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Frexit: "Nichts wäre mehr wie zuvor"

22. Februar 2017

Manche von Frankreichs Präsidentschaftskandidaten setzen sich für den Frexit ein, den Austritt aus der Währungsunion. Einige Ökonomen sagen, das wäre eine wirtschaftliche Katastrophe. Aus Paris Lisa Louis.

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Das Paris der Edith Piaf
Bild: picture-alliance/dpa/K. Kurek

Für einige Kandidaten des diesjährigen Wahlkampfs um die Präsidentschaft in Frankreich ist der Euro schuld an vielen Problemen des Landes: an der hohen Arbeitslosigkeit oder auch dem schleppenden Wirtschaftswachstum. Sie schlagen deshalb den Austritt aus der gemeinsamen Währung vor. Doch was würde dann mit dem importabhängigen und stark verschuldeten Frankreich passieren? Wagen wir ein Gedankenexperiment.

Marine Le Pen spricht sich am deutlichsten für einen Austritt aus dem Euro aus. Die Chefin des rechtsradikalen Front National (FN) schlägt ein Referendum dazu vor. Zurzeit liegt sie in Umfragen immerhin im ersten Wahlgang auf Platz eins, auch wenn sie den zweiten voraussichtlich verlieren dürfte.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums vertritt Jean-Luc Mélenchon, Kandidat der Linken, eine ähnlich europaskeptische Linie. Er setzt sich zumindest für eine Neuverhandlung der EU-Verträge ein, und, wenn das nicht funktioniert, für einen Austritt aus dem Euro.

Die wichtigsten anderen Kandidaten - der Sozialist Benoît Hamon, der Republikaner François Fillon und der ehemalige Wirtschaftsminister und unabhängige Kandidat Emmanuel Macron - bekennen sich dagegen zum Euro und einem mehr oder weniger eng verbundenen Europa.

Ohne den Euro würde Frankreich wettbewerbsfähiger

Das Hauptargument für einen Euro-Austritt ist für Le Pen die Souveränität. Wenn Frankreich seine eigene Währung abwerten könne, würden französische Produkte automatisch wettbewerbsfähiger, da günstiger für ausländische Kunden. Niedrigere Löhne seien dann nicht mehr die einzige Variable, um auf internationalen Märkten mitspielen zu können, argumentiert Le Pen.

Und ohne das Brüsseler "Diktat" in Sachen Staatsdefizit hätte der Staat auch mehr Spielraum, um der französischen Industrie durch Subventionen zu helfen. Traditionell nutzen französische Regierungen Subventionen, um als strategisch betrachtete Sektoren wie zum Beispiel den Schiffsbau zu erhalten.

Frankreich Le Pen startet Wahlkampf mit Angriffen auf die EU
Will den Euro abschaffen: Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin des Front NationalBild: Reuters/R. Prata

Günstiger würden französische Exporte tatsächlich bei einem Austritt aus dem Euro - und zwar erheblich, so Anne-Laure Delatte, stellvertretende Chefin des Forschungsinstituts zur Weltwirtschaft CEPII. "Bei der Einführung des Euros waren 6,50 Franc einen Euro wert, heute müssten wir mindestens acht Franc pro Euro zahlen", sagt die Ökonomin zur DW. "Das heißt eben auch, dass Ausländer weniger ihrer Währung aufbringen müssten, um Waren mit Preisen in Franc zu kaufen."

Nachteile vor allem für den kleinen Mann

Doch eine schwache französische Währung bedeute auch teurere Importe. Man müsse schließlich auch mehr Franc auf den Tisch legen, um Waren in anderen Währungen zu kaufen. Und importiert hat Frankreich vergangenes Jahr 48,1 Milliarden Euro mehr an Gütern und Dienstleistungen, als es exportiert hat. Einführen muss das Land viele Grundnahrungsmittel, aber auch Öl und Gas oder Kleidung.

"Wenn die französische Währung so abgewertet würde, träfe das vor allem die ärmeren Schichten der Bevölkerung und kleine und mittlere Unternehmen - also gerade die, um die euroskeptische Kandidaten ja werben", sagt Olivier Pastré, Wirtschaftsprofessor an der Universität Paris VIII, im Gespräch mit der DW. Denn gerade Geringverdiener gäben einen relativ hohen Anteil ihres Einkommens für importierte Waren wie Grundnahrungsmittel aus. 

Auch von einem anderen Effekt des Euro-Austritts wäre vor allem der kleine Mann betroffen, so der Ökonom: den höheren Zinsen. Denn weniger betuchte Bevölkerungsschichten seien besonders auf Kredite angewiesen - sie hätten ja weniger eigenes Vermögen.

Höhere Zinsen, mehr Inflation

Die Zinsen würden ansteigen, weil der Staat in einer Welt des schwachen französischen Francs seine bombastische Staatsverschuldung ja dennoch zum großen Teil in Euro zurückzahlen müsste. Eine Rückzahlung der Schulden hatte EZB-Chef Mario Draghi jüngst in Bezug auf Spanien und Italien zur Hauptbedingung gemacht, falls ein Land aus dem Euro austreten wolle. Frankreichs Schulden belaufen sich inzwischen schon auf mehr als 2000 Milliarden Euro, also auf fast genauso viel wie die Wirtschaftsleistung des Landes.

Um den Schuldendienst und die Zinsen aufbringen zu können, müsste der Staat dann massiv Francs gegen Euro eintauschen. Diese Francs würde er sich unter anderem von der Bevölkerung leihen. Wegen der starken Nachfrage nach Krediten gingen dann die Zinsen, also der Preis der Darlehen, nach oben.

Ansonsten könnte der Staat auch einfach Geld drucken - schließlich hätte er ja eine eigene Währung. Aber auch das würde vor allem den kleinen Franzosen treffen. Denn höchstwahrscheinlich käme es dann zur Inflation, die Preise würden steigen. Schließlich stünden der größeren Geldmenge nicht automatisch mehr Güter gegenüber.

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Für den Euro: der frühere Wirtschaftsminister und unabhängige Kandidat Emmanuel MacronBild: picture alliance/abaca/B. Eliot

"Euro-Austritt Frankreichs führt zum Wirtschafts-GAU"

Für Philippe Crevel, Makroökonom und Chef der Forschungsgruppe Cercle de l’Epargne, wäre das aber nicht alles. Er meint, der Euro-Austritt Frankreichs würde sofort zum absoluten Wirtschafts-GAU führen. Und dass die EU ohne ihre zweitgrößte Wirtschaftsmacht nicht überleben könnte. "Frankreich würde bankrott gehen, weil wir unsere Schulden in Euro einfach nicht zurückzahlen könnten. Es würde doch keiner unsere Francs eintauschen wollen - die will doch keiner haben!", meint er. Bankrott gehen würde zudem nicht nur der Staat, sondern auch viele Banken und Versicherungen, deren Schulden zu großen Teilen in Fremdwährung seien.

"BNP Paribas ist nach HSBC die zweitgrößte Bank Europas. Wenn die einbricht, wäre das zehnmal so schlimm wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers, der ja 2008 zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise beigetragen hat", warnt Crevel. Im Vergleich zu Deutschland seien Frankreichs Banken dabei sehr viel verletzlicher. Denn die französische Wirtschaft ist stark zentralisiert. Auch die Bankenwelt sei sehr zentralisiert - nicht so wie in Deutschland, wo es mehrere voneinander unabhängige Landeszentralbanken gibt.

Hinzu kämen die Pleiten großer Versicherungen wie zum Beispiel von Axa, so der Ökonom: "Es wäre ein systemischer Schock und würde zu kompletter Anarchie in Europas Finanzwelt führen. Nichts wäre mehr so wie zuvor."