Veggies im Weltall
17. Oktober 2016Keine Frage - was die italienische ESA-Astronautin Samantha Cristoforetti während ihres mehrmonatigen Aufenthalts auf der Internationalen Raumstation ISS am meisten vermisst hat, war ein knackiger Salat mit vielen frischen Tomaten.
Eine Reise zum Mars würde sogar fast zweieinhalb Jahre dauern. Eine sehr lange Zeit also ohne frisches Obst und Gemüse. Frische Tomaten, Blaubeeren und rote Blattsalate sind nicht nur lecker und deshalb gut für die Moral der Raumfahrer. Sie enthalten Antioxidantien, die vor äußeren Einflüssen wie Weltraumstrahlung im All schützen können. Schon lange experimentiert die NASA mit Pflanzenzucht-Methoden für Raummissionen.
"Schmeckt!"
Als Cristoforetti an Bord der ISS war, gab es zwar schon Salatpflänzchen an Bord, selbstgezogen im "Veggie"- System. Der rote Romana-Salat wurde aber zunächst zur Untersuchung wieder auf die Erde gebracht, bis die Crew die geernteten Blätter im August 2015 tatsächlich essen durfte - mit Dressing.
Bereits ein Jahr vorher wurde das auffaltbare Gemüsebeet "Veggie" samt Salatsamen zur Raumstation ISS gebracht. Herausforderung Schwerelosigkeit: Die Pflanzen wuchsen an einer Art Docht gebunden auf "Samenkissen" unter rotem, blauem und grünem LED-Licht. Vor allem die roten und blauen Anteile im sichtbaren Lichtspektrum lassen Pflanzen wachsen. Da sie kein grünes Licht absorbieren, erscheinen sie grün.
Die Frage, welches Gemüse sich am besten zum Anbau im All eignet, versucht die amerikanische Raumfahrtagentur NASA mit Hilfe von Hunderten von Schulkindern zu beantworten.
Theoretisch möglich
"Wir haben einfach nicht die Zeit, jedes grüne Blättchen, jede Pflanze, zu testen", meint "Veggie"- Projektmanager Trent Smith. Es gebe Tausende Pflanzensorten, und die NASA könne sie nicht alle selbst testen. "Die Schüler sind uns eine große Hilfe".
An die 115 Schulen im US-Bundesstaat Florida sind mit "Veggie"-ähnlichen Gemüsebeeten ausgestattet, sie benutzen ähnliche Lampen und eine ähnliche Düngermischung. Die Ergebnisse des Projekts kann man bei Twitter vefolgen: @GrowBeyondEarth.
NASA experimentiert auch mit Methoden, Gemüse auf dem Roten Planeten selbst anzubauen. Selbst US-Präsident Barack Obama ist ein großer Verfechter der bemannten Marsmission.
"Wir haben ein klares Ziel, unerlässlich für das nächste Kapitel in der amerikanischen Raumfahrt: bis etwa 2010 wollen wir Menschen zum Mars schicken, sie gesund und munter zurückholen, mit der Vision, sie eines Tages längere Zeit dort zu lassen", schrieb er unlängst in einer CNN-Kolumne.
Zündende Idee
Im Kinofilm "Der Marsianer" steckt der Astronaut Tom Watney auf dem Mars fest. Nun muss er bis zu seiner Rettung irgendwie überleben. Der Astronaut verfällt auf eine so simple wie geniale Idee: er pflanzt Kartoffeln an auf einer Mischung von Marsboden, mitgebrachter Erde und seinem eignen Kot.
Für eine einzige Person kann man sich das ja gerade noch vorstellen, aber Gemüseanbau auf dem Mars in großem Stil wirft jede Menge Fragen auf, unter anderem die nach Erde.
"Erde enthält per definitionem organische Substanzen, da gedeihen Pflanzen, Insekten und Würmer - aber auf dem Mars gibt es keine Erde", meint Ralph Fritsche, leitender Projektmanager für Lebensmittelproduktion am Kennedy Space Center. Die Oberfläche des Mars ist von Regolith bedeckt, einem feinen Geröll, toxisch - denn es enthält wahrscheinlich viele Schwermetalle-, dafür aber keine organischen Anteile.
Um Marsboden zu simulieren, testen NASA-Wissenschaftler aktuell Pflanzenwachstum mit Vulkansand von Hawaii, der dem Staub und den Steinen auf dem Roten Planeten am nächsten kommt.
Paprika,Tomaten - und Schwermetalle?
Sie pflanzten Salat in normaler Blumenerde, im simulierter Marserde und in simulierter Marserde mit zusätzlichen Nährstoffen. Der "extraterrestrische" Salat schmeckt ähnlich wie der irdisch-gewachsene, hat aber kleinere Wurzeln und die Samen entwickeln sich langsamer. Weiteres Versuchsgemüse: Radischen, Grünkohl, Zuckerschoten, Paprika und Tomaten.
Wissenschaftler der Universität Wageningen fanden heraus, dass Nahrungspflanzen trotz eines hohen Metallanteils in simuliertem Marsboden wachsen können.
Eine vorläufige Analyse von Radieschen, Erbsen, Roggen und Tomaten sei sehr vielversprechend, meint Wieger Wamelink, Ökologe an der niederländischen Universität. "Wir können sie essen, und ich bin jetzt schon darauf gespannt, wie die Tomaten schmecken". Im September gab das Team für Geldgeber des Projekts ein Dinner mit auf simuliertem Marsboden gewachsenem Gemüse. Lecker: Drei von vier möglichen Sternen gebe er dem Mahl, meinte Wamelink anschließend.
Im Labor werden auch Vitamingehalt und der Gehalt an Flavonoiden, - sekundäre Pflanzenstoffe, die Pflanzen vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen - untersucht.
Aber die alles entscheidende Frage lässt sich eben nicht im Labor beantworten: würden Pflanzen in der Mars-Atmosphäre mehr Toxine, wie Blei oder Kadmium aufnehmen?
"Der Mars hat, wie der Mond, eine geringere Anziehungskraft als die Erde, und wir wissen nicht, wie es sich da mit der Aufnahme von Schwermetallen verhält", erklärt Wamelink. "Dafür müssen wir wohl vor Ort forschen."