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Frauen über ihre Haft in Belarus: "Es ist die Hölle"

Tatsiana Harhalyk
24. Oktober 2024

Menschenrechtsaktivisten prangern die Zustände in einer Strafkolonie für Frauen in Belarus an. Dort sitzen auch auch politische Gefangene ein. Eine Untersuchung belegt, was den Frauen dort angetan wird.

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Eine Menge von Frauen steht auf einem Platz in der Strafkolonie für Frauen im belarussischen Gomel
Strafkolonie für Frauen im belarussischen GomelBild: Vera Lazovskaya

Die Strafkolonie Nummer 4 im belarussischen Gomel ist für etwa 1700 weibliche Häftlinge ausgelegt. Doch im Zuge der massiven Unterdrückung der Proteste gegen die von Machthaber Alexander Lukaschenko gefälschte Präsidentenwahl waren dort laut unbestätigten Angaben in den Jahren 2020 und 2021 nahezu doppelt so viele Frauen eingesperrt. Eine von ihnen ist Maria Kolesnikowa, die Mitstreiterin der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja. 2021 wurde Kolesnikowa zu elf Jahren Haft verurteilt - unter anderem wegen Aufrufen zu Aktionen, die "die nationale Sicherheit gefährden", sowie "einer Verschwörung zur Machtergreifung".

Das Internationale Komitee zur Untersuchung von Folter in Belarus belegt nun, welche Misshandlungen die Insassen der Strafkolonie Nummer 4 ertragen müssen. Dem Komitee gehören elf belarussische, russische und ukrainische Organisationen sowie die Weltorganisation gegen Folter an.

Schikanen gegen politische Gefangene

Die Menschenrechtsaktivisten haben für ihre Untersuchung 20 Interviews mit weiblichen politischen Gefangenen geführt, die von Mai 2021 bis Februar 2024 in Gomel inhaftiert waren. Aus Rücksicht auf noch inhaftierte Frauen wurden alle personenbezogenen Daten aus dem Bericht entfernt und Angaben zu anderen Verurteilten anonymisiert. Die Autoren beschreiben die Aufnahme in die Strafkolonie, darunter die Quarantäne und Zuweisung in Abteilungen, aber auch die dortigen Arbeitsbedingungen sowie die Bestrafung politischer Gefangener.

Belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa vor Gericht
Belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa vor Gericht im September 2021Bild: Viktor Tolochko/SNA/imago images

Leitende Vollzugsbeamte würden die Schikanen gegen politische Gefangene organisieren, die meist zusammen mit Mördern untergebracht seien, sagt der Mitbegründer des Internationalen Komitees zur Untersuchung von Folter in Belarus, Sergej Ustinow, zur Veröffentlichung des Berichts. Ferner würden Gefangene gegeneinander aufgestachelt und Bespitzelungen gefördert. Davon seien vor allem prominente politische Gefangene betroffen, die in Abteilungen einsäßen, in denen jeder jeden ständig überwache. Von Verstößen gegen die Gefängnisregeln, die bewusst provoziert würden, erfahre die Leitung sofort.

"Das ist die grausamste Abteilung, es ist die Hölle", sagte eine politische Gefangene über ihre Zeit in jener Strafkolonie. "Unter den Leuten gab es so viele Anschwärzungen, man wollte es gar nicht glauben. Einmal sah ich, wie eine Frau auf die Minute genau festhielt, was ich tat", erzählte eine andere politische Gefangene.

Isolation und Käfig als Strafe

Bekannte politische Gefangene werden dem Bericht zufolge bisweilen gezielt isoliert, in eigens dafür bestimmten Zellen oder ähnlichen Räumen. Ferner heißt es: "Eine der ungeheuerlichsten Strafen ist ein Käfig, der sich in der Strafkolonie an einem Kontrollpunkt zwischen dem Wohn- und Gewerbebereich befindet. Frauen werden in diesen Käfig gesteckt, wenn sie sich weigern, den Anweisungen der Beamten zu folgen, oder wenn sie einen gewalttätigen Streit mit anderen Gefangenen hatten. Die Frauen müssen dort zwischen 30 Minuten und acht Stunden verbringen."

Bei "geringfügigen Verstößen" würden Vollzugsbeamte auch schon mal zwei Eimer Wasser auf den Boden des Flurs schütten, den die verurteilten Frauen mit einem Lappen so schnell wie möglich trocken wischen müssten. "Und das auf den Knien, begleitet von meist beleidigenden Sprüchen", so der Bericht.

Mangel an Hygieneartikeln

Die hygienischen Zustände beschreiben die Autoren als schockierend. Die gefangenen Frauen dürften nur einmal pro Woche für 15 Minuten zum Duschen gehen. Um Hygieneartikel müssten sie sich selbst kümmern. Einmal im Monat bekommen sie eine Packung Damenbinden und eine Rolle Toilettenpapier. Es kann aber auch sein, dass es im Gefängnisladen nichts davon gibt. Zwar könnten auch Angehörige oder Freunde den Frauen etwas zuschicken, jedoch dürften die Gefangenen nur alle sechs Monate eine Paketsendung erhalten.

"Jegliche Solidarität untereinander wird als Verstoß gewertet, auch wenn eine Frau einer anderen eine Binde oder etwas Tee gibt. Das kann mit Strafen geahndet werden", so Sergej Ustinow.

Ausbeutung von Arbeitskraft

Der Bericht beschreibt zudem die Arbeitsbedingungen in der Textilfabrik, die bei der Strafkolonie angesiedelt ist. Dort entsteht Bekleidung für die belarussischen Sicherheitskräfte, für Mitarbeiter der Ermittlungsbehörden, des Katastrophenschutzes und der U-Bahn, aber auch für das Militär und für andere Strafkolonien. Obwohl für die Frauen dort eine Sechstagewoche gilt, müssen sie oft auch sonntags arbeiten.

"Es ist sehr staubig, man bekommt kaum Luft. Allergiker und Asthmatiker leiden sehr, zumal die Stoffe stark imprägniert sind", berichtet eine ehemalige politische Gefangene. Hinzu komme, dass die Arbeit faktisch nicht bezahlt werde. Eine Frau erzählte, sie habe im ersten Monat in der Strafkolonie nur 44 Kopeken (umgerechnet 12 Eurocent) und später monatlich zwei bis drei Rubel (umgerechnet 57 bis 85 Eurocent) erhalten.

Blick in den Hof der Strafkolonie für Frauen in Gomel, wo viele Frauen in einer Schlange anstehen
Blick in den Hof der Strafkolonie für Frauen in Gomel Bild: Vera Lazovskaya

Neben der Fabrikarbeit müssen die Frauen weitere Aufgaben erfüllen und beispielsweise Gemüselieferungen oder Möbel schleppen sowie das Gelände der Strafkolonie reinigen. Der Bericht beschreibt einen Fall, in dem ein Wärter den Gefangenen im Winter verbot, den Schnee in Müllsäcken beiseite zu schafften. Die Frauen mussten stattdessen ihre eigenen Bettdecken dafür verwenden.

Nach den Aussagen politischer Gefangener muss jede Abteilung einmal im Monat den Boden des Sicherheitsstreifens rund um die Strafkolonie pflügen, indem die Frauen sich selber in den Pflug einspannten. 

Menschenunwürdige Behandlung

Selbst ein ärztliches Attest könne die Frauen nicht von der Arbeit in der Fabrik oder auf dem Gelände der Strafkolonie befreien, schreiben die Aktivisten und verweisen auf Fälle von unterlassener Hilfeleistung, wie im Fall von Maria Kolesnikowa. Im November 2022 hatte sie über Magenschmerzen und Blutdruckprobleme geklagt. Selbst als sie das Bewusstsein verlor, wurde Kolesnikowa nicht behandelt.

Nach Angaben ihrer Schwester wurde sie erst in ein Krankenhaus gebracht, als ihr Zustand bereits kritisch war. "Maria hatte ein Geschwür, das ihre Magenwand durchbrochen hatte", so ihre Schwester Tatjana Chomitsch. Die Ärzte hätten sie, wie Kolesnikowa später selbst erklärte, im allerletzten Moment gerettet. Ihr Vater durfte sie erst im Dezember 2022 besuchen.

In einem BBC-Interview hatte Lukaschenko gesagt, er werde ein Begnadigungsgesuch von Kolesnikowa in Betracht ziehen, sollte sie darum bitten. Politische Gefangene, die es ablehnen, ein Begnadigungsgesuch zu stellen, werden zunehmend unter Druck gesetzt. Die Menschenrechtsaktivisten berichten von Frauen, die wegen "Politik" verurteilt worden sind, und weder Gottesdienste noch den Fitnessraums aufsuchen dürften. Und seit Beginn von Russlands umfassendem Krieg gegen die Ukraine dürften sie auch nur noch mit ihren engsten Angehörigen in Kontakt stehen.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk