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WM 2026: Für oder gegen Donald Trump?

Florian Bauer
11. Juni 2018

Die USA, Kanada und Mexiko oder Marokko? Die Wahl des WM-Ausrichters 2026 an diesem Mittwoch in Moskau ist eine der spannendsten der jüngeren Sportgeschichte. Grund dafür ist Donald Trump.

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Gianni Infantino Fifa
Bild: Getty Images/AFP/M. Buholzer

Ein Tweet ist schon lange nicht mehr nur eine Nachricht. Ein Tweet kann Weltpolitik verändern. Er kann Geschichte schreiben. Das weiß die Weltgemeinschaft nicht erst seit diesem Wochenende, an dem US-Präsident Donald Trump mal eben die Abschlusserklärung der wichtigsten Industrienationen G7 mit genau 280 Zeichen ad absurdum führte. 280 Zeichen, in denen er mitteilte, dass er die Erklärung nun doch nicht mehr unterstütze. Ein anderer Trump-Tweet könnte am Ende entscheidenden Einfluss haben auf den Ausgang einer Wahl, die an diesem Mittwoch stattfindet und wie das G7-Treffen historische Züge annehmen könnte. Am Mittwoch nämlich entscheiden die Mitgliedsverbände des Weltfußballverbandes FIFA darüber, wer die so genannte "FIFA-Weltmeisterschaft" 2026 (von Fußball ist im Namen schon seit 1998 keine Rede mehr) austragen soll: Die USA gemeinsam mit Kanada und Mexiko oder doch lieber Marokko?

Nun ist ein solches Ereignis per se ziemlich spannend und entscheidend. Es geht ja immerhin um Milliarden von Euro, zudem um Prestige und natürlich um die Frage, wie früh wir aufstehen oder wie lange wachbleiben müssen, um die wichtigsten Fußballspiele live sehen zu können. In diesem speziellen Falle, der Wahl am Mittwoch, geht es um deutlich mehr.

Fast alle Verbände stimmen ab

Es ist die erste Wahl seit jenem ominösen, skandalumtosten 2. Dezember 2010, der Wahl von Russland und Katar als Ausrichter der Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Es ist die erste Wahl, bei der nicht mehr ein kleiner Zirkel von maximal 24 FIFA-Exekutivkomitee-Mitgliedern entscheidet, sondern der gesamte FIFA-Kongress, also alle weltweit tatsächlich 211 Fußballnationalverbände, abzüglich der beteiligten vier Verbände (und Kosovos, dessen Fußballpräsident am Samstag verstarb). Es ist die Wahl zur ersten WM mit 48 statt 32 Teams, die Medien nur noch als Mammut-WM bezeichnen. Kurzum: Sie dauert länger, braucht mehr Stadien und kostet mehr.

Vor allem aber ist es eine Wahl, deren Ausgang lange Zeit als absolut eindeutig klang - auf der einen Seite die großen USA mit ihren Mega-Stadien, viel Sponsoren-Geld und bester Infrastruktur, auf der anderen Seite das kleine Marokko im Norden Afrikas - und dann plötzlich zu einer hochspannenden wurde. Und das hat viel mit (Sport-)Politik zu tun.

Überwiegende Mehrheit der Spiele in USA geplant

Am Anfang steht vor allem ein Mann: Sunil Gulati. Der ehemalige Präsident des US-Fußballverbandes ist der Initiator, der Vordenker der Bewerbung der USAzusammen mit Mexiko und Kanada. Der Dozent der hoch angesehenen Columbia University in New York entwirft für die Bewerbung den Titel "United 2026". Vereint will man sein - und der Welt zeigen, dass die USA auch noch etwas anderes können als Unilateralismus à la Trump.

Sunil Gulati Wirtschaftswissenschaftler und Fußballfunktionär
Sunil Gulati, Initiator von "United 2026"Bild: picture-alliance/AP Images/M. Lennihan

Allerdings widerspricht sich die Bewerbung direkt mal selbst. Nur je zehn der 80 Spiele würden in Kanada und Mexiko stattfinden, die restlichen 60 und alle entscheidenden ab dem Viertelfinale in den USA. Es ist eine US-Bewerbung mit generösem Abstecher nach Norden und Süden. Während viele Kanadier stolz sind, überhaupt als Austragungsort dabei zu sein (obwohl man durch die FIFA-Frauen-WM 2015 und Olympia 2010 in Vancouver schon den Nachweis erbracht hat, dass man große Turniere ausrichten kann), ist die Stimmung in Mexiko eine komplett andere.

"Bei uns ist es leidenschaftlicher"

Fragt man auf den Straßen Mexikos oder bei einem Spiel der mexikanischen Liga Fans, sind die meisten enttäuscht. "Wenn du eine gemeinsame WM machst", sagt ein Fan der Xolos, des Erstligisten im nordmexikanischen Tijuana an der Grenze zu San Diego in den USA, "dann muss die doch auch fair aufgeteilt sein." Und ein anderer meint: "Die USA wollen doch nur die Sympathie der Mexikaner und der Welt bekommen."

Fußball Confed Cup Mexiko - Neuseeland Fans
Mexiko ist für seine enthusiastischen Fans bekanntBild: imago/ITAR-TASS

Die meisten Fans verweisen außerdem auf die Fußball-Historie Mexikos, Austragungsort der Endrunden 1970 und 1986, die damals auch noch Fußball-Weltmeisterschaften hießen. Mexiko wäre das erste Land der Geschichte, das zum dritten Mal eine WM ausrichten würde. "Bei uns hier ist es viel leidenschaftlicher als in den USA, der Fußball dort ist doch noch in der Entwicklung", sagt der Chef der Ultras der Xolos de Tijuana, während der Lärm im Stadionblock sein Wort fast verschluckt. "Diese Bewerbung", sagt er noch nach einer kurzen Pause, "vergisst Mexikos Fußballkultur mit den zwei bisherigen Weltmeisterschaften."

Trifft man Sunil Gulati, den ehemaligen Präsidenten des US-Fußballverbandes, und fragt ihn nach dem Missverhältnis der Spielorte, sagt der nur: "Wir hätten es auch alleine machen können. Mexiko und Kanada müssten für die alleinige Ausrichtung neue Stadion bauen." Und dann gibt er doch ehrlich zu: "Aber natürlich sind Kanada und Mexiko positiv für unser Image. Lateinamerika ist dann dabei und Kanada ist angesehen in der Welt. Klar das ist hilfreich." Und dann kommt Marokko. Und ein Tweet von Donald Trump.

Marokko fehlt es an Infrastruktur

In letzter Sekunde bewirbt sich Marokko als Gegenspieler der "United 2026"-Kandidatur. Monatelang fehlt es an Informationen, was Marokko eigentlich anzubieten hat. Mittlerweile ist klar: In 14 Stadien in zwölf Städten soll gespielt werden. Neun davon müssen neu gebaut, die restlichen fünf renoviert werden. Kein einziges ist fertig.

Marokko Bewerberland FIFA WM  2026
Zum zweiten Mal nach 2010 eine Fußball-WM in Afrika? Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Bounhar

Auch die sonstige Infrastruktur fehlt: Ausreichend Hotelkapazitäten für eine WM mit 80 Spielen und dementsprechend vielen Millionen Fans. Trainingsplätze für die 48 Teams. Straßen und Eisenbahnnetze sollen neu entstehen. Selbst Krankenhäuser, gibt der marokkanische Fußballverband in seiner Bewerbung offen zu, müssten noch gebaut werden, um sich ausreichend um Fans und Beteiligte der WM kümmern zu können.

Knapp 14 Milliarden Euro plant Marokko, dafür in die Hand zu nehmen. Der König steht hinter der Bewerbung. Und man verweist auf die Vorteile: Alle Spielorte seien in einem Radius von 550 Kilometern um Casablanca. Die Stadien seien rückbaubar und so umweltfreundlich wie bei keiner WM zuvor. Das Land sei sicher. Und das gesamte Turnier würde in einem Währungsraum und vor allem in einer Zeitzone stattfinden, der Zeitzone Zentraleuropas, also Deutschlands. Es ist der fünfte Versuch Marokkos, eine FIFA-WM auszurichten. Sowas nennt man wohl einen Dauerkandidaten. Und der hat auf einmal gute Chancen.

Anfang und Ende der Fahnenstange

Mit der Bewertung einer Task Force des Weltfußballverbandes hat das nichts zu tun. Die fünfköpfige FIFA-Task Force bewertet in ihrem Evaluationsbericht Marokko so schlecht wie selten einen Bewerber zuvor. Mit 247,9 von 500 möglichen Punkten liegt man weit hinter der Nordamerika-Bewerbung und 402,8 von 500. Und nur knapp über der Grenze von 200 Punkten, unter der Marokko gar nicht erst zur Wahl zugelassen worden wäre.

Alleine bei drei untersuchten Punkten - Unterbringung, Transport und Stadien - wird der Bewerbung Marokkos ein hohes Risiko zugeschrieben, zehnmal ein mittelhohes. Bei Nordamerika gibt es laut Task Force kein hohes und nur drei mittelhohe Risiken, unter anderem die Frage, ob wirklich alle Fans in die USA einreisen dürften, trotz Trumps Einreiseverbot für Muslime einiger Länder. Die USA haben der FIFA dafür Garantien gegeben.

Im Bericht heißt es, die Bewerbungen seien "fast die beiden Extreme des Spektrums". Gemeint ist: Selten war eine Bewerbung so schlecht, und selten eine andere so gut. Damit wäre alles klar. Wäre da nicht Donald Trump.

Politischer Druck durch Trump

In der Nacht des 27. April um 1.39 Uhr drückt der US-Präsident, der häufig früh morgens oder spät abends aus seinem Bett twittert, auf 'absenden'. Und verändert damit die Welt rund um die Wahl an diesem Mittwoch. Er schreibt, dass die USA mit Kanada und Mexiko eine starke Bewerbung um die WM 2026 hätten. Und dann fragt er, warum die USA noch Länder unterstützen sollten, wenn diese sie nicht bei dieser Wahl unterstützen würden.

Noch nie hat ein Politiker so deutlich öffentlich Einfluss auf eine Wahl im Weltsport genommen. Ab jetzt ist jedes Abstimmungsverhalten am Mittwoch auch eine Abstimmung für oder gegen die USA, für oder gegen Trump.

Und das Problem für Marokko ist: Die Wahl am Mittwoch ist nicht geheim, die FIFA veröffentlicht anschließend, welcher Fußballverband wie abgestimmt hat. Die Frage ist nun, wie viele Fußballverbände sich auch als verlängerter Arm ihrer Regierungen sehen oder wie viele ganz absichtlich gegen Trump stimmen wollen. Bisher ist das völlig offen.

Nur selten wird der politische Einfluss so deutlich wie beim Fußballverband Zimbabwes, der in einem Statement vor einigen Tagen schreibt, dass man "selbstverständlich" Rücksprache mit der Regierung des eigenen Landes genommen habe und die erwärme sich für "United 2026", also stimme man auch so ab. Für Trump also.

Saudi-Arabien wirbt für "United 2026"

Klar ist bisher nur, dass ein Großteil der 54 afrikanischen Stimmen an Marokko gehen werden, zudem die des ein oder anderen muslimischen Landes und die Stimmen einiger Europäer, die wie Frankreich durch Einwanderung enge Verbindungen nach Marokko haben oder einfach auf die bessere Zeitzone für ihre Fans und Märkte setzen. Da ist es nicht mehr weit bis zu den 104 Stimmen, die man braucht. Bei Stimmengleichheit gewinnt die Bewerbung mit der besseren Task Force-Bewertung, also die Nord- und Mittelamerika-Kandidatur.

Mexiko FIFA-Kongress in Mexiko Stadt 2016
Der FIFA-Kongress (hier 2016 in Mexiko-Stadt) stimmt diesmal über den WM-Gastgeber abBild: picture-alliance/dpa/Bildfunk/J. Mendez

Die wird Stimmen aus Mittel- und Südamerika ziehen, aus Asien - hinter den Kulissen kümmert sich offenbar vor allem Saudi-Arabien um Stimmen für den politischen Verbündeten USA und hat just kurz vor der WM 2026-Entscheidung einen neuen Fußballverband für Südwestasien mit 13 Mitgliedern gegründet - und natürlich jene der vier US-Außengebiete Puerto Rico, Guam, die Amerikanischen Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa. Wochenlang hatte Marokko versucht und bei der FIFA beantragt, diese aufgrund von Befangenheit von der Wahl auszuschließen. Ohne Erfolg. Denn bei der Wahl steht auch für die FIFA und dessen Präsidenten Gianni Infantino viel auf dem Spiel.

Finanzen sprechen für USA und Co.

Die größere WM mit 16 zusätzlichen Mannschaften wird nämlich auch deutlich teurer. Und mit dem Geld ist das sowieso gerade so eine Sache bei der FIFA, nachdem Infantino bei seiner Wahl im Februar 2016 jedem Mitgliedsverband ordentlich mehr Geld, nämlich fünf Millionen US Dollar pro Vierjahreszeitraum versprach. Außerdem haben die Anwaltskosten für die vermeintliche Korruptionsaufklärung nach den Skandalen um Stimmenkauf und Bestechung von FIFA-Offiziellen Millionen gekostet. Und Sponsoren scheinen derzeit mehr als vorsichtig, Geld in das FIFA-Geschäft zu pumpen.

Da kommt die US-Bewerbung mit ihrem großen Markt, den finanzstarken Sponsoren und TV-Anstalten gerade recht. Über 14,3 Milliarden US Dollar verspricht eine WM in Nordamerika zu erlösen, schreibt die FIFA Task Force in ihrem Bericht. Eine WM in Marokko würde demnach nur 7,2 Milliarden bringen.

Und Infantino verdankt seine Wahl vor allem einem Mann: Sunil Gulati. Sie erinnern sich: dem ehemaligen Präsidenten des US-Fußballverbandes. Er war es, der am Tag der Wahl Infantinos die nötigen Stimmen für ihn sicherte. Ein Sieg der US-Bewerbung ist für Infantino möglicherweise also überlebenswichtig, wenn es um seine Wiederwahl im nächsten Jahr geht.

FIFA International Legends Game 2017
"Best friends": Infantino (2.v.l.) und Gulati (3.v.l.) - hier mit Ex-Superstar Diego Maradona (l.)Bild: picture-alliance/Pressefoto Ulmer

Spielen US-Ermittlungen gegen FIFA eine Rolle?

Dass US-Präsident Donald Trump gerade nach dem G7-Gipfel am Wochenende den kanadischen Premier auf Twitter als "unehrlich" und "schwach" bezeichnete, und sich viele Kanadier möglicherweise gar nicht mehr so sicher sind, ob es eine gute Idee war, mit den USA und Mexiko gemeinsam eine WM-Austragung zu beantragen, mag eine Randnotiz sein. Genauso, dass Trump ja eigentlich eine Mauer zu Mexiko bauen will.

Dass der US-amerikanische Inlandsgeheimdienst FBI und ein Gericht in New York weiterhin im FIFA-Korruptionssumpf ermitteln und viele Fußballverbände möglicherweise daher nicht unbedingt die WM just in das Heimatland der Ermittler vergeben wollen, könnte schon eher Folgen haben. Vielleicht wird am Ende auch Hope Solo Recht behalten. Eine der Ikonen des US-Frauenfußballs, Weltmeisterin und Olympiasiegerin, rät stark ab, für ihr Heimatland zu stimmen.