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TTIP schadet Entwicklungsländern

Mirjam Gehrke30. März 2014

"Wir müssen leider draußen bleiben", könnte es für die Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Lateinamerika heißen, wenn das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU in Kraft treten sollte.

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Die Fahnen von EU und USA - beide Seiten verhandeln seit Juli 2013 über ein Freihandelsabkommen.
Bild: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Seit Juli vergangenen Jahres verhandeln die EU und die USA über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Sinn des Freihandelsabkommens sei es, die Handelskosten zwischen den USA und der EU zu senken, erläutert Julia Kubny von der KfW Entwicklungsbank den Grundgedanken. "Das führt dazu, dass die Flasche Wein aus Italien für den US-Konsumenten günstiger wird und dann vielleicht eher der italienische statt des chilenischen Weins gekauft wird." Die Folge ist schnell auf den Punkt gebracht: "Mehr Handel zwischen der EU und den USA führt tendenziell zu weniger Handel mit Drittländern."

Frauen mit zahlreichen Einkaufstüten verlassen eine Shopping-Mall in den USA
US-Verbraucher könnten in Zukunft mehr Produkte aus Europa und weniger aus Afrika konsumierenBild: picture alliance/landov

Die EU und die USA decken gemeinsam rund ein Drittel des Welthandels ab. Durch die Schaffung der größten Freihandelszone mit 800 Millionen Verbrauchern soll das weltweite Pro-Kopf-Einkommen um gut drei Prozent steigen. Das geht aus einer Studie des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung hervor. Das sei ein statistischer Durchschnittswert, der jedoch regional sehr unterschiedlich ausfallen werde, sagt Thieß Petersen von der Bertelsmann-Stiftung. "Besonders stark profitieren die USA und Europa. Der Rest der Welt hat Nachteile."

Der Rest der Welt sind in erster Linie die Schwellen- und Entwicklungsländer in Asien, Afrika und Lateinamerika. Aber auch für die traditionellen Handelspartner der USA und der EU könnte sich das TTIP nachteilig auswirken, warnt Volkswirtschaftler Petersen. "Am stärksten sind die Auswirkungen für Kanada und Mexiko. Da würde das BIP pro Kopf um sieben bis neuen Prozent zurück gehen." Das Freihandelsabkommen NAFTA, in dem diese beiden Länder mit den USA verbunden sind, würde durch das TTIP entwertet. Auch weitere Handelspartner wie Chile und Australien wären negativ betroffen. "Aber auch in Asien müssten nahezu alle Länder Wachstumseinbußen zwischen 0,5 und 2,5 Prozent hinnehmen, ", ergänzt Thieß Petersen.

Zwei Szenarien

Zurzeit stocken die TTIP-Verhandlungen. Es ist kaum absehbar, dass das Freihandelsabkommen innerhalb der nächsten zwei Jahre unter Dach und Fach gebracht wird. Dennoch zeichnet sich ab, dass sich die Auswirkungen auf Drittländer zwischen zwei Szenarien bewegen.

Würden im Rahmen des transatlantischen Handelsabkommens lediglich die Zölle abgeschafft, wären die Auswirkungen auf die transatlantischen Handelsbeziehungen relativ gering, da die Zölle in den meisten Bereichen bereits sehr niedrig sind. Daher erscheint die zweite Variante sinnvoller: Abbau nicht nur von Zöllen sondern auch von sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnissen. Dabei geht es zum Beispiel um Lebensmittelvorschriften und weitere Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz.

Reisernte in Thailand (Foto: Getty Images)
Kann Thailand in Zukunft noch mit US-Reisexporten in die EU konkurrieren?Bild: Saeed Khan/AFP/Getty Images

Daran entzündet sich derzeit ein Interessenkonflikt zwischen europäischen Verbraucherschützern und Entwicklungsexperten. Erstere wollen die hohen EU-Standards als Maßstab im TTIP festschreiben. Damit soll verhindert werden, dass zum Beispiel nicht gekennzeichnete genmanipulierte Lebensmittel in Europa in den Handel kommen. "Wenn die teilweise niedrigeren US-Standards auf EU-Niveau angehoben werden, wären Produzenten, die bislang in die USA exportieren, aber EU-Standards nicht erfüllen, nun auch vom US-Markt ausgeschlossen", gibt Julia Kubny von der KfW Entwicklungsbank zu bedenken. "Oder sie müssten hohe Kosten in Kauf nehmen um sich auf die höheren Standards einzustellen – wenn sie dazu überhaupt in der Lage sind."

Freihandel versus Entwicklungspolitik

Weltweit wird derzeit über neue, nachhaltige Entwicklungsziele verhandelt, die ab 2016 die Millenniumsziele ablösen sollen. Bis 2030 sollen Hunger und extreme Armut auf der Welt beseitigt werden, so die Vision der Vereinten Nationen. Wenn das transatlantische Freihandelsabkommen zu einem Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens in Drittstaaten von bis zu neun Prozent führen sollte, dann stellt sich die Frage nach der Politikkohärenz: Wie lassen sich Wirtschafts- und Handelsinteressen des Nordens mit den Entwicklungsbedürfnissen des globalen Südens vereinbaren?

Erklärtes Ziel der deutschen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von Entwicklungsländern zu stärken und ihnen die Teilnahme am Welthandel zu erleichtern. "Wenn es so kommt, dass der Marktzugang zu den USA und der EU für Entwicklungsländer erschwert wird, würde das die Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit konterkarieren", warnt Julia Kubny.

Arbeiter in einer Textilfabrik in Ghana (Foto: dpa)
Durch höhere Handelshemnisse durch TTIP sind in Afrika Arbeitsplätze gefährdetBild: picture-alliance/dpa

Doha durch die Hintertür?

Die Entwicklungsländer haben die Verhandlungen der Welthandelsorganisation über eine weitgehende Liberalisierung des Welthandels, die sogenannte Doha-Runde, nahezu zum Erliegen gebracht. Sie wehren sich unter anderem dagegen, im Zuge des Subventionsabbaus staatliche Beihilfen für die Nahrungsmittelversorgung abzuschaffen. Wortführer dieser Bewegung ist Indien. Auch der Streit um den Patentschutz auf Medikamente stellt ein nahezu unüberwindbares Hindernis dar. Während die Industrienationen nur einer sehr begrenzten Lockerungen des Patentschutzes zustimmen, bestehen die Länder des Südens darauf, notwendige Medikamente, z. B. für Krebs und Aids, auch ohne Beachtung des Patentschutzes herstellen und vertreiben wollen.

Dabei wäre die Doha-Runde "der Königsweg um die Interessen der Entwicklungsländer zu berücksichtigen", glaubt Julia Kubny. Da säßen die Entwicklungsländer nämlich gleichberechtigt am Verhandlungstisch. "Denn einige der Standards, die die Entwicklungsländer in der Doha-Runde torpediert haben, werden auch im Rahmen von TTIP wieder diskutiert. Sie könnten also jetzt durch die Hintertür eingeführt werden."

Direkten Einfluss auf die TTIP-Verhandlungen haben die Entwicklungsländer keinen. Dass EU und USA ihren Binnenmarkt als Ausgleich für die Benachteiligung von Drittländern für Produkte aus dem Süden öffnen, hält Thieß Petersen zwar für wünschenswert, aber wenig realistisch. "Eine Alternative wäre, dass die Regionen, die von diesem Abkommen Nachteile erwarten müssten, sich stärker integrieren." Nur in regionalen Bündnissen wie dem südamerikanischen Mercosur oder der asiatischen Freihandelszone zwischen den ASEAN-Staaten und China könnten die Länder des Südens dem TTIP paroli bieten.