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PolitikAfrika

Zukunft des Mali-Einsatzes ungewiss

16. September 2021

Die Militärjunta von Mali könnte in Zukunft Hilfe von russischen Söldnern bekommen. Jetzt stellt sich für Berlin erst recht die Frage nach dem Sinn des Bundeswehreinsatzes.

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Verteidigungsministerin von der Leyen in Mali
Bundeswehrsoldat im Norden MalisBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die malische Militärregierung verhandelt offenbar mit russischen Söldnern über eine Unterstützung. Sollte daraus eine Zusammenarbeit werden, "stellt das die Grundlagen des Mandats der Bundeswehr für MINUSMA und EUTM in Frage und gemeinsam mit dem Bundestag müssten wir Konsequenzen ziehen", warnt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Minusma und EUTM sind internationale Einsätze, an denen auch die Bundeswehr beteiligt ist. Minusma steht unter Aufsicht der Vereinten Nationen und soll den Norden des Landes stabilisieren, wo islamistische Rebellen immer wieder versuchen, die Gegend unter ihre Kontrolle zu bringen. Er gilt als gefährlichster Einsatz überhaupt für die Bundeswehr.

EUTM ist eine Ausbildungsmission der EU, im Moment unter deutscher Führung. Die Streitkräfte Malis und der angrenzenden Staaten Mauretanien, Niger, Burkina Faso und Tschad sollen dadurch in die Lage versetzt werden, selbst für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. In Afghanistan, das die Bundeswehr Ende Juni Hals über Kopf verlassen hat, war dieses Ziel allerdings desaströs gescheitert: Das 20 Jahre lang ausgebildete und aufgerüstete Militär hatte kaum Widerstand gegen die Taliban geleistet.

Infografik Karte Hunderte von Anschlägen jeden Monat Mali, Burkina Faso, Niger Grenzregion DE
Die internationalen Einsätze in der Sahelzone gelten vor allem dem Kampf gegen islamistische Gruppen

In Mali gibt es außerdem die französische Anti-Terror-Operation "Barkhane" und Operationen der G5-Sahelstaaten. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ist mit Abstand der wichtigste ausländische Einzelakteur in Mali. Wegen ausbleibender Erfolge und nach mehr als 50 Todesopfern überlegt die französische Regierung aber, fast die Hälfte der rund 5100 Soldaten aus Mali abzuziehen.

"Man kann nicht von Fortschritten sprechen"

Am Erfolg der internationalen Mission bestehen seit langem Zweifel, nicht erst, seit Parallelen zu Afghanistan gezogen werden. Thomas Schiller, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Westafrika, kommt zu dem Ergebnis: "Trotz jahrelanger internationaler Aktionen, trotz der Ausbildung der malischen Streitkräfte bleibt der malische Staat sehr schwach und sind die malischen Truppen zum großen Teil ineffizient." Man könne "einen Einsatz nicht ewig fortsetzen, der keinen Erfolg hat". Ähnlich sieht es der Sicherheitsexperte Markus Kaim von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Bei den entscheidenden Zielen Ausbildung der Sicherheitskräfte, Terrorismusbekämpfung und Stabilisierung des Landes "kann man nicht von Fortschritten sprechen".

Symbolbild | Amnesty: Kinder leiden unter Terror in Westafrika
Menschen fliehen vor der Gewalt durch IslamistenBild: imago images/Joerg Boethling

Von politischen Zielen einer Demokratisierung scheint sich die deutsche Politik nach Afghanistan ohnehin verabschiedet zu haben. Außenminister Heiko Maas sagte nach dem Taliban-Sieg, Militäreinsätze seien nicht geeignet, "um langfristig eine Staatsform zu exportieren". Auch Markus Kaim glaubt, das sei "auf absehbare Zeit" vom Tisch, "weil die Bilanz nach Afghanistan einfach zu ernüchternd ist".

Putsch der westlich ausgebildeten Militärs gegen die eigene Regierung

Demokratieexport stand in Mali allerdings auch nie im Vordergrund. Der CDU-Politiker Johann Wadephul beschreibt das Interesse Deutschlands so: "In Mali und der gesamten Sahelzone geht es um die Sicherheit Europas." Europa sei unmittelbar betroffen von den Risiken der Region, "vom internationalen islamistischen Terror über die organisierte Kriminalität bis hin zu großen Migrationsbewegungen".  

Katja Keul von den Grünen unterscheidet: Der MINUSMA-Einsatz der Vereinten Nationen sei "legitim, durchaus realistisch und teilweise erfolgreich", schränkt jedoch ein, eine Befriedung der Konflikte allein dadurch sei nicht zu erwarten. Dagegen könne die Ausbildungsmission EUTM gar keinen Erfolg haben, "da wir nicht wissen, wo die ausgebildeten Kämpfer verbleiben und wem sie am Ende dienen". Entsetzt sind Wadephul und Keul, dass die von der EU ausgebildeten Soldaten in Mali bereits zweimal gegen die eigene Regierung geputscht haben. "Diese Mission darf so nicht weiter fortgeführt werden", fand Keul bereits vor der Meldung, dass das malische Militär jetzt mit russischen Söldnern verhandelt.

Mali | Amtseinführung Interimspräsident Assimi Goita
Heikel für Berlin: Militärführer Assimi Goita (Mitte, bei seiner Vereidigung zum Interimspräsidenten) hat sich an die Macht geputscht - seine Soldaten wurden durch die EU ausgebildetBild: Annie Risemberg/AFP/Getty Images

Die Söldner gelten als äußerst brutal

Bei den Söldnern geht es um die russische Militärfirma Wagner. Die Gruppe soll in Syrien, Libyen, der Ukraine, Mosambik und der Zentralafrikanischen Republik gekämpft haben. Ihr wurden in der Vergangenheit Folter und extrem gewaltsames Vorgehen vorgeworfen. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian nennt sie "eine Miliz, die in der Vergangenheit (...) mit Misshandlungen und allerlei Verstößen bewiesen hat, dass sie kein Teil einer Lösung und daher mit unserer Präsenz unvereinbar ist".

Die malischen Behörden haben Verhandlungen mit der russischen Gruppe eingeräumt, betonen aber, dass "noch nichts unterschrieben ist".

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow reagierte ausweichend auf Vorwürfe, die Söldnertruppe stehe in Verbindung zur russischen Regierung. Der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge sagte er: "Es gibt dort (in Mali, d. Red.) keine Vertreter der russischen Armee." Moskau führe zudem keine offiziellen Verhandlungen mit der Militärführung in Mali. Russland stehe aber in Kontakt mit afrikanischen Ländern, auch über das Militär. Peskow hatte einmal allgemein zur Frage russischer Söldnerheere gesagt: "Es gibt private Sicherheitsfirmen, aber laut Gesetz keine privaten Militärfirmen."

Die Bundeswehr ist nicht allein in Mali

"Wenn Malis Regierung mit Russland solche Vereinbarungen trifft, widerspricht das allem, was Deutschland, Frankreich, die EU und die UN in Mali seit acht seit acht Jahren leisten", kommentierte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Meldung.

Kanzlerin Merkel in Afrika
Merkel 2019 bei einem Besuch der Bundeswehr in Mali - ihre Bewertung des Einsatzes sieht heute möglicherweise anders ausBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Noch denkt man in Berlin offenbar nicht an einen Abbruch der Mission, auch deshalb, weil sie international eingebettet ist, so der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul: "Da wir im EU-Rahmen sowie aufgrund von UN-Beschlüssen dort sind, setzt jede neue Entscheidung eine Abstimmung auf internationaler Ebene voraus. Die Notwendigkeit zur Bekämpfung des islamistischen Terrors und zur Stabilisierung der Staaten in der Sahel-Zone bestehen in jedem Fall fort."

Doch der Bundesregierung stecken die bitteren Erfahrungen in Afghanistan in den Knochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach dem demütigenden Ende des westlichen Einsatzes dort eine gründliche Aufarbeitung zugesagt. Von den Ergebnissen werde "abhängen, welche politischen Ziele wir uns realistischerweise für zukünftige und für aktuelle weitere Einsätze im Ausland setzen dürfen".

Ein Ende des Mali-Einsatzes hatte sie nicht gefordert. Aber die Zweifel an seinem Sinn bestehen schon länger. Sollte die malische Militärregierung tatsächlich mit einer russischen Söldnergruppe ins Geschäft kommen, könnte das in Berlin endgültig das Fass zum Überlaufen bringen.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik