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Infantino droht mit TV-Blackout bei Frauen-WM

2. Mai 2023

Im Poker um die Vergabe der Fernsehrechte für die Frauenfußball-WM 2023 in Neuseeland und Australien fährt FIFA-Präsident Gianni Infantino die Ellbogen aus.

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Gianni Infantino hebt bei einer FIFA-Sitzung in Shanghai mit ausgestreckten Armen beide Hände
Gianni Infantino erhöht den Druck auf die Bieter für die TV-Rechte an der Frauen-WM in Australien und NeuseelandBild: picture alliance/dpa/XinHua

Gianni Infantino pokert hoch. Der Präsident des Fußball-Weltverbands FIFA verstößt gegen ein ungeschriebenes Gesetz der Finanzwelt: Bei laufenden Verhandlungen bewahrt man normalerweise Stillschweigen, und auf keinen Fall nennt man Details der Angebote. Der FIFA-Chef dagegen wetterte auf Instagram gegen die europäischen Bieter für die Fernsehrechte an der Frauen-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August). Die Angebote der Sender in den europäischen "Big 5"-Ländern lägen "20 bis 100 (!) mal niedriger" als für die WM der Männer, schrieb Infantino und nannte auch konkrete Zahlen: Während die Rundfunkanstalten für die Übertragungsrechte des Männerturniers 100 bis 200 Millionen Dollar zahlten, böten sie für das Turnier der Frauen nur eine Million bis 10 Millionen US-Dollar.

"Dies ist ein Schlag ins Gesicht all der großartigen Spielerinnen der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft und aller Frauen weltweit", so der FIFA-Chef: Sollten die Sender bei ihren Angeboten nicht noch nachlegen, "sehen wir uns gezwungen, die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft nicht in die 'Big 5' der Länder Europas zu übertragen". Bei einer Veranstaltung der Welthandelsorganisation WTO in Genf erwähnte Infantino explizit Deutschland, Großbritannien und Italien. 

ARD: "Marktgerechtes Angebot"

Die FIFA hatte die TV-Rechte an der Frauen-WM erst im Januar ausgeschrieben - erstmals separat und nicht wie bisher im Paket mit einer Männer-WM. Bis zum 14. Februar mussten die Sender die Gebote beim Weltverband einreichen. Wie Axel Balkausky, Sportkoordinator der ARD, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte, legten die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF der FIFA ein "marktgerechtes Angebot" vor. "Der Marktwert kann unter Umständen erheblich von der preislichen Erwartungshaltung der Rechtevermarkter abweichen", ergänzte das ZDF gegenüber dem Magazin "Stern".

2022 war das Finale der Europameisterschaft in England zwischen den deutschen Fußballerinnen und den Gastgeberinnen (1:2) in Deutschland die meistgesehene Sportsendung des Jahres gewesen. Durchschnittlich 17,9 Millionen Menschen hatten die Live-Übertragung der ARD eingeschaltet. FIFA-Chef Infantino wies bei der WTO-Veranstaltung in Genf darauf hin, dass in Deutschland nicht die WM-Spiele der Männer die beste Einschaltquote gehabt hätten, sondern das EM-Finale der Frauen: "Ich verstehe nicht, warum die deutschen Sender uns 30-, 40-mal weniger bieten als für die Männer-WM." Auf Instagram erinnerte Infantino die öffentlich-rechtlichen Sender an deren seiner Meinung nach bestehende "Pflicht, den Frauensport zu fördern und in diesen zu investieren".

Pokern auf beiden Seiten?

Doch nicht nur die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privaten deutschen Fernsehsender haben bisher offenkundig kein Angebot auf den Tisch gelegt, das den Vorstellungen des im März für vier weitere Jahre wiedergewählten FIFA-Chefs aus der Schweiz entsprach. Charly Classen, Sportchef des Senders Sky, sagte in einem Interview mit dem "Stern", der Fußball der Frauen wachse schnell, das Potenzial sei riesig: "Die FIFA will das nutzen und ruft Preise auf, die aktuell niemand auf dem Markt zahlen will. Deshalb wird weiter gepokert, auf beiden Seiten."

Infantino verkauft sich seit dem FIFA-Kongress in Kigali als Vorkämpfer für Equal Pay. Die Einnahmen aus den Übertragungsrechten würden zu 100 Prozent in den Frauenfußball fließen, "um Maßnahmen für gleiche Bedingungen und gleiche Bezahlung zu fördern", schrieb er auf Instagram: "Wir haben unseren Teil getan: Die FIFA hat das Preisgeld [für die Frauen-WM - Anm. d. Red.] auf 152 Millionen US-Dollar erhöht, das ist das Dreifache des Betrags, der [beim Turnier] 2019 gezahlt wurde, und zehnmal mehr als 2015 (bevor ich FIFA-Präsident wurde)." Was Infantino nicht erwähnte: Bei der vergangenen WM der Männer in Katar schüttete die FIFA mit 440 Millionen Euro knapp dreimal mehr an Preisgeld aus, als sie beim anstehenden Turnier in Neuseeland und Australien verteilen wird.

"Riesenproblem"

Auch wenn bis zum Anstoß der WM nur weniger als drei Monate Zeit verbleiben, setzt der Deutsche Fußball-Bund (DFB)  darauf, dass sich beide Seiten noch einigen. "Seitens des DFB wünschen wir uns eine große Reichweite und Sichtbarkeit - sowohl für das Turnier insgesamt, vor allem aber für die Spiele unserer Frauen-Nationalmannschaft im Sinne unserer Fans und Partner, um die großartige Entwicklung des Frauenfußballs der vergangenen Monate weiter zu fördern", sagte Holger Blask, Marketing-Chef des DFB. Bianca Rech, Sportdirektorin des Bundesliga-Tabellenführers FC Bayern München, sprach im Interview mit der Zeitung "Münchner Merkur" von einem "Riesenproblem": "Bei einer Männer-WM würde es das nicht geben, niemals."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter