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Auf der Suche nach Heilung

Carla Bleiker28. November 2014

Spanische Ärzte haben erfolgreich einen AIDS-Patienten behandelt, sprechen aber nicht von Heilung. Das Problem: Das HI-Virus kann sich lange im menschlichen Körper verstecken und überraschend wieder ausbrechen.

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Aids-Schleife. (Photo: dpa - Bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa

Hoffnung für die und 35 Millionen Menschen weltweit, die mit dem HI-Virus leben: Ärzte in Spanien haben möglicherweise einen Weg gefunden, AIDS zu besiegen. Ein 37-jähriger Mann, der sich 2009 mit dem HI-Virus infizierte, wurde am Katalanischen Onkologie-Institut behandelt. Er bekam Bluttransfusionen aus den Nabelschnüren von Menschen, die genetisch resistent gegen HIV sind. Diese tragen eine genetische Mutation in sich, die verhindert, dass das HI-Virus in ihre Zellen eindringt.

"Nachdem er die Nabelschnur-Blutspende erhalten hatte, konnten wir beim Patienten kein HIV mehr nachweisen", sagte Rafael Duarte, Direktor des Bluttransfusionsprogramms des Krankenhauses in Barcelona.

Leider konnten die Ärzte beim sogenannten "Barcelona Patient" keine langfristigen Nachuntersuchen durchführen, um zu sehen, ob das Virus auch wirklich endgültig besiegt war - der Mann starb drei Jahre nach der Behandlung an einem Lymphom. Wegen dieser Erkrankung war er ursprünglich Patient in der katalanischen Krebsklinik gewesen.

Demonstrierung eines HIV-Tests an einer Hand. (Photo: KENZO TRIBOUILLARD/AFP/Getty Images)
Regelmäßige Tests sind ein Muss bei anscheinend geheilten HIV-PatientenBild: KENZO TRIBOUILLARD/AFP/Getty Images

Harter Rückschlag

Deswegen ist das Team um Duarte auch sehr vorsichtig mit dem Begriff "Heilung". Schließlich sind regelmäßige Nachuntersuchungen von anscheinend "geheilten" Patienten eine der wichtigsten Komponenten im Kampf gegen AIDS, der Autoimmunkrankheit, die durch HIV ausgelöst wird. Die heimtückische Krankheit kann bei Patienten immer wieder ausbrechen, auch wenn sie Monate oder Jahre lang besiegt erschien.

AIDS-Forscher Ole Schmeltz Sogaard von der Aarhus Universität in Dänemark glaubt ebenfalls, dass eine lange krankheitsfreie Zeit gegeben sein muss, bevor man überhaupt anfangen kann, von Heilung zu sprechen. "Um als von Krebs geheilt zu gelten, muss ein Mensch fünf Jahre krankheitsfrei gewesen sein", sagt Sogaard. "Ähnliches sollte auch für HIV gelten, weil wir wissen, dass etwa ein halbes Jahr nicht ausreicht."

Der Fall eines kleinen Mädchens in den USA hat das schmerzlich bestätigt. Das "Mississippi Baby" wurde 2010 mit HIV von einer HIV-positiven Mutter geboren. Innerhalb weniger Stunden begannen die Ärzte bei dem Säugling mit einer hochaktiven antiretroviralen Therapie, um das HI-Virus zu bekämpfen. Die Familie brach die Behandlung nach 18 Monaten ab, zehn Monate später zeigte das Blutbild des Mädchens keinerlei Zeichen des Virus oder seiner Antikörper. Die frühe Behandlung schien ausgereicht zu haben, HIV zu besiegen.

Aber im Juli 2014, nach 27 Monaten ohne Medikamente, wurde die Hoffnung, den perfekten Behandlungsweg gegen Aids gefunden zu haben, zerstört. Bei einer Routine-Nachuntersuchung sahen Ärzte, dass die Virenanzahl im Blut des Kindes stark angestiegen war. Außerdem waren die Parameter für ein regulär funktionierendes Immunsystem geringer als normal.

USA Hannah Gay Ärztin. (Photo: AP Photo/ University of Mississippi Medical Center, Jay Ferchaud)
Kinderärztin Hannah GayBild: picture alliance/AP Photo

Die Rückkehr der Krankheit kam aus heiterem Himmel. Hannah Gay, eine Kinderärztin am University of Mississippi Krankenhaus, die das Mädchen behandelte, sagte, die Entdeckung habe sich angefühlt wie "ein Schlag in die Magengrube."

Ärzte und Wissenschaftler hatten große Hoffnungen in die scheinbar wirksame Heilungsmethode gesetzt und bereits begonnen, Pläne für die Ausweitung der Behandlung auf andere HIV-positive Kinder zu schmieden. Jetzt müssen sie von vorne anfangen.

"Kick and kill"

Das Problem ist, dass das HI-Virus sich in Zellen "versteckt", so dass Ärzte es nicht sehen oder messen können. Auch Medikamente können so auf das Virus nicht wirken. Das Mississippi Baby wird nun, da das Virus in seinem Blut wieder aufgetaucht ist, erneut mit Medikamenten behandelt.

Das ist nötig, weil die ursprüngliche Behandlung die versteckten Viruszellen nicht erreicht hat. Sie konnten ungestört im Körper lagern und die Krankheit plötzlich wieder auslösen. Sogaard und seine Kollegen an der Aarhus Universität haben möglicherweise einen Weg entdeckt, dieses Problem zu lösen.

Der Name ihrer Methode: "kick and kill", frei übersetzt etwa "rauswerfen und töten".

Wenn ein HIV-positiver Patient auf die antiretrovirale Behandlung gut anspricht, kann man in seinem Plasma keine Rückstände des Virus' messen, aber HIV ist trotzdem noch in seiner DNA, so Sogaard: "Das nennen wir 'ruhende Infektion. Wenn der Patient dann aufhört, seine Medikamente zu nehmen, würde das Virus sich wieder reaktivieren." Deswegen ist zur Zeit eine lebenslange Behandlung mit Medikamenten notwendig, um das Virus in Schach zu halten. Mit "kick and kill" könnte das bald Vergangenheit sein.

"Das Immunsystem erkennt den Unterschied zwischen einer Zelle mit HIV in ihrer DNA und einer HIV-freien Zelle nicht", sagte Sogaard. "Wenn man aber das Virus aus seinem Versteck jagen kann, erkennt das Immunsystem das Problem und kann die Zellen abtöten. Der Trick ist also, dass Virus aus der DNA herauszuwerfen und an die Oberfläche der Zelle zu bringen, so dass diese erkannt und getötet werden kann."

Optimistischer Blick in die Zukunft

Der HIV-Forscher arbeitet noch an einem Medikamentenmix, der sowohl den Rauswurf des Virus' als auch die Abtötung der kranken Zellen vorantreibt. Bisher haben er und seine Kollegen nur mit Mischungen gearbeitet, die entweder das eine oder das andere tun. Wenn sie ihr Ziel erreichen, könnte "kick and kill" auf der ganzen Welt gegen HIV/AIDS eingesetzt werden. Sogaard sagt, dass die Methode gut erweiterbar und auch für Entwicklungsländer geeignet ist. Das ist ein wichtiger Punkt, weil das Virus auf dem Afrikanischen Kontinent weiter verbreitet ist als irgendwo sonst auf der Welt.

Pflegerin schiebt eine Frau im Rollstuhl durch eine Klinik. (Photo: picture alliance/ Yannick Tylle)
Auch Kliniken wie diese in Uganda könnten vom Erfolg der "kick and kill" Methode profitierenBild: picture alliance/Yannick Tylle

Sogaard setzt große Hoffnungen in sein Projekt - und in die Zukunft des Kampfs gegen AIDS: "Mit dem Wissen, das wir jetzt haben, gibt es für mich keinen Grund zu glauben, dass wir die Krankheit innerhalb von fünf bis zehn Jahren besiegen werden. Aber ich bin optimistisch und ziemlich sicher, dass wir unser Ziel erreichen werden: HIV heilen zu können."