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Expertenrunde als Feigenblatt

Dirk Kaufmann10. März 2014

Die EU-Kommission hat sich Hilfe für die Gespräche über eine Freihandelszone mit den USA geholt und lässt sich von Experten beraten. Beobachter halten das für ein Alibi - tatsächlich werde weiterhin geheim verhandelt.

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Symbolbild EU USA Freihandelszone Gespräche
Bild: Reuters

Was haben die Generaldirektorin der europäischen Verbraucherunionen und ein Direktor vom Verband der chemischen Industrie gemeinsam? Monique Goyens und Reinhard Quick, das sind ihre Namen, sitzen in der offiziellen Expertenrunde, die die EU-Kommission bei ihren Verhandlungen mit den USA über eine gemeinsame Freihandelszone (TTIP) beraten soll - gemeinsam mit zwölf weiteren Fachleuten aus ebenso vielen anderen Verbänden.

"Bei den Mitgliedern der Gruppe handelt es sich um Experten aus den Bereichen Verbraucherschutz, Arbeitsrecht, Umwelt und öffentliche Gesundheit, Unternehmen, Verarbeitendes Gewerbe, Landwirtschaft und Dienstleistungen", teilte die EU-Kommission am 27. Januar in Brüssel mit, als sie die Einberufung der Expertengruppe bekannt gab.

Ungerechte Beratung

Dabei hat sich die EU-Kommission bereits vor dem Beginn der Verhandlungen mit den USA beraten lassen. Daran erinnert Max Bank von der Nicht-Regierungs-Organisation Lobbycontrol. Dabei, fügt er hinzu, sei es aber ganz und gar nicht "unparteiisch zugegangen. Die Kommission wurde vor allem durch Unternehmenslobbyisten beraten. Wenn man das prozentual ausdrückt: 93 Prozent waren Unternehmenslobbyisten, nur sieben Prozent der Berater haben für Verbraucherschutzverbände, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisation gesprochen."

Eine weitere NGO, die die Verhandlungen zwischen der EU und den USA genau beobachtet, ist campact.de. Dort arbeitet Maritta Strasser, die die gleiche Beobachtung gemacht hat: "119 Besprechungen hat es gegeben mit Industrievertretern und nur weiniger als zehn mit anderen. Das zeigt schon, welchen Interessen mehr Gewicht zugemessen wird."

Ignacio Garcia-Bercero und Dan Mullaney (Foto: Picture Alliance)
Die Verhandlungsführer Garcia-Bercero (EU) und Mullaney (USA) scheinen trotz allem guter LauneBild: picture-alliance/dpa

Nur ein Feigenblatt

Sollte es zu einer Freihandelszone auf beiden Seiten des Atlantiks kommen, würde sie das Leben von rund 800 Millionen Menschen beeinflussen und wäre die größte Handelszone der Welt. Wie schwierig der Weg dahin ist, zeigt sich schon daran, wie viel Widerspruch allein die Berufung von 14 Beratern auf einer Seite des Verhandlungstischs hervorrufen kann.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Detlef Wetzel, etwa erwartet von dem Beratergremium nichts, sein Urteil ist eindeutig: "Das ist nicht mehr als nur ein Feigenblatt." Maritta Strasser von campact.de bemüht das gleiche sprachliche Bild: "Dieses Gremium ist nur ein Bürgerbeteiligungsfeigenblatt." Lobbycontrol-Aktivist Bank schlägt in die gleiche Kerbe und hält "diese Initiative der EU-Kommission eher für eine PR-Offensive als für einen Schritt zu mehr Öffentlichkeit".

Keine Akzeptanz durch Geheimniskrämerei

Mangelnde Öffentlichkeit ist sowohl für Gewerkschafter Wetzel als auch für die Bürgerrechtsaktivisten Strasser und Bank das entscheidende Kriterium. Für Maritta Strasser kommt noch hinzu, dass die EU-Kommission die Experten nach eigenem Gutdünken ausgewählt habe, das Gremium sei "nicht gewählt worden. Um repräsentativ zu sein, müsste es in irgendeiner Weise legitimiert sein und nicht handverlesen."

Der größte Fehler, den die EU-Kommission mit der Expertengruppe mache, sei aber die fehlende Transparenz, sagt Max Bank. "Wer in dieser Kommission sitzt, muss unterschreiben, dass er die Inhalte und die Verhandlungsdokumente geheim hält." Das käme zwar häufiger vor, sei aber durchaus nicht immer so. In diesem Fall findet Max Bank "keinen Grund dafür, dass diese Verhandlungen geheim stattfinden sollen."

Containerschiff für den Export (Foto: dpa)
Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA funktionieren schon jetzt prächtigBild: picture-alliance/dpa

Wenn die beratenden Experten alles, was sie lesen und hören, für sich behalten müssen, können sie sich nicht mit ihren Organisationen und Verbänden abstimmen. Eine Diskussion findet so nicht statt. Das bemängelt auch Detlef Wetzel: "Die ganzen Verhandlungen sind geheim, es gibt gar keine Transparenz. Wir fühlen uns nicht beteiligt an diesem Prozess, weil wir letztendlich keinen Einfluss haben."

Maritta Strasser sieht das ganz genau so und denkt auch über die Verhandlungen hinaus. So, wie es gerade laufe, könnten die EU-Bürokraten keine Zustimmung für ihre Pläne erwarten: "Nur wenn man die Sachen offen zur Diskussion stellt, wird die Öffentlichkeit das Abkommen auch irgendwann akzeptieren. Mit Geheimhaltung erreicht man keine Akzeptanz."

Detlef Wetzel IG Metall Vize Vorsitzender (Foto: dpa)
Detlef Wetzel traut dem Wetter mehr zu als dem TTIPBild: picture-alliance/dpa

Weniger Einfluss als das Wetter

Der Vorsitzende der IG Metall - das ist immerhin die größte Einzelgewerkschaft der Welt - hat bereits gefordert, die Verhandlungen mit den USA gleich ganz abzubrechen: "Da wird versucht, ein Abkommen zu machen, von dem nur ganz, ganz wenige profitieren, aber ganz viele Nachteile haben", so Wetzel. Er ist der Meinung, dass "die EU-Kommission aus eigener Machtvollkommenheit heraus irgendetwas unternimmt, das keinesfalls im Interesse der Bürger steht".

Ihn stört vor allem, dass die Freihandelszone seiner Ansicht nach nichts bringen wird. Selbst den positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in einer TTIP-Zone könne man vergessen, sagt Wetzel und verweist auf ein Gutachten, das die EU selbst in Auftrag gegeben hat. Das habe nur ein geringes wahrscheinliches Wachstum von gerade einmal 0,5 Prozent über mehrere Jahre errechnet. Lächerlich, so der Gewerkschafter. "Da ist ja der Einfluss des Wetters auf die Konjunktur noch größer."

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