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Grenzenlose EU

Sabrina Pabst29. Mai 2013

Innerhalb der EU ist die Freiheit grenzenlos. Zumindest, was das Reisen und Arbeiten angeht. Ein großer Vorteil der europäischen Freizügigkeit: Besonders Jobsuchende profitieren von dem europaweiten Arbeitsmarkt.

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Urlauberin zeigt Landkarte (Foto: Light Impression)
Bild: Fotolia/Light Impression

In Deutschland wohnen, in Belgien arbeiten, in Italien studieren - die Freizügigkeit ist das Kernstück der Europäischen Union. Die ungehinderte Mobilität innerhalb des Staatenbündnisses war eine der großen Ideen der Gründerväter. Heute besitzt jeder Unionsbürger das Grundrecht der Freizügigkeit und darf sich innerhalb der EU frei bewegen. Es genügt ein Personalausweis.

Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Gastland

Eine politische Karte zeigt die Schengen-Staaten. Sie werden durch zwei Reisepässe eingegrenzt. (Foto: M.Schuckart/ Fololia)
Der Arbeitsmarkt der 27 EU-Staaten steht allen Unionsbürgern (fast) uneingeschränkt zur VerfügungBild: Fotolia/m.schuckart

"Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein Schlüsselelement des EU-Binnenmarkts", stellt László Andor klar, der EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration."Da die Arbeitslosenquote in einigen Mitgliedsstaaten momentan viel höher liegt als in anderen, ist es umso wichtiger, den Personen, die gerne in einem anderen EU-Land arbeiten möchten, dieses Vorhaben zu erleichtern."

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit führe zu einer 'Win-Win'-Situation: Sowohl die Volkswirtschaften der Mitgliedsstaaten als auch die jeweiligen betroffenen Arbeitnehmer profitierten davon.

Wie funktioniert Freizügigkeit?

Die Freizügigkeit ist ein aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes abgeleitetes EU-Recht. Sie ermöglicht Unionsbürgern die Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedsstaat und eine Beschäftigung im Gastland, ohne dass eine Arbeitserlaubnis erforderlich wäre. Zu diesem Zweck kann der Arbeitnehmer auch vor Ort wohnen und auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Gastland wohnen bleiben, solange er dort keine Sozialleistungen beziehen muss. Jeder EU-Bürger hat das Recht hinsichtlich Zugang zu Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und aller Sozialleistungen und Steuervorteile genauso behandelt zu werden wie die Staatsangehörigen des Aufnahmelandes.

EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Inklusion Laszlo Andor (Foto: Georges Gobet/ AFP/Getty Images)
László Andor: "Die Freizügigkeit ist das Schlüsselelement der EU"Bild: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Der OECD-Experte Thomas Liebig beschäftigt sich mit der internationalen Migration und den Folgen für den Arbeitsmarkt. "Die Freizügigkeit kann dazu beitragen, dass die interne Mobilität innerhalb von Europa ein Teil der Arbeitsmarkt-Ungleichgewichte ausgleichen kann." Aus Regionen mit sehr hoher Arbeitslosigkeit wandern die Menschen also ohne große rechtliche Hürden in Regionen mit großem Arbeitskräftebedarf. So die Theorie. Die Praxis sieht allerdings anders aus. "Weniger als fünf Prozent der EU-Bevölkerung arbeiten in einem anderen Mitgliedsstaat", bemängelt Nadja Hirsch, stellvertretende Ausschussvorsitzende für Beschäftigung und Soziales im EU-Parlament.

Fremdenfeindlichkeit auf dem Arbeitsmarkt?

Ausnahmeregelungen gibt es derzeit noch bei der Freizügigkeit für Bulgarien und Rumänien. Wenn Bulgaren oder Rumänen von ihrem Arbeitgeber nach Deutschland oder Österreich entsendet werden, benötigen sie je nach Branche eine Arbeitserlaubnis. Diese letzte Beschränkung wird zum 1. Januar 2014 aufgehoben.

Die neu gewählte Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl 2009, Nadja Hirsch (Foto: Andreas Gebert dpa/lby)
Nadja Hirsch: "Zu wenige Unionsbürger nutzen ihre Chance"Bild: picture-alliance/dpa

Fremdenfeindlichkeit zeige sich vor allem auf dem Arbeitsmarkt, kritisiert Hirsch. Auch nach Jahrzehnten eines gemeinsamen Binnen- und Arbeitsmarkts bestünden weiterhin Vorurteile: "Wenn man von der EU als Wirtschaftsraum ausgeht, der einen gemeinsamen Arbeitsmarkt hat, dann kann man nicht sagen, die Deutschen oder die Dänen ziehen den Spaniern oder den Griechen die qualifizierten jungen Menschen ab. Sonst wird man nie zu einem gemeinsamen europäischen Arbeits- oder Binnenmarkt oder auch Wirtschaftsraum kommen."

In dieser Abwanderung sieht OECD-Migrationsexperte Liebig auch einen klaren wirtschaftlichen Vorteil: "In den Krisenländern schafft die Abwanderung etwas Luft auf dem Arbeitsmarkt, wenn Personen nach Deutschland oder in andere Länder migrieren. Das sind ja Personen, die bereits arbeitslos sind und die eine Belastung in finanzieller Hinsicht für das Arbeitslosensystem wären. Und wenn sie dann eine Arbeitsstelle in den Niederlanden oder Deutschland finden und dort Arbeitserfahrung sammeln, dann kann das später, wenn sie zurückkommen, wieder ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt steigern."

Sprache und andere Barrieren

Das wohl größte Hindernis auf dem Weg zu einem einheitlichen Arbeitsmarkt in Europa sieht Liebig in der Sprachenvielfalt. Sie schränke die Mobilität und Flexibilität stark ein. Wichtig sei daher vor allem, die Fremdsprachenkompetenz in den Krisenländern zu fördern.

Thomas Liebig, Mitautor der OECD-Studie "Jobs for Immigrants - Labour Market Integration in Australia, Denmark, Germany and Sweden", (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert dpa/lbn)
Thomas Liebig: "Abwanderung ist für Krisenländer auch eine Chance"Bild: picture-alliance/dpa

Aber nicht nur die sprachlichen Fähigkeiten setzen der Freizügigkeit Grenzen. Nadja Hirsch sieht auch noch gesetzlichen Nachholbedarf: "Wir haben noch gewisse bürokratische Hürden, die genommen werden müssen. Beispielsweise wenn Migranten in den Genuss ihrer Rente kommen wollen oder wenn sie arbeitslos werden. In den Fällen übernimmt das Land die Leistungen, in dem sie aktuell gearbeitet haben. Anschließend ist das Heimatland zuständig. Das muss man noch optimieren."

Von der Freizügigkeit in Europa profitieren indes nicht nur Touristen und Arbeitnehmer. Gerade erst hat das EU-Parlament umfangreiche Erleichterungen für grenzüberschreitende Reisen mit Haustieren verabschiedet.