölinger9. Oktober 2015

Bayern will Merkels Flüchtlingspolitik nicht mehr mittragen. Sollte der Bund Flüchtlinge nicht an den Grenzen zurückzuweisen, wolle Bayern selbst tätig werden. Wie, das verriet der bayerische Ministerpräsident nicht.

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Angela Merkel und Horst Seehofer (Hannibal Hanschke/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Hanschke

Seine Attacke gegen die Bundeskanzlerin hatte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bereits mit einem Interview in der Boulevardzeitung Bild eingeleitet. Darin warf er der Bundeskanzlerin vor, mit ihrem berühmt gewordenen Ausspruch "Wir schaffen das", die Flüchtlinge aufgefordert zu haben, nach Deutschland zu kommen. "Es hat jedenfalls die größte Wirkung entfaltet", sagte er auf die Frage, ob die Haltung Angela Merkels ein Fehler gewesen sei.

Am Nachmittag legte er dann noch einmal mit einer Reihe von Forderungen an Berlin nach. Deutschland müsse in Europa wieder das Dublin-Abkommen durchsetzen, forderten Seehofer und sein Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach ihrer Kabinettssitzung. Das Abkommen sieht vor, dass Flüchtlinge nur in dem Land Asyl beantragen können, in dem sie den Schengen-Raum betreten haben. Das ist im Allgemeinen nicht Deutschland. Flüchtlinge müssten demnach an der Grenze aufgehalten und zurückgeschickt werden, fordert die bayerische Landesregierung. Außerdem möchte sie den Familiennachzug begrenzen.

Drohung mit dem Verfassungsgericht

"Sollte der Bund nicht tätig werden, behält sich Bayern vor, eigene Maßnahmen zu ergreifen", drohte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Was genau sie unternehmen werden, falls die Bundesregierung nicht auf ihre Forderungen eingeht, verrieten Seehofer und Herrmann nicht. "Gehen Sie davon aus, dass wir schon wissen, was wir tun würden", sagte Seehofer dazu vor Journalisten. Nur so viel verrieten beide: Bayern erwägt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Der CSU-Politiker Horst Seehofer hat sich bereits vor einigen Tagen an die Spitze der Kritiker in Merkels konservativem Lager gestellt. Mit dem Begriff "Notwehr" hatte er angekündigt, die Politik der Bundesregierung nicht mitzutragen. "Wir gehören nicht zu der Denkschule, die meint, es gebe nunmal eine Völkerwanderung und die müsse man jetzt managen", bekräftigte Seehofer nun in München. Der Ministerpräsident warnte vor steigenden Kriminalitätsraten durch Flüchtlinge und kündigte an, sein Land werde zusätzliches Geld für Polizei und Justiz bereitstellen. Er betonte aber auch, dass Bayern mehr Geld für die Integration ausgeben will. Auf einer Kabinettssitzung in München beschloss man, neue Wohnungen zu bauen und 1700 Lehrer einzustellen. "Bildung ist das Tor zu einer gelungenen Integration", sagte Seehofer. "Aber Integration kann nur gelingen, wenn das Ausmaß der Zuwanderung begrenzt wird."

Grenzkontrolle in Bayern (Bild: dpa)
Nicht nur kontrollieren, sondern auch abweisen soll Deutschland Flüchtlinge nach Seehofers AnsichtBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Auch SPD für Begrenzung

In Berlin wurden Seehofers Attacken schmallippig zur Kenntnis genommen. Sprecher der Bundesregierung und der Ministerien erklärten den Streit zwischen Merkel und Seehofer zu einem parteipolitischen Konflikt, für den sie nicht zuständig seien. Allerdings sprachen sich auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) für eine Begrenzung der Zuwanderung aus. "Trotz der beispiellosen Hilfsbereitschaft der Deutschen müssen wir das Mögliche dafür tun, damit die Zuwanderungszahlen nach Deutschland wieder sinken", schreiben Gabriel und Steinmeier in einem Gastkommentar für das Wochenmagazin "Der Spiegel".

Auch die Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer reagierten kühl auf die Töne Seehofers in den letzten Tagen. Sie tagten zeitgleich mit dem bayerischen Kabinett und traten kurz vor Seehofer vor die Presse. Seehofer war dem Treffen wegen der Münchner Sitzung ferngeblieben. Der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), sagte, die Ministerpräsidenten seien sich einig, "dass wir das wirklich schaffen wollen". Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff, bedauerte die Abwesenheit Seehofers. Er habe aber "zur Kenntnis genommen, dass Bayern eine besondere Belastung hat." Haseloff ist Sprecher der unionsgeführten Bundesländer.