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Fußballfunktionärinnen: Allein unter Männern

Ronny Blaschke
16. Juni 2019

Mehr als 95 Prozent der Führungsposten im Fußball werden von Männern besetzt. Viele Verbände und Vereine sträuben sich gegen Geschlechterquoten. Norwegen zeigt, dass es auch anders geht.

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Karen Espelund
Bild: Getty Images/H. Cunningham

Karen Espelund hatte schlaflose Nächte. Sie entwickelte Ideen, Themen, neue Ansätze, aber oft stieß sie auf Widerstände. Vor mehr als dreißig Jahren war Espelund die erste Frau im Vorstand des norwegischen Fußballverbandes. "Ich wollte nicht das Maskottchen der Männer sein", sagt sie der DW. "Leider müssen Frauen in Gremien immer wieder ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Man muss hart arbeiten und besser vorbereitet sein." Espelund setzte sich durch, erzeugte Sichtbarkeit für Frauen. 1999 wurde sie Generalsekretärin des norwegischen Verbandes. Zwischen 2012 und 2016 saß sie im Exekutivkomitee der Uefa.

Noch immer ist Karen Espelund eine von wenigen Ausnahmen. Nur 3,7 Prozent der Führungspositionen im europäischen Spitzenfußball werden von Frauen besetzt, so eine Studie des internationalen Netzwerkes "FARE" (Football Against Racism in Europe). In den Klubs der Bundesliga, im DFB und in der Deutschen Fußball-Liga sitzen knapp 250 Personen in Aufsichtsräten, Präsidien und Vorständen. Mehr als 95 Prozent: Männer. Wie können Fußballmanager von Demokratie schwärmen, wenn eine Hälfte der Bevölkerung nicht mal ansatzweise repräsentiert wird?

Eine Frau verantwortet die norwegischen Nationalteams

Karen Espelund profitierte Ende der 1980er Jahre von einer Frauenquote im norwegischen Verband. Inzwischen müssen mindestens zwei Frauen im Vorstand sitzen. Aktuell sind es vier Männer und vier Frauen. "Ob bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, bei Ausschreibungen oder Wahlperioden: Häufig suchen wir nach Personen, die uns ähnlich sind", sagt Karen Espelund. "Eine Quote kann traditionelle Strukturen brechen. Diversität führt zu den besten Ergebnissen in jeder Organisation."

Auch dank Espelund ist der norwegische Verband in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit weiter als andere Organisationen der Branche. Die ehemalige Spielerin Lise Klaveness ist für sämtliche Nationalteams verantwortlich. Nationalspielerinnen erhalten seit 2017 die gleichen Prämien wie ihre männlichen Kollegen. Und dennoch wird die Debatte intensiv weiter geführt, etwa durch Weltfußballerin Ada Hegerberg, die eine "jahrelange Benachteiligung" gegenüber männlichen Spielern beklagte und deshalb nicht mehr für das norwegische Nationalteam spielen möchte. In den meisten anderen Ländern findet eine solche Debatte gar nicht erst statt.      

UEFA CL-Finale Frauen | Lyon  v Barcelona | Torjubel Ada Hegerberg
Weltfußballerin Hegerberg spielt nicht mehr für NorwegenBild: picture-alliance/empics/T. Goode

Es dauerte lange, bis andere Verbände dem norwegischen Modell folgten. Die Fifa wünscht sich für sein Führungsgremium mindestens sechs Frauen. Sie hält sich jedoch mit Forderungen und Empfehlungen gegenüber ihren mehr als 200 Mitgliedsverbänden zurück. Der DFB hat nur eine Frau in seinem Präsidium, Hannelore Ratzeburg, und die ist zuständig für Mädchen und Frauenfußball.

Initiativen wie das Leadership-Programm sind selten

Auch wegen der gesetzlichen Quote ist der Frauen-Anteil in Führungspositionen der Wirtschaft gestiegen: In Ostdeutschland auf 44 Prozent, im Westen auf 27 Prozent. Und im Fußball? Anfang 2018 kandidierte beim Bundesligisten FSV Mainz 05 die Juristin Eva-Maria Federhenn für den Vorstandsvorsitz. Etliche Fans sprachen ihr die Kompetenz ab, weil sie eine Frau sei. Solche Äußerungen seien keine Seltenheit, sagt Katharina Dahme. Die Aufsichtsratschefin beim Regionalligisten SV Babelsberg wurde mal in einem VIP-Raum von einem Funktionär des gegnerischen Klubs kritisch gemustert. "Ich habe gesagt, dass ich Mitglied im Aufsichtsrat bin", berichtet Dahme. "Dann war er sehr erschrocken und hat deutlich gemacht, dass Frauen im Fußball nichts zu suchen hätten."

In den ersten vier deutschen Ligen sind Katharina Dahme und Sandra Schwedler beim FC St. Pauli die einzige Frauen, die an der Spitze von Aufsichtsräten stehen. Maßnahmen für eine größere Vielfalt sind selten: Der DFB hatte 2016 mit dem Deutschen Olympischen Sportbund ein so genanntes "Leadership-Programm" gestartet. 24 Frauen wurden mit Führungsaufgaben vertraut gemacht. Einige der 21 Landesverbände im Fußball haben danach eigene Programme entwickelt.

Katharina Dahme findet, dass sich auch die großen Klubs öffnen sollten. Noch haben engagierte Frauen in deren Gremien den Status von Exotinnen, und so geben sie den Druck manchmal auch untereinander weiter. "Manche Klubs geben sich vielleicht schon zufrieden mit einer Frau im Gremium", sagt Dahme. "Aber wir sollten nach mehr Kandidatinnen suchen. Oft sind Frauen eher skeptisch und müssen anders ermuntert werden. Männer dagegen sind oft überzeugt, dass sie das können."

Pionierin im israelischen Fußball

Seit September 2018 erzeugt eine Wanderausstellung Aufmerksamkeit für Frauen im Fußball, ihr Titel: „Fan.Tastic Females. Football Her Story". Die Fotos und Kurzfilme porträtieren mehr als achtzig Frauen aus 21 Ländern: Ultras, Aktivistinnen, Führungskräfte. Zwischen dem 15. und 30. Juni wird die Ausstellung in Jena gezeigt, danach in Darmstadt, Rostock und Düsseldorf. "Das Projekt nimmt unsere Leidenschaft in allen Facetten ernst", sagt die Israelin Daphna Goldschmidt, eine der Porträtierten mit einer seltenen Biografie im Fußball. 

Daphna Goldschmidt
Daphna Goldschmidt leitet einen israelischen ZweitligistenBild: DW/R. Blaschke

Mit Anfang zwanzig gehörte Daphna Goldschmidt 2007 zu den Gründerinnen ihres Vereins. Sie besuchte jedes Spiel von Hapoel Katamon Jerusalem. Sie sang, klatschte, hüpfte auf der Tribüne, wurde zu einem der einflussreichsten Vereinsmitglieder. Doch sie zögerte mehr als drei Jahre, um für den Vorstand zu kandidieren. "Das einzige, was mich davon abhielt, war die Angst, nicht gewählt zu werden und keinen Erfolg zu haben", sagt Goldschmidt. Vor einem Jahr wurde Daphna Goldschmidt dann zur Vorsitzenden von Hapoel Katamon Jerusalem gewählt. Als erste Frau führt sie einen Profiverein in Israel. "Das öffnet vielleicht auch anderen Frauen die Tür, die möglicherweise gar nicht glauben, dass ein solcher Weg möglich ist."

Hapoel Katamon hat sich in den vergangenen Jahren aus der fünften in die zweite Männerliga vorgearbeitet, aber Goldschmidt beschreibt lieber die sozialen Projekte: Sprachkurse für Einwanderer, Turniere für jüdische und muslimische Jugendliche. Goldschmidt hat es nicht immer leicht, zum Beispiel bei Treffen mit Funktionären anderer Vereine. "Es ist immer noch seltsam, in einem Konferenzraum die einzige Frau zu sein", erzählt sie. "Manchmal sagt mir jemand, ich hätte diese oder jene Entscheidung nur getroffen, weil ich eine Frau bin. Dann entgegne ich: Haben Sie ein Argument, das relevanter ist?" Eine Antwort erhält sie darauf in der Regel nicht mehr.