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Frohe Weihnachten im Schützengraben

Jörg Taszman24. November 2005

Ein Kriegsfilm, der in der Vorweihnachtszeit die Herzen erwärmt? Das scheint nicht so richtig zusammenzupassen. Außer es geht um die Verbrüderung von Feinden, wie in "Merry Christmas".

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Feiern an der FrontBild: AP

Weihnachten 1914. Der deutsche Kaiser hat beschlossen, Tausende von Weihnachtsbäumen an die Front in Frankreich liefern zu lassen, um die Moral der Truppe zu erhöhen. Diese kuriose Episode hat jedoch unerwartete Folgen. Als Kontra ertönen zunächst im schottischen Schützengraben die Dudelsäcke. "Holy Night" wird gespielt. Daraufhin beschließt der deutsche Opernsänger Sprink, der nicht wirklich aus Patriotismus kämpft, spontan "Heilige Nacht" zu singen und den Schützengraben zu verlassen.

Angst vor Schwülstigkeit

Die Rolle des Berliner Tenoren Nikolaus Sprink verkörpert Benno Führmann und sie ist nicht frei erfunden. Regisseur Christian Carion stieß bei seinen Recherchen zum Film auf die Figur eines Tenors, der auch für französische Soldaten sag. Benno Fürmann war einerseits sofort begeistert und interessiert, hatte aber durchaus auch Bedenken. "Das war eine Rolle, die ich nicht ohne reifliche Überlegung einfach so angegangen bin", sagt Schürmann. Ein Tenor mit einem Tannenbaum in der Hand, der aus einem Schützengraben laufe und dabei eine Arie singe, das könne auch unter Umständen leicht peinlich und schwülstig werden, erklärt der Schauspieler. "Ich wollte das sofort machen, aber die Angst vor der Schwülstigkeit war natürlich da."

Gemeinsame Messe

"Merry Christmas" mag in seiner Inszenierung etwas altbacken sein. Der Film schildert aber ein vergessenes, kleines Wunder mitten im Krieg. Tagelang schwiegen zwischen Schotten, Franzosen und Deutschen die Waffen. Man tauschte Essen, zeigte sich die Fotos der zurückgebliebenen Frauen, spielte gemeinsam Fußball und hielt sogar eine Messe ab. Am schönsten sind die Szenen, in denen man sich gegenseitig im Schützengraben Unterschlupf gewährt, weil die eigene Artillerie immer noch die Gegenseite beschießt. Dann gelingt Regisseur Christian Carion eine viel zu seltene Tragikomik, die seinem Film gut tut. Besetzt wurde diese europäische Koproduktion mit französischen und deutschen Jungstars, die im eigenen Land sehr populär sind. Neben Benno Fürmann spielt ein bärtiger Daniel Brühl den Leutnant Horstmayer einen Soldaten, der nicht gerade der Motor dieser Verbrüderung ist, aber im Laufe des Films eine Entwicklung durchlebt. Die Entwicklung dieser Figur habe ihn besonders gereizt, sagt Brühl.

Vielseitiger Brühl

Daniel Brühl spricht übrigens so gut Französisch, dass seine Rolle spontan noch umgeschrieben wurde und es gelingt ihm wieder einmal, eine weitere Facette seiner Vielseitigkeit zu liefern. Er hat aber auch den Vorteil, nicht singen zu müssen, wie sein Kollege Benno Fürmann, der von einem echten Tenor stimmlich gedoubelt wurde, was man dem Film leider ansieht und stilistisch eine ungewollte Brechtsche Verfremdung darstellt. Betrüblich ist auch, dass in einem vereinten Europa ein Großteil des Publikums nur eine durchsynchronisierte einsprachige Fassung zu sehen bekommt, die dem Film viel von seiner Überzeugungskraft nehmen wird. Wer kann, sollte die deutsch-englisch-französische Fassung mit Untertiteln sehen und eine Geschichte entdecken, die leider für viele Beteiligte nicht gut ausging. Denn auch wenn sich die einzelnen Heeresleitungen erbittert bekämpften, in einem waren sie sich einig: Verbrüderung war in den Augen der hohen Militärs Hochverrat und wurde drakonisch bestraft.