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Politik

Der Kampf gegen Upskirting

Julia Lasica | Victor Weitz hin
1. September 2019

Frauen heimlich unter dem Rock fotografieren - das ist in Deutschland bisher nicht explizit verboten. Zwei junge Frauen wollen das ändern. Sie fordern, dass Upskirting ein Straftatbestand werden muss.

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Symbolbild Upskirting
Bild: picture-alliance/Captital Pictures/R. Gold

Bei über 550 Frauen soll ein Mann in Madrid voyeuristisch den Intimbereich gefilmt haben - mit einer unter den Rock gehaltenen Handykamera. Solche Übergriffe nennt man Upskirting. Etliche Aufnahmen lud der Mann auf Pornoseiten hoch. Die Taten des inzwischen verhafteten 53-Jährigen machten in ganz Europa Schlagzeilen.

Verboten ist Upskirting aber in vielen europäischen Ländern nicht, Deutschland eingeschlossen. Zwei junge Frauen aus dem baden-württembergischen Ludwigsburg wollen das ändern. Die 25-jährige Ida Marie Sassenberg und die 28-jährige Hanna Seidel kämpfen dafür, dass Upskirting ein Straftatbestand wird.

Hanna Seidel hat diese Form der Belästigung selbst erlebt. "Das Schlimme ist, dass Sie möglicherweise gar nicht merken, wenn Sie unter dem Rock fotografiert werden", erzählt sie im Gespräch mit der DW. "Es kann auf einer Rolltreppe passieren, im Supermarkt, in der U-Bahn oder bei einem Konzert. Und Sie wissen nicht, was mit Ihren Fotos passiert. Landen die auf Pornoseiten oder Internetforen und befriedigt jemand seine Lust, indem er Sie ansieht?"

Hanna Seidel und Ida Marie Sassenberg
Kämpfen für einen neuen Straftatbestand: Hanna Seidel und Ida Marie SassenbergBild: David Lampe

Mit 13 Jahren wurde Hanna Seidel zum ersten Mal Opfer von Upskirting, während eines Klassenausflugs in ein Naturschutzgebiet, durch den Lehrer einer anderen Schule. Beim zweiten Mal war sie 16 und bei einem Konzert. Ein Mann fotografierte unter ihrem Rock und verschwand in der Menge.

Sich zu wehren ist schwierig - damals wie heute. Die Betroffene müsste sofort reagieren, dem Täter das Smartphone entreißen und die Polizei rufen. Das ist eine gewaltige Herausforderung, vor allem für einen Teenager.

In einigen Ländern wie Australien, Neuseeland und Schottland gibt es Gesetze gegen solche Übergriffe. Upskirting wurde Anfang des Jahres auch in England und Wales unter Strafe gestellt, nachdem über 110.000 Menschen eine Online-Petition unterschrieben hatten.

Als Hanna Seidel und Ida Marie Sassenberg davon erfuhren, starteten sie eine ähnliche Petition. Bisher haben sie knapp 90.000 Unterschriften gesammelt. "Uns ist die öffentliche Resonanz wichtig, um eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen", sagt Hanna Seidel.

Eine Lücke im Strafrecht

Die Petition hat eine Debatte in Deutschland angestoßen und findet auch in juristischen Kreisen Resonanz.

Das Sexualstrafrecht ist 2016 nach den massenhaften sexualisierten Übergriffen in der Silvesternacht in Köln reformiert worden, erklärt Rechtsanwalt Christian Solmecke. Seitdem gibt es zum Beispiel den Paragraphen 184i Strafgesetzbuch (StGB). Er stellt belästigende Berührungen unter Strafe - allerdings gibt es beim Upskirting meist keinen Körperkontakt, dementsprechend greift die Regelung nicht.

Spanien Mann soll Hunderten Frauen unter die Röcke gefilmt haben
Über 550 unerlaubte intime Fotos - in Madrid hat die Polizei einen mutmaßlichen Täter festgenommenBild: AFP/Spanish Police

In Betracht kommen könnte auch der relativ junge Paragraph 201a StGB, der Persönlichkeitsrechte schützen soll. Danach wird belangt, wer etwa in einer Toilette oder einer Umkleidekabine heimlich intime Körperteile aufnimmt. Der juristische Haken hier: Upskirting begehen Täter in der Regel nicht in geschlossenen Räumen, sondern in voller Öffentlichkeit.

Die Fallstricke des deutschen Strafrechts illustrierte Rechtsanwalt Solmecke in der Fernsehsendung Stern TV anhand der Geschichte des Bürgermeisters einer bayerischen Kleinstadt, der unerlaubt Intimfotos von Frauen auf Rolltreppen machte. Die Polizei fand über hundert solcher Aufnahmen bei ihm - das damals noch amtierende Stadtoberhaupt musste 750 Euro Bußgeld wegen "Belästigung der Allgemeinheit" zahlen.

"Zieht doch einfach Hosen an"

Ida Sassenberg und Hanna Seidel möchten erreichen, dass Täter härter bestraft werden. Auf ihre Petition bekommen sie unterschiedliche Reaktionen. Das sind einerseits "Briefe von Frauen, die sich endlich ernst genommen fühlen. Die sind vorher ausgelacht worden, denen wurde gesagt: Dann tragt doch keinen Rock", berichtet Ida Sassenberg. Andererseits erreichten sie auch hasserfüllte Mails, die sinngemäß sagen: "Ihr seid so eklig, euch will doch sowieso keiner unter dem Rock fotografieren."

Thumbnail: Stop Skirting Thelssue
Stop Skirting The Issue! Hört auf, das Thema zu umgehen! fordern AktivistinnenBild: DW

Diese verbalen Angriffe abzuwehren, sei nicht das, was sie antreibe, erklärt die junge Frau. Sie motiviere vielmehr das Schicksal der Betroffenen: "Es lässt mich nicht gleichgültig, wenn mir eine 14-Jährige schreibt, dass es ihr schon passiert ist, dass es an ihrer Schule öfter passiert und die Lehrer sagen: 'Dann zieht doch keinen Rock an!' Es macht mich wirklich wütend, wenn wir solche jungen Frauen allein lassen."

Die Online-Petition hat auch die Aufmerksamkeit von AfD-Politikern geweckt, die sie für ihre Zwecke nutzen wollen. Sie behaupten, dass solche Übergriffe nur Migranten begehen, keine Europäer. Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel halten das für Quatsch. "Bei mir waren es zum Beispiel zwei deutsche Männer", erinnert sich Hanna Seidel, "einmal ein Lehrer und einmal sogar ein Rechtsradikaler." Außerdem fehlten Fallzahlen - es gibt keine Kriminalstatistik zu Upskirting, da es den Straftatbestand bisher nicht gibt.

Mittlerweile wollen einige Bundesländer im Bundesrat, der deutschen Länderkammer, einen Gesetzentwurf gegen das Upskirting vorbereiten. Die Initiative tragen Baden-Württemberg und Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Wie viele Unterschriften hoffen die beiden Frauen zu bekommen, um ihrerseits beim Justizministerium ausreichend Druck für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts aufzubauen? Dafür gebe es keine feste Zahl, sagen Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel. Aber 100.000 Unterstützer seien sicher gut, um an die entscheidenden Türen klopfen zu können. "Wir werden weiterkämpfen - bis wir gewinnen."