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Spielerinnen protestieren gegen FIFA-Deal mit Saudi-Konzern

Mathias Brück
22. Oktober 2024

Mehr als 100 Fußballerinnen kritisieren in einem offenen Brief an die FIFA die Zusammenarbeit des Weltverbands mit dem saudischen Öl-Konzern Aramco - und finden deutliche Worte.

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FIFA-Präsident Gianni Infantino auf der Tribüne, bei einem Fußballspiel in Saud-Arabien
Steht mal wieder in der Kritik: FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) Bild: Jose Hernandez/Anadolu/picture alliance

Worum geht es in dem offenen Brief?

106 Profi-Fußballerinnen aus 24 Ländern fordern ein Ende des FIFA-Sponsoringdeals mit dem saudischen Öl-Konzern Aramco. Die Zusammenarbeit sei "wie ein Mittelfinger für den Fußball der Frauen", heißt es in dem offenen Brief,der an FIFA-Präsident Gianni Infantino adressiert ist. Die Spielerinnen kritisieren, dass eine Partnerschaft mit einem Unternehmen aus Saudi-Arabien die Entwicklungen und Fortschritte des Frauenfußballs der vergangenen Jahre "weit zurückwerfe".

Angeprangert wird neben dem Einfluss Aramcos auf den Klimawandel insbesondere die schwierige Lage der LGBTQ+-Gemeinschaft in Saudi-Arabien. "Die saudi-arabischen Behörden treten nicht nur die Rechte der Frauen mit Füßen, sondern auch die Freiheit aller anderen Bürger", heißt es in dem Schreiben. Saudi-Arabien habe "Milliarden für Sport-Sponsoring ausgegeben, um von dem brutalen Ruf des Regimes in Bezug auf die Menschenrechte abzulenken". Am Ende des offenes Briefs heißt es: "Dieses Sponsoring ist viel schlimmer als ein Eigentor für den Fußball: Die FIFA könnte genauso gut Öl auf den Platz gießen und es anzünden."

Die Organisation UN Women Deutschland unterstützt das Anliegen der Fußballerinnen. Das Aramco-Sponsoring der FIFA "würde die hart erarbeiteten Fortschritte im Frauenfußball untergraben und wäre für die Fußballerinnen ein Schlag in die Magengrube", sagte Dr. Ursula Sutter, stellvertretende Vorstandschefin der Organisation, der DW. 

Warum ist der Deal mit Aramco umstritten?

Im April diesen Jahres hatte die FIFA eine Zusammenarbeit mit dem weltweit größten Öl- und Gasunternehmen verkündet, das zu 98,5 Prozent dem saudi-arabischen Staat gehört. Der bis 2027 laufende Vertrag garantiert Aramco unter anderem Sponsorenrechte für die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM 2027. Menschenrechtsorganisationen beschuldigen Saudi-Arabien, den Sport als ein Mittel zu nutzen, um sein angeschlagenes Image aufzupolieren - eine Praxis, die man als Sportswashing bezeichnet.

Schweiz - FIFA Schriftzug
Der Weltverband FIFA arbeitet seit April 2024 mit Aramco zusammenBild: Markus Ulmer/Pressefoto Ulmer/picture alliance

Dem finanziellen Gewinn für die FIFA steht eine lange Mängelliste bei den Menschenrechten in Saudi-Arabien gegenüber: Das Land wird von der Königsfamilie Saud autoritär regiert. Wahlen gibt es nicht. Frauen und Männer sind nicht gleichberechtigt, homosexuelle Handlungen sind strafbar und werden mit körperlicher Züchtigung oder Gefängnis bestraft. Hinzu kommt die alljährlich hohe Zahl von Hinrichtungen, die teilweise sogar öffentlich stattfinden. Human Rights Watch kritisiert außerdem die "anhaltende Unterdrückung von Dissidenten und Aktivisten". In der von der Organisation "Reporter ohne Grenzen"erstellten Rangliste der Pressefreiheit belegt Saudi-Arabien nur Platz 166 unter 180 Staaten.

Des Weiteren wird Aramcos Einfluss auf den Klimawandel kritisiert. In einer Analyse des Climate Accountability Institute in den USA kam der Klimaexperte Richard Heede zu dem Ergebnis, dass nur zwanzig Firmen für rund ein Drittel sämtlicher bisheriger CO2-Emissionen der Welt verantwortlich sind. An der Spitze der größten Klimasünder liegt demnach mit großem Abstand Aramco. Auch die britische Denkfabrik "Carbon Tracker" bezeichnet Aramco als den "weltweit größten Verursacher des Ausstoßes von Treibhausgasen".

Was fordern die Spielerinnen?

Die FIFA soll die Zusammenarbeit mit Aramco beenden und den saudischen Konzern durch andere Sponsoren ersetzen, die sich zur Gleichheit der Geschlechter, den Menschenrechten und einer sicheren Zukunft der Erde bekennen. Außerdem schlagen die Fußballerinnen vor, Sponsorvorhaben der FIFA künftig von einem Ausschuss prüfen zu lassen, in dem auch Spielerinnen vertreten sind. Die Entscheidung, Aramco als Sponsor zu gewinnen, sei von 37 Personen getroffen worden, lediglich acht davon seien Frauen gewesen.

Arsenal v Manchester City - Barclays Women's Super League
Vivianne Miedema von Manchester City droht mit einem Boykott, sollte Aramco Sponsor der FIFA bleibenBild: MI News/NurPhoto/picture alliance'

Sollte den Forderungen nicht stattgegeben werden, drohen die Spielerinnen mit weiteren Konsequenzen bis hin zum Boykott. "Ich denke, man hat in den letzten Jahren gesehen, dass Frauenteams keine Angst haben, für ihre Werte einzustehen", sagte Vivianne Miedema, Stürmerin bei Manchester City, der BBC. "Es gab Boykottaktionen zahlreicher Teams in letzter Zeit, beispielsweise der US-amerikanischen und der kanadischen Frauennationalmannschaft. Alle sind bereit, offen ihre Meinung zu sagen. Es wird in Zukunft viel Aufmerksamkeit zu diesem Thema geben, und es werden definitiv Dinge rund um die Weltmeisterschaft passieren."

Im Vorfeld der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland war bereits über ein Sponsoring der Tourismusbehörde Saudi-Arabiens bei dem Turnier diskutiert worden. Schlussendlich war der Deal geplatzt, weil sich zahlreiche Spielerinnen und die gastgebenden Verbände dagegen ausgesprochen hatten.

Was sagt die FIFA zur Kritik?

Laut dpa verteidigte ein Sprecher des Weltverbands FIFA die Zusammenarbeit mit Aramco. Die FIFA sei eine integrative Organisation mit vielen kommerziellen Partnern. Von den Verträgen mit Aramco und anderen Unternehmen profitiere auch der Frauenfußball, da "die von der FIFA erzielten Sponsoringeinnahmen auf allen Ebenen wieder in den Sport investiert werden und die Investitionen in den Frauenfußball weiter steigen". 

In welche Sportarten investiert Saudi-Arabien?

Saudi-Arabien investiert seit Jahren viel Geld in den Sport. Der saudische Staatsfonds hat 2023 dafür sogar eine eigene Sports-Investmentfirma gegründet. Laut der Menschenrechtsorganisation "Grant Liberty" hat das Königreich am Golf bereits mehr als 1,3 Milliarden Euro in den Sport fließen lassen. Eine immense Summe, die allerdings angesichts des üppig ausgestatteten Staatsfonds PIF mit geschätzten Reserven von 600 Milliarden Euro geradezu nichtig erscheint.

Formel 1 USA
Aramco sponsert bereits viele andere Sportarten, wie beispielsweise die Formel 1Bild: Florent Gooden/DPPI media/picture alliance

Starfußballer wie Cristiano Ronaldo, Karim Benzema oder Sadio Mané folgten bereits dem Ruf des Geldes nach Saudi-Arabien. 2034 wird der Golfstaat so gut wie sicher die Fußball-WM ausrichten.

Saudi-Arabien wird 2029 auch Gastgeber der asiatischen Winterspiele sein. Außerdem rief der Staat die eigene Golfserie LIV ins Leben, veranstaltetFormel-1-Rennen und viele hochkarätige Box-und Wrestlingkämpfe.Um auch jüngere Menschen zu erreichen, investiert das Land in den E-Sport.

In der vergangenen Woche wurde in Riad der "Six Kings Slam" im Tennissport ausgetragen. Topspieler wie der Weltranglistenerste Jannik Sinner, Novak Djokovic und Rafael Nadal gaben sich die Ehre, obwohl es keine Weltranglistenpunkte zu gewinnen gab. Die Antrittsprämie für jeden Spieler soll bei knapp 1,4 Millionen Euro gelegen haben. Sinner, der das Einladungsturnier gewann, kassierte angeblich gut 5,5 Millionen Dollar - etwa doppelt so viel wie für einen Triumph in Wimbledon.