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Netzstreik fürs Klima in Zeiten von Corona

23. April 2020

Die Corona-Pandemie darf den Kampf gegen die Klimakrise nicht verdrängen, warnt Fridays for Future, und ruft für Freitag zum weltweiten Klimastreik im Internet auf. Ein Blick auf nicht ganz einfache Vorbereitungen.

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Fridays For Future Digital

Finja Rausch sitzt auf dem Bett in ihrem Jugendzimmer und beantwortet Pressefragen. Vor sich hat sie ihr Laptop. Auf ihrem T-Shirt steht "There is no Planet B", an der Wand hängen Plakate mit Aufschriften wie "Hambacher Forst bleibt", oder "Opa, was ist ein Schneemann?" Die 14-jährige Schülerin aus Hürth bei Köln ist Mitglied der Kölner Ortsgruppe der Klimaschutzbewegung Fridays for Future. Finja bereitet den digitalen Klimastreik für diesen Freitag vor - von zu Hause aus.

"Da wir Neuntklässler ja grade nicht zur Schule gehen müssen, kann ich mir die Zeit besser einteilen. Morgens erledige ich die Aufgaben für die Schule, den Rest des Tages bin ich eigentlich komplett mit den Vorbereitungen für die Netz-Demo beschäftigt", erzählt Finja.

Die 14-jährige Klimaschutzaktivistin Finja Rausch bereitet den Netzsstreik fürs Klima mit ihrem Laptop in ihrem Jugendzimmer vor
Schaltzentrale Jugendzimmer: Wegen der Corona-Krise kümmert sich Finja Rausch um den Klimastreik vor allem via InternetBild: Privat

Ursprünglich sollten am 24. April weltweit wieder hunderttausende Menschen zu Klimaprotesten auf die Straße gehen. Seit Mitte Januar liefen die Vorbereitungen für die Demonstrationen in Deutschland, auch in Köln. "Wir hatten schon eine Route für den Kölner Protestmarsch festgelegt, die Bühne für die Anschlusskundgebung bestellt und Bands organisiert, die zwischen den Reden spielen wollten", berichtet Finja. Doch dann kam die Corona-Krise, Versammlungen wurden verboten.

Corona-Krise verdrängt Sorge um Klimakrise

"Uns war allen schnell klar, dass wir unbedingt etwas tun müssen, denn das Thema Klimawandel scheint durch die Corona-Krise gerade in Vergessenheit zu geraten", sagt Pauline Brünger. Die Kölner Abiturientin kümmert sich um den bundesweiten Social-Media-Auftritt von Fridays for Future und koordiniert dort die aktuellen Aktivitäten für den Digitalstreik. "Jetzt sind viele Menschen im Netz unterwegs und deswegen haben wir gesagt: 'Dann müssen wir mit unserem Streik eben dorthin.' Hier können wir Präsenz zeigen, ohne andere Menschen zu gefährden."

Auch Paulines Leben besteht derzeit nur aus zwei Dingen: dem Lernen für das Abitur und den Vorbereitungen für den digitalen Klimastreik. Gerade in Zeiten der Corona-Krise sei es noch wichtiger als sonst, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, sagt sie - Abi-Stress hin oder her. Denn der Klimawandel höre nicht deswegen auf, weil man kaum noch über ihn sondern fast nur noch über das SARS-CoV-2-Virus spreche, sagt die 18-Jährige. Deswegen müsse man gerade jetzt auf ihn aufmerksam machen.

"Kein Steuergeld für Klimasünder"

Und es gibt noch mehr, was ihr und anderen Klima-Aktivisten große Sorge bereitet: Sie warnen, dass manche Maßnahmen gegen die Corona-Krise, die derzeit in der Diskussion sind, die Klimakrise noch verschlimmern könnten. "Wenn jetzt etwa eine Abwrackprämie kommt, damit die Menschen neue Autos kaufen, dann können wir die Verkehrswende vermutlich vergessen", meint Brünger. Dabei stelle sich doch gerade jetzt in der Corona-Krise die Frage, was wirklich wichtig sei und in was für einer Welt man künftig leben wolle.

Deswegen fordere Fridays for Future von der Politik, die Wirtschaft unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit wieder anzukurbeln, so dass auch die Gesellschaft etwas davon habe, sagt die Abiturientin. Wenn es für erneuerbare Energien oder bessere Gesundheitssysteme eingesetzt werde, sei das Geld der Steuerzahler besser aufgeboben als etwa in Zuschüssen für die Kohlindustrie oder für Konzerne, die sich nicht um das 1,5-Grad-Ziel scherten.

Lesen Sie mehr über nachhaltige Konjunkturprogramme gegen die Corona-Krise: Corona-Konjunkturprogramme bieten Chance für Kampf gegen Klimawandel

Klimastreik - jetzt erst recht!

Nicht nur Fridays for Future, auch Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften, die evangelische Kirche und politische Parteien wie die Grünen rufen zum großen Klimastreik im Netz auf. Möglichst viele Menschen sollen in den Sozialen Medien unter den Hashtags #NetzstreikFürsKlima und #fighteverycrises ihre Klimaschutzforderungen posten. Auf YouTube plant Fridays for Future außerdem einen Livestream. In Deutschland soll der von 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr laufen, mit Schalten zu Aktionen in verschiedenen Städten, mit Video-Diskussion von Wissenschaftlern und Politikern und auch mit Auftritten von Künstlern und Musikern.

"Als die normale Demonstration abgesagt wurde, habe ich mich erst etwas niedergeschlagen gefühlt, weil ich da sehr viel Zeit reininvestiert habe. Aber dann dachte ich mir, jetzt müssen wir etwas umso Cooleres auf die Beine stellen, damit eben die Arbeit nicht komplett umsonst war, sondern am Tag selber trotzdem etwas sehr Cooles passiert", erzählt Finja aus Hürth.

Streiken unter Corona-Bedingungen

Damit am Streiktag auch ein bisschen "Kundgebungsatmosphäre" aufkommt, soll es auch in der realen Welt verschiedene Aktionen geben. In einigen Städten wollen Aktivisten von Fridays for Future öffentliche Plätze bemalen, natürlich mit biologisch abbaubarer Kreidefarbe. Anderswo werden Plakate, die schon vor einigen Tagen etwa in Biomärkten oder in Unverpacktläden gesammelt wurden, auf öffentliche Plätze gelegt.

"Auf diese Weise können die Menschen ihren Protest in die Städte tragen, auch wenn sie selbst wegen der Corona-Gefahr nicht persönlich anwesend sein können", erläutert Pauline Brünger. Die Aktionen seien mit den Ordnungsämtern der Städte abgesprochen, bei allen werde streng auf die Sicherheitsbestimmungen geachtet, betont sie. So würden etwa die eingesammelten Plakate vor dem Auslegen 48 Stunden lang nicht mehr angefasst, um Schmierinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus auszuschließen. Die Aktivisten seien immer nur zu zweit und mit dem vorgeschriebenen Abstand voneinander unterwegs, trügen Handschuhe und Mundschutz.

Lena Müllhäuser von Parents for Future Köln mit ihrem Lastenrad vor einem einem Bio-Supermarkt in Köln
CO2-neutraler Transport: Lena Müllhäuser von Parents for Future Köln sammelt die Plakate für den digitalen Klimastreik per Lastenrad einBild: DW/J. Cwienk
Selbstgemalte Plakate mit Botschaften für den Netzstreik fürs Klima
Wenigstens die Botschaften der Klimaschützer sollen am 24. April 2020 im öffentlichen Raum sichtbar sein Bild: DW/J. Cwienk

Zu zweit mit dem Fahrrad fürs Klima

Die Kölner Gruppe hat zusätzlich Fahrrad-Protestfahrten geplant. Ebenfalls zu zweit und mit Abstand geht es mit Megaphonen oder Soundanlagen durch verschiedene Viertel. Die Anwohner entlang der Fahrrad-Routen wurden per Flyer in den Briefkästen informiert und aufgefordert, Protestplakate in die Fenster oder an die Türen zu hängen.

Eine dieser Routen hat Finja Rausch mit den Informations-Flyern bestückt. Eine Tour von gut drei Stunden für die Neuntklässlerin, denn schließlich gebe es ja immer zwei Straßenseiten, die bestückt werden mussten, erzählt sie am Telefon. Überhaupt sei der digitale Streiktag "das Stressigste", was sie jemals mitorganisiert habe. "Wir haben ja erst Anfang April mit unserer neuen Planung begonnen und mussten uns ganz viel Neues, wie etwa das Livestreaming, selbst beibringen."

Was Corona-Krise und Klimakrise gemeinsam haben

Schwierig sei auch, dass alles nur online und per Handy laufe. "Früher sind wir nach den Planungstreffen auch mal eine Falafel essen gegangen und haben dabei über andere Dinge, als über Fridays for Future gesprochen - und das fehlt jetzt natürlich total." Deswegen sei es manchmal auch schwieriger als bei anderen Aktionen, die Motivation aufrechtzuerhalten, sagt Finja. Wenn sie mal Abstand brauche, treffe sie sich mit einer Freundin, die gar nichts mit der Klimaschutzbewegung zu tun habe, zu einem Spaziergang um einen nahegelegenen See - natürlich mit Abstand, fügt sie hinzu.

Fridays-for-Future-Aktivistin Pauline Bünger mit Protestplakat auf dem Fahrrad
Auch Fahrradfahren entspannt: Pauline Brünger bringt ihr Protestplakat zu einer SammelstelleBild: privat

Auch Pauline Brünger berichtet von Missverständnissen, die sich durch die Kommunikation auf Distanz ergeben. Es müsse immer wieder nachgefragt und viele Dinge müssten viel ausführlicher beschrieben werden als sonst. Nach ihrem Motivationstrick gefragt, sagt sie: "Meine Motivation kommt, wie vermutlich bei jedem politischen Protest, aus der inneren Überzeugung. Vor allem aber aus der Angst, was passiert, wenn wir nichts tun, gegen den Klimawandel." Denn in einem seien sich die Corona-Krise und die Klimakrise ziemlich ähnlich, so die Schülerin: "Wenn man zu spät auf sie reagiert, sind ihre Auswirkungen nicht mehr aufzuhalten."  

DW-Redakteurin Jeannette Cwienk
Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima- und Umweltthemen